Schwalbach sollte für Starkfrieds Seelenheil bürgen
Stadt erwirbt Faksimile-Ausgabe des Lorscher Codex / Im Jahre 781 erstmals urkundlich erwähnt

Von Regine Ebert

Als eine Art Geburtsurkunde Schwalbachs kann eine Eintragung des Ortes im Jahre 781 im Lorscher Codex gelten. Damals verschenkte ein Ritter einen Teil des Dorfes an das Kloster; dies wurde in der Schenkungsurkunde festgehalten. Die Stadt Schwalbach hat nun eine Faksimile-Ausgabe des Lorscher Codex erworben. Im März 2003 wird außerdem eine Ausstellung zum „Weltkulturerbe Kloster Lorsch" gezeigt.

SCHWALBACH. „Wir, Starcfrit und meine Mutter Mechthilt, machen eine Vergabung an den heiligen Märtyrer Nazarius, dessen Leib im Lorscher Kloster ruht", so ist es im Lorscher Kodex niedergeschrieben. Auf gut deutsch bedeutet das: Der Ritter Starkfried verschenkte im Jahr 781 einen stattlichen Teil des Dorfes Sualebach, wie Schwalbach damals hieß. Genau gesagt, handelte es sich um „70 Joch Ackerland, eine Wiese und zwei Hofreiten".

„Ein Joch bedeutete ein Tagwerk", klärt Schwalbachs ehrenamtlicher Stadtarchivar Dieter Farnung auf, also etwa die Fläche, die ein Mann mit einem Gespann pro Tag pflügen konnte. Das entspricht nach heutigen Maßstäben etwa der Fläche eines Sportplatzes. Die verschenkten 70 Joch dürften also in der Gesamtfläche rund 35 Hektar ausgemacht haben -„mehr als die Fläche der Limesstadt", wie Bürgermeister Roland Seel (CDU) sagt, der zusammen mit Farnung die Neuerwerbung der Stadt, die Faksimile-Ausgabe des Lorscher Codex, vorstellte.

Als Motiv der freigiebigen Schenker wird die Sorge um das eigene Seelenheil angenommen. Ritter Starcfrit erkaufte sich damit die Gewähr, daß im Kloster für ihn gebetet wurde. Für die verschenkten Schwalbacher bedeutete der Besitzerwechsel, daß sie nun einem neuen Eigentümer abgabepflichtig waren. Farnung geht davon aus, daß das alte Schwalbach zu dieser Zeit wahrscheinlich aus einzelnen, besiedelten Gehöften bestand.

Noch weitere acht Mal wurden Teile des Ortes im Laufe der Geschichte an das Kloster verschenkt, was fein säuberlich im Lorscher Codex festgehalten ist. Der Codex ist eine Sammlung von Urkundenabschriften, die von den Mönchen der Benediktinerabtei Lorsch vom späten 12. Jahrhundert an geführt wurde. Dabei handelte es sich um Schenkungsurkunden an das Kloster Lorsch, deren Originale schon lange nicht mehr existieren, wie Farnung sagt.

Schwalbach Codex

Von „Starcfrid" und „Sualebach" ist im Lorscher Codex zu lesen (rechte Buchseite, etwa in der Mitte). Was die Mönche niederschrieben, ist der Besitzwechsel eines ansehnliches Teils des Dorfes - die erste von neun Schenkungen an das Kloster Lorsch.

Entscheidend für die Schwalbacher Nachwelt ist die erste Schenkung aus dem Jahr 781, gilt sie doch als Geburtsurkunde der heutigen Stadt Schwalbach. „Eigentlich ist Schwalbach ja schon viel älter", schränkt Farnung ein; man könne davon ausgehen, daß das Gebiet seit der Frankenzeit besiedelt sei. Erstmals erwähnt wurde der Ort allerdings in eben jenem Codex. Dies war Grund genug für die Stadt, eine Faksimile-Ausgabe des Lorscher Codex zu kaufen. 430 Euro wurden dafür investiert.

Der kleine Niddagau, zu dem auch Schwalbach zählte, ist mit rund hundert Schenkungen an das Benediktinerkloster gut vertreten. Insgesamt erhielt das Kloster mehr als 3800 Schenkungen. In den meisten Fällen gingen sie an den Heiligen Nazarius, dessen Reliquien im Jahr 764 nach Lorsch gebracht wurden.

Als Grund dafür, daß Lorsch immer wieder in den Genuß der Geschenke kam, nennt Farnung die freundschaftlichen Beziehungen des Klosters zu Karl dem Großen. „Außerdem hatte das Kloster große Privilegien", sagt Farnung, „es war Reichskloster mit der Bestandgarantie ,auf immer und ewig' und hatte vom König die Reichsunmittelbarkeit verliehen bekommen" - eine Vorstufe zum Status der freien Reichsstädte. re

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Frankfurter Rundschau - 13.2.03 - mit freundlicher Erlaubnis der FR