Schwalbacher Bauern weichen dem Wohnungsbau und der Gewerbeansiedlung
PETER LORENZ

„Der Bauer weiß nämlich etwas, was die gesamte zivilisierte Menschheit vergessen zu haben scheint, nämlich, daß die Lebensgrundlagen des gesamten Planeten nicht unerschöpflich sind."
Konrad Lorenz, Verhaltensforscher

Ursprung und Wandel

Schwalbach hat viele Gesichter. Romantische, stille Ecken, die an seine dörfliche Vergangenheit erinnern. Dann die großstädtische Architektur, mit Hochhäusern, die die Nähe der Großstadt ahnen lassen. So präsentiert sich optisch die Taunusstadt in der Landschaft des Vortaunus zu Beginn der Jahrtausendwende. 14.179 Menschen leben auf der relativ geringen Gemarkungsfläche von 6,47 Quadratkilometern. Damit rangiert Schwalbach an der Spitze von vergleichbaren Städten in der Bevölkerungsdichte. 2.191 Einwohner leben auf einem Quadratkilometer, l .566 Einwohner je qkm sind es beispielsweise in der Nachbarstadt Eschborn. Nur die Großstädte Frankfurt mit 2.594 Einwohnern und Offenbach 2.595 Einwohnern je qkm übertreffen in Hessen diese Zahl. Die Ausdehnung der Bebauung und die Siedlungsmöglichkeiten sind damit im Gemarkungsbereich praktisch ausgeschöpft. Innerhalb von 40 Jahren hat sich das Bild der Gemeinde grundlegend gewandelt. Aus dem idyllischen Dorf wurde die Wohnstadt am Rande der Mainmetropole Frankfurt am Main. Der Wohnungsbau und die Gewerbeansiedlung hatten Priorität. Die landwirtschaftlichen Betriebe verschwanden. Kaum noch befährt ein Traktor mit Anhänger die Straßen. Wie stürmisch die Entwicklungsphase in Schwalbach war, beweist der Anstieg der Einwohnerzahl. 1946 lebten 2.224 Menschen in der Gemeinde. Ende 1950 stieg die Einwohnerzahl auf 2.407. Am Jahresschluss 1958 zählte man 3.919, 1960 4.365 Einwohner. Die Einwohnerzahl verdreifachte sich vom Stand 1962, 4.873, bis Ende 1972, 14.294. Der Siedlungsdruck, der von der Mainmetropole Frankfurt am Main ausging, ließ die Limesstadt augenscheinlich auf der grünen Wiese entstehen. Der Standort Schwalbach wurde auch für namhafte Weltunternehmen als Firmensitz attraktiv. Auf der Strecke blieben Schwalbachs Bauern, die ihren landwirtschaftlichen Erwerb nach und nach aufgaben. Im Frühjahr 2000 verkaufte Bauer Josef Mathes seinen Viehbestand: Die Milch frisch vom Hof gehörte in Schwalbach der Vergangenheit an. Zwei landwirtschaftliche Betriebe, Henninger und Weil, betreiben heute noch vor Ort Feldbestellung. Ihr Beitrag für den Landschaftsschutz verdient allgemeine Wertschätzung.

Die Vision des Landrates von Marx

Das Wohnstadtprojekt Limes, das in Schwalbach in der Zeit von 1962 bis 1973 realisiert wurde, hatte in der Zeitgeschichte der Region des 20. Jahrhunderts einen geistigen Vorgänger. Die Schrift „Auf zum Taunus", die von dem Schirmherrn und Landrat des Obertaunuskreises Marx 1908 herausgegeben wurde, warb für Siedlungsmöglichkeiten am und im Taunus. Schwalbach gehörte damals dem Obertaunuskreis an, der seinen Sitz in Bad Homburg hatte. Diese reichlich bebilderte Werbeschrift verstand sich als Aufruf an alle Siedlungswilligen aus dem Mittelstand der nahen Großstädte und Industriestandorte um Frankfurt. Vorausgegangen war im Oktober 1907 eine informelle Versammlung sämtlicher Gemeindevorstände, der Kreisausschussmitglieder, von Frankfurter Bürgern, Liebhabern des Taunus, von Architekten und Vertretern der Baubranche. Schon im Januar 1908 legten die beteiligten 30 Gemeinden ihr Material zusammengefasst für die Werbeschrift einem geschäftsführenden Ausschuss vor, der dann diese in Buchform veröffentlichte. Daneben existiert für jede Gemeinde ein eigener Sonderdruck. Eine Gesellschaft, so war vorgesehen, sollte eine Vermittlerrolle übernehmen, zwischen den Siedlungswilligen und den Gemeinden, Grundeigentümern sowie Architekten und Bauausführenden. Die Ereignisse der Zeitgeschichte, wie die des Ersten Weltkrieges, verhinderten die Umsetzung des ehrgeizigen Vorhabens.

Schwalbach wies in der Marxschen Beschreibung Gelände für eine Siedlung aus, die am Saubornswald geplant war und etwa 2,5 km nordwestlich vom damaligen Ortskern lag. Ein Teil des Waldes hätte gefällt werden müssen. Das bäuerlich geprägte Dorf hatte nicht viel zu bieten. Lediglich eine geringe ärztliche Versorgung, Volksschule, Kirche, Freiwillige Feuerwehr, Gasthöfe mit dem Aushängeschild Gasthaus „Zum Hirschen", später „Mutter Krauss" genannt, und ländliches Vereinsleben. Auffallend ist bei der Ausweisung des Siedlungsgebietes die Nähe Kronbergs. Bis zum Bahnhof Kronberg betrug der Weg nur 1,5 km und somit war die Eisenbahnverbindung nach Frankfurt gegeben. Damals wie heute ist vom alten Ortskern Schwalbach der Bahnhof Niederhöchstadt nur l km entfernt.

Schwalbach am Rande der Großstadt

Ein wesentlicher Fakt für die Attraktivität der Region war der Bau der Nebenbahnen in den Taunus. Schon am 22. Juli 1845 feierte man die Betriebseröffnung der Sodener Eisenbahn. Am 01. November 1874 wurde die Bahnlinie Frankfurt-Kronberg der Cronberger Eisenbahn eröffnet. Wenn man bedenkt,

dass zu Goethes Zeiten ein Pferdefuhrwerk oder eine Kutsche als Einspänner auf der alten Poststraße von Frankfurt nach Schwalbach mühevoll etwa zwei bis drei Stunden unterwegs war, glich die neue Eisenbahn dem modernen Fortschritt. Der Dampfzug brachte die Fahrgäste erheblich schneller vom Taunus nach Frankfurt und wieder zurück. Die Mainmetropole rückte zusehends näher. Die Cronberger Eisenbahn beförderte 1901 1.005.534 Fahrgäste und 48.567 Tonnen Güter, eine stolze Bilanz.

Das Dorf dehnt sich aus

Zur Jahrhundertwende veränderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Gemeinde Schwalbach. Die Landwirtschaft blieb zwar weiterhin der Haupterwerbszweig, doch gingen mit jedem Jahr mehr Männer ihrer Arbeit in umliegenden Orten nach, in Frankfurt und in den noch selbstständigen Orten Bockenheim und Höchst. Die Nachfrage nach Bauhandwerkern und Fabrikarbeitern in den Industriebetrieben der Gründerzeit war groß. Auch Frauen wurden außerhalb von Schwalbach erwerbstätig, vornehmlich in Haushalten oder als Schneiderinnen. Die Wohnungsnot nahm zu. Seit 1920 gab es dann in Schwalbach einen Bau- und Siedlungsverein. Mit staatlichen Beihilfen und in Eigenhilfe sorgte der Verein dafür, dass 1924 auf der großen Rohrwiese, im Bereich der heutigen Gartenstraße, die ersten Häuser bezogen werden konnten. Im selben Jahr verhalf die damals schon bestehende Nassauische Heimstätte den Siedlungswilligen zum preisgünstigen Hausbau. So konnten 1927 drei Doppelhäuser mit zwölf Wohnungen bezogen werden.

Der Bebauung in der heutigen Sauererlenstraße/Sulzbacher Straße musste der damals dort vorhandene Sportplatz weichen. Daraufhin errichteten die Fußballer 1929 in Selbsthilfe am Sodener Wald ihren neuen Sportplatz. Vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges entstand auf den Gemarkungsflächen Eschborn, Schwalbach und Sulzbach ein Flugplatz für die Luftwaffe. Die Reichsregierung erwarb für den Flugplatzbau 1935 bis 1937 185 Hektar bäuerliches Land, in Schwalbach hauptsächlich Domänenland.

Der Zugriff auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen nahm Anfang der fünfziger Jahre mit dem wachsenden Siedlungsbedarf zu.

Zunächst waren es Bauwillige, vielfach aus Frankfurt, die im Steinfeld Bauland zur Errichtung von Ein- und Zweifamilienhäusern erwarben. Die Bautätigkeit setzte sich fort beiderseits des Niederhöchstädter Pfades. Die Nassauische Siedlungsgesellschaft (heute Hessische Landgesellschaft) begann 1954 mit dem Bau der Nebenerwerbssiedlung an der Sodener Straße. Sie wurde die neue Heimstätte von heimatvertriebenen Landwirten und ihren Familien und wird im Volksmund eher liebevoll „Kopftuchsiedlung" genannt. 61 Häuser mit je einer Einliegerwohnung und separaten Stallgebäuden entstanden. Die Hühner- und Schweineställe sind heute aus dem Blickfeld der schmucken Siedlung verschwunden und meist durch Garagen ersetzt worden. Die großzügigen Gartenparzellen liefern nur noch das Obst und Gemüse sowie die Blumen für den Hausbedarf. Es bestand zunehmender Wohnbedarf. In Zusammenarbeit mit den Farbwerken Hoechst, der Firma Günther (Frankfurt) und der Nassauischen Heimstätte entstand deshalb südwestlich der Eschborner Straße die „Vogelsiedlung", deren Straßen Vogelnamen tragen. Diese Bebauung war 1960 praktisch abgeschlossen. Am Rande dieser Siedlung, am Sossenheimer Weg, baute der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bau Steine Erden, Georg Leber, sein Haus. Dort erreichte ihn 1967 die Nachricht, dass er das Amt des Bundesministers für Verkehr, Post und Fernmeldewesen in der großen Koalition antreten solle. Insgesamt 14 Jahre übte der Bundespolitiker Georg Leber ein Ministeramt in Bonn aus. Örtlich forcierte er als Bundesverkehrsminister den Bau der Limesbahn, die den ersehnten Anschluss an das Schienennetz nach Frankfurt herstellte.

Städtebaumodell Limes im Widerstreit

Der Siedlungsdruck im Einzugsbereich der Rhein-Main-Metropole Frankfurt machte sich immer deutlicher bemerkbar. Sicher war es ein mutiger riesiger Schritt in die Zukunft, den Bürgermeister Hugo Lietzow im Jahre 1959 den Schwalbachern vorschlug: auf dem freien Gelände zwischen Wald- und Sauerbornsbach eine Wohnstadt zu bauen. Den meisten Mitbürgern grauste es bei dem Gedanken, dass sich die Einwohnerzahl binnen 10 bis 15 Jahren vervierfachen sollte. Mehr als tausend Jahre habe Schwalbach gebraucht, auf 4000 Seelen zu kommen, jetzt diese riesige Trabantenstadt unmittelbar vor der Haustür, hieß es von den Kritikern. Wütender Protest erhob sich aus dem Kreis der Schwalbacher Landwirte. Der Februartag des Jahres 1960 ist als sogenannter „Schwalbacher Bauernaufstand" in die Ortschronik eingegangen. Ein Demonstrationszug mit Traktoren formierte sich durch die Straßen der Gemeinde. Auf den mitgeführten Transparenten war zu lesen: „Wer die Limesstadt baut, dem gehört der Frack verhaut", oder „Laßt uns mit Eurer Stadt verschont, baut sie auf dem Mond". Am deutlichsten war der Satz: „Wer essen will, soll den Bauern das Brot lassen". Mit dem Verlust von weiteren 73 ha sahen die Schwalbacher Bauern ihre Existenz vernichtet. Ihre Zukunftsängste waren damals durchaus zu verstehen. Aus dem Blickfeld der Zeit, nach vierzig Jahren, hat sich die Anschauung auch bei den Betroffenen realistisch verändert.

Trotz allem Für und Wider, die Limesstadt wurde gebaut. In ihr wurde das städtebauliche Konzept des bekannten Hamburger Professors Hans Bernhard Reichow verwirklicht. Reichows Idee vom „biologischen Bauen" hatte den Ausschlag gegeben.

Die verkehrsberuhigte, kreuzungsfreie Wohnstadt sollte mit Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten eine moderne, in die natürliche Landschaft eingebettete und in sich abgeschlossene Stadt sein. Ein einziges Heizwerk versorgte die Stadt mit Fernwärme. Das Städtebaumodell fand Beachtung im In- und Ausland. Rund 10.000 Menschen fanden in der Wohnstadt ein neues Zuhause. Die Wohnlandschaft teilte sich in Einfamilienhäuser, zwei- bis viergeschossige Wohnhäuser und bis elfgeschossige Hochhäuser auf.

Am 17. Mai 1962 wurde durch den hessischen Ministerpräsidenten Dr. Georg August Zinn der erste Spatenstich gesetzt. Bereits im Dezember 1964 zogen die ersten Neubürger in ihre Wohnungen in der Frankenstraße.

Schwalbach wird Stadt

Die Verleihung der Stadtrechte am 9. Mai 1970, nach einer stürmischen Aufbauphase, setzte einen Meilenstein in der Entwicklung Schwalbachs. Es erfüllte sich das Lebenswerk von Bürgermeister Hugo Lietzow.

Die verkehrsmäßige Anbindung auf Schiene und Straße und die günstige Lage zum Handelsplatz Frankfurt am Main machten Schwalbach auch für Wirtschaft, Handel und Gewerbe interessant. Bereits im Jahre 1960 errichten die Gebrüder Moos auf dem ehemaligen Gelände des Hofgutes der Domäne Schwalbach einen Baustoffgroß- und -fachhandel. In der jungen Stadt wurden namhafte Unternehmen ansässig, wie Procter & Gamble und Unionmatex in der Sulzbacher Straße und VDO in der Sodener Straße. Am Kronberger Hang siedelte die Hadeka, die in den 70er Jahren als Zentrale in der Kleiderbranche eine führende Rolle spielte. Die Stadt verfügt heute über fünf gewerbliche Baugebiete mit rund 40 Hektar Fläche. In den 80er und 90er Jahren weitete sich das Gewerbegebiet am Kronberger Hang aus. Weltunternehmen, wie Dow Chemical, EMC Computer-Systems, Samsung und Yaskawa Electric Europe siedelten sich an.

Ein etwa sieben Hektar großes Gewerbegebiet steht der Stadt auf dem ehemaligen Gelände des US-Camps Eschborn zur Verfügung. Dort lassen sich hauptsächlich Schwalbacher Betriebe nieder, die aus dem beengten Standort in der Stadt ausziehen.

Die offensive Wirtschaftsförderung der Stadt, die sich der amtierende Bürgermeister Horst Faeser zum Ziel gesetzt hat, sichert durch Steuereinnahmen die Finanzkraft der Stadt und schuf weitere wichtige Arbeitsplätze.

Seit der Stadterhebung wurden weitere Projekte der Wohnbebauung fertig gestellt, am Marktplatz, u.a. „Schwarzer Riese", Berliner Straße, Friedrich-Stoltze-Straße, Haus Mutter Krauss, Schwimmbadwiese, am Flachsacker und Berliner Straße/Wiesenweg. Das Neubaugebiet „Stadtmitte" nimmt als bauliche Verbindung zwischen der Wohnstadt Limes und Alt-Schwalbach immer mehr Gestalt an. Das Gleiche gilt für das Baugebiet am Sulzbacher Pfad, wo auch ein Altenpflegeheim entstand.

Für das öffentliche Grün sowie die großzügigen Freizeit- und Sporteinrichtungen benötigte man im Zuge der Bebauung der Stadt weitere Flächen. Sie waren ursprünglich von den Bauern landwirtschaftlich genutzt worden.

Trotz der Verdichtung ist Schwalbach stets seinem Ruf als „Stadt im Grünen" gerecht geworden.

Landwirtschaft am Scheideweg

Ein Dorf, in dem es seit Jahrhunderten kaum Veränderungen gab, wächst in relativ kurzer Zeit über seine Ortsgrenzen hinaus und wird zur Stadt. Die Entdeckungsgeschichte gibt den Aufschluss, dass Menschen schon vor mehr als 5.000 Jahren auf dem heutigen Gemeindegrund siedelten. Die Sammlung und Beschreibung von Funden aus der Jungsteinzeit von Alfred Zeischka dokumentiert diese Tatsache vortrefflich. Auch die römische Epoche hat ihre Spuren hinterlassen. Im Jahre 1839 wurde „am Hüttenbaum", ein Kilometer nordwestlich vom Dorfkern Schwalbach, ein römischer Viergötterstein gefunden, der auf eine größere gut ausgestattete Villa Rustica schließen lässt. Nahe dabei, auf dem Taunuskamm, verlief der römische Grenzwall Limes. Nicht ohne Grund erhielt deshalb das 1959 entworfene Städtebaumodell den Arbeitstitel „Limesstadt". Es ging um Land auch bei der urkundlichen Ersterwähnung Schwalbachs im Jahre 781: „Stacfrit schenkte dem Kloster Lorsch siebzig Joch Land in Sualbach". Am Ende des Mittelalters lag am Rande des alten Ortskerns die Burg als Sitz der Ritter von Schwalbach. Sie besaßen keine eigene Herrschaft, sondern standen im Dienstverhältnis zu verschiedenen Territorialherren. Ebenso war die Burg kein Eigenbesitz der Ritter, sondern lag inmitten des herrschaftlichen Gutes bzw. der späteren Domäne.

Die Zeit des 17. Jahrhunderts beschreibt Professor Dr. Theodor Niederquell in seinem Aufsatz von 1981 „Schwalbach im Jahre 1668" mit aufschlussreichen Ausführungen zum Landbesitz. Der herrschaftliche Besitz mit 585 Morgen Ackerland, 80 Morgen Wiesen und 13 Morgen Weingärten wurde gegen Pachtzins an Schwalbacher verlehnt. Das Dorf zählte 174 Einwohner: 36 Männer, 41 Frauen, 49 Söhne und 48 Töchter. Sie lebten in 48 Wohnhäusern und waren Leibeigene des Landesherrn. Es gab 35 landwirtschaftliche Betriebe. Sie besaßen Wohnhaus, Stall, Scheune, Küchengarten und durften Wald, Weide und Wasser gemeinschaftlich nutzen.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts lebten die Schwalbacher hauptsächlich von der Landwirtschaft. Handel, Handwerk und Gastgewerbe spielten eine untergeordnete Rolle: Sie dienten in erster Linie dem örtlichen Bedarf und wurden nebenberuflich betrieben. Der größte landwirtschaftliche Betrieb war der „Kameralhof" als Domäne. Er umfasste 600 Morgen (150 ha) Land. In 50-jähriger Pacht, von 1879 bis 1930, bewirtschaftete Wilhelm Lindheimer das Anwesen. Er hatte auch den Schafhof nördlich von Schwalbach in Pacht, wo er bis zu 100 Kühe hielt. Die Milch wurde täglich mit dem Pferdefuhrwerk nach Frankfurt gebracht, im letzten Jahrzehnt pasteurisiert und in Flaschen.

In Nachfolge übernahm Pächter Gustav Roth das Hofgut. In diese Zeit fiel dann der Flugplatzbau im Süden der Gemarkung.

Der Aderlass in der Landwirtschaft setzte nach dem Zweiten Weltkrieg ein. In einer Bestandsaufnahme im Jahre 1956 gab es noch 20 Familien, die hauptberuflich ihre Landwirtschaft ausübten. Die Hofgrößen lagen bei 5 bis 15 ha. Daneben existierten 12 bäuerliche Betriebe mit einer Größe bis 5 ha im Nebenerwerb. Die Höfe lagen meist in der Enge des Ortes. Die Nassauische Siedlungsgesellschaft (jetzt Hessische Landgesellschaft) ermöglichte Schwalbacher Landwirten, auch in Hinblick auf den Bau der Limesstadt, um- oder auszusiedeln. Johann Scherer und Josef Ehrhard verlegten ihre Betriebe in die Gemarkung Weilbach. Winfried Henninger siedelte zum heutigen Standort Sossenheimer Weg, während Josef Buch seinen neuen Hof im Bereich der heutigen Friedrich-Stoltze-Straße errichtete. Josef Buch starb und von seinen Erben wurde die Landwirtschaft aufgegeben. Eine zentrale Rolle spielte bei der Planung der Limesstadt die Entschädigungsfrage. Der geschäftsführende Direktor Müller der Nassauischen Heimstätte, Bauträger und Hauptfinanzier der geplanten Limesstadt, stellte sich Anfang März 1960 der Presse und erläuterte den Besitzstand und die Größenordnung des Baugebietes. Die eigentliche Wohnstadt benötigt 67 ha Bauland. Für das Verbindungsstück zwischen Wohnstadt und Alt-Schwalbach sind 15 ha erforderlich. 50 Prozent davon gehören dem Land, 20 Prozent der Gemeinde und 30 Prozent privaten Eigentümern. Die Entschädigungsfrage wird großzügig behandelt. Statt der geldwerten Entschädigung besteht das Angebot von Ersatzland aus dem Domänenbesitz. Auch die Nutzung von Pachtland wird entschädigt. Die Güteklasse des Baulandes lag bei den abzugebenden Flächen zwischen 42 und 76 Punkten, meistens jedoch unter 60 Punkten in der Werteinstufung.

„Wir wollen alles gut und sorgfältig vorbereiten, damit auch in der Ausführung 'Nägel mit Köpp' gemacht werden und hoffen, im Herbst mit der Erschließung zu beginnen", betonte Direktor Müller seine Vorgehensweise. Sein Optimismus führte schließlich zum Erfolg. Die Betroffenen wurden sowohl mit Geld als auch mit landwirtschaftlichen Nutzflächen entschädigt.

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist von 1980 neun auf zwei geschrumpft: Andreas Henninger bewirtschaftet etwa 40 ha Ackerland und Wiesen, hauptsächlich für den Bedarf des Reiterhofes Henninger. Die Söhne von Georg Weil bearbeiten im Zuerwerb noch landwirtschaftliche Flächen.

Für Josef Mathes war bis zum Frühjahr 2000 die Landwirtschaft seine Haupterwerbsquelle. Außer Ackerbau betrieb er bis zuletzt auch Viehwirtschaft. 14 Kühe standen in seinem Stall an der Ringstraße. Alle zwei Tage wurde die Milch von einem Molkereitankfahrzeug abgeholt. Mit seinem Weggefährten Anton Flach erinnerte er sich noch an den täglichen Viehtrieb auf die Wiesen außerhalb der Bebauung. Bis 1960 war das möglich. Am Historischen Rathaus befand sich früher die Milchannahmestelle. In besten Zeiten zählte man dort 40 Milchablieferer.

Der Abschied von Josef Mathes mag mit Wehmut verbunden sein: Der 66-jährige kann sich nach einem arbeitsreichen Leben getrost zur Ruhe setzen: Seinem Berufsstand hat er alle Ehre erwiesen.

Die Bauerntradition in Schwalbach wird immer mit den Namen der Familien Buch, Ehrhard, Flach, Freund, Hemmerle, Henninger, Keller, Kilb, Mathes, Pleines, Peiter, Scherer, Weil u.a. unauslöschlich verbunden sein.

Quellennachweis

  • Hessisches Statistisches Landesamt, Einwohnerstatistik
  • Obertaunuskreis, Landrat von Marx, Werbeschrift „Auf zum Taunus", 1908
  • Magistrat der Stadt Schwalbach am Taunus Schwalbach am Taunus, 781 - 1981, Festschrift 1981
  • Schwalbach am Taunus, Junge Stadt mit Tradition, Info-Broschüre 1989
  • Stadtarchiv Schwalbach am Ts., Abdruck Pressemitteilungen 1988
  • Kurt Eckert „Klein- und Nebenbahnen im Taunus" 1978
     

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2002 - mit freundlicher Erlaubnis des Autor.
26.6.05