«James Elmer Spyglass war ein Meister der De-Eskalation»

Er ist ein großer Fan von James Elmer Spyglass: Christopher Higman (65) kannte den dunkelhäutigen Musiker, dem 1954 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Schwalbach verliehen wurde, zwar nicht persönlich. Dennoch interessiert sich der aus Wales stammende Ingenieur bereits seit den 90er Jahren für Spyglass, nach dem der Schwalbacher Preis für kulturelle Verständigung benannt wurde. Higman veröffentlichte 1996 einen Artikel über den beliebten Amerikaner im Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises. Kreisblatt-Mitarbeiterin Anne Zegelman befragte ihn.

Herr Higman, woher rührt Ihr Interesse für James Elmer Spyglass?

CHRISTOPHER HIGMAN: Ich war selbst zehn Jahre im Ausländerbeirat aktiv und fand es interessant, daß damals ein Ausländer die Ehrenbürgerschaft verliehen bekommen hatte. Anfang der 90er nutzte ich eine Geschäftsreise in die USA, um Springfield, den Geburtsort von Spyglass, zu besuchen. Dort habe ich recherchiert und mit dem Geschichtsverein von Springfield Kontakt aufgenommen.

Was für ein Mensch war Spyglass?

HIGMAN: Er war offensichtlich sehr liebenswürdig und beliebt. Und er war ein Meister der De- Eskalation, das hat er in vielen schwierigen Situationen bewiesen. Nicht nur während seiner Arbeit im Konsulat nach Kriegsende, sondern auch im Umgang mit den Schwalbachern. Das weiß ich aus Schriften, aber auch aus Gesprächen mit Menschen, die ihn noch kannten, wie dem mittlerweile verstorbenen Richard Peters. Die Freundlichkeit gehörte zu seinem Wesen.

Er blieb unbehelligt

Spyglass ist ein Farbiger gewesen. Wie kommt es, daß er dennoch während des Zweiten Weltkriegs keine Probleme mit dem verbrecherischen, rassistischen Nazi-Regime bekam?

HIGMAN: Nach 1941 war er ja nicht nur ein dunkelhäutiger Amerikaner, sondern sogar ein Kriegsfeind. Trotzdem blieb er relativ unbehelligt. Er mußte sich nur einmal pro Woche bei der Polizei melden. Er war ein Mensch, den alle liebten. Die, die ihn kannten, haben ihn geschützt und hätten ihn niemals ausgeliefert.

Wie stark hatte er unter Anfeindungen und Bedrohungen zu leiden?

HIGMAN: Über Anfeindungen ist nichts bekannt, im Gegenteil. Später erklärte Spyglass mit Sicht auf seine Hilfe nach Kriegsende, er habe lediglich «Güte mit Güte vergolten».

Auf welche Weise hat er sich nach dem Einmarsch der Amerikaner für die Schwalbacher Bevölkerung eingesetzt?

HIGMAN: Er hat alles getan, was notwendig war. Kurz nach dem Einmarsch der Alliierten mußten alle Menschen neue Ausweise bekommen. Als Männer in Schwalbach festgenommen wurden, weil sie keine Ausweise hatten, obwohl diese noch gar nicht verteilt worden waren, konnte er alles mit den amerikanischen Behörden für die Schwalbacher regeln. Er setzte sich auch für ehemalige Mitglieder der NSDAP ein und verbürgte sich für sie bei seinen Landsleuten. Für die Schwalbacher Kinder organisierte er Weihnachtsfeiern im Camp Eschborn und sang dort auch.

Der James-Elmer-Spyglass- Preis wurde erstmals 1995 vergeben. Welche Bedeutung hat der Preis für die kulturelle Verständigung in einer Stadt wie Schwalbach?

HIGMAN: Eine sehr wichtige Bedeutung, heute genauso wie damals. Allerdings hat die Situation sich geändert: In den 90er Jahren wurden Ausländerheime angezündet, wenn auch nicht in Schwalbach. Heute sind eher die Bildung und ihre Folgen das Problem. Ich war dabei, als der Preis im Ausländerbeirat initiiert wurde. Wir wollten damit ein Zeichen setzen.

Höchster Kreisblatt - 11.1.10 - mit freundlicher Erlaubnis des HK