130 Jahre Standesamt
Personenstandsbücher als Zeugnisse der Zeitgeschichte am Beispiel Schwalbach am Taunus
PETER LORENZ

Der historische Tag

Der 2. Oktober 1874 hat bisher in die Ortsgeschichte von Schwalbach am Taunus noch keinen Eingang gefunden. An diesem historischen Tag trug nämlich Bürgermeister Weil das erste Kind in das Geburtenbuch des Standesamtes Schwalbach ein. Anna Maria, Tochter des Nikolaus Specht und seiner Ehefrau Elisabetha, geborene Flach, erblickte am l. Oktober 1874, morgens um neun Uhr, in der Gemeinde Schwalbach das Licht der Welt. Der Vater des Kindes begab sich anderntags zum örtlichen Bürgermeister und zeigte die Geburt seiner Tochter an. Die erste Beurkundung im standesamtlichen Personenstandsbuch nahm ihren Verlauf. Das in Preußen geltende „Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung" vom 9. März 1874, verlieh dem Bürgermeister die Kompetenz zu dieser Amtshandlung. Dieses Gesetz galt zunächst nur für Preußen und trat dort am l. Oktober 1874 in Kraft. Es regelte die Form der Zivilehe und die staatliche Personenstandsregistrierung Das Reichspersonenstandsgesetz vom 6. Februar 1875 schuf dann die Handlungsgrundlage für das gesamte Reichsgebiet, es trat am l. Januar 1876 in Kraft. Damit waren, nach den anfangs vorhandenen politischen Widerständen im Reichstag, die Eheschließungsform und die Beurkundung des Personenstandes erreicht. Die Staatsreform war seit der Reichsgründung 1871 im vollem Gange und erreichte somit die Gemeinde Schwalbach am Taunus, die damals zum Obertaunuskreis, mit Sitz im Bad Homburg v. d. Höhe, im Königreich Preußen zählte. Der Ortsnamen „Schwalbach" war zu diesem Zeitpunkt die offizielle Gemeindebezeichnung. Diese änderte sich durch Beschlussfassung der Gemeindevertretung am 13. Dezember 1930 in die heutige Bezeichnung „Schwalbach am Taunus"

Die allgemeine Rechtsentwicklung

Seit dem 16. Jahrhundert war in den deutschen Landen den Geistlichen beider großen Kirchen aufgetragen, Tauf-, Trau- und Totenbücher zu führen. Die Kirchenbuchführung galt über lange Zeit als unabhängig und frei von staatlichem Einfluss. Dies sollte sich erst viele Jahrzehnte später ändern. So schrieb das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 den Pfarrern vor, wie sie Kirchenbücher über Aufgebote, Trauungen, Geburten, Taufen und Begräbnisse zu fuhren hatten. Die französische Revolution hinterließ rechtliche Spuren auch diesseits des Rheins. In Frankreich wurde die Trennung von Staat und Kirche verwirklicht. Das Personenstandsgesetz vom 20. September 1792 führte die obligatorische Zivilehe, Zivilstandsregister und staatliche Zivilstandesbeamte ein. Diese Regelung wurde in den „Code Civil" übernommen und fand mit diesem in allen linksrheinischen deutschen Gebieten, die zu der französischen Einflusssphäre zählten, ab 1794 praktische Anwendung. Der staatlichen Personenstandsführung gab in Deutschland die Revolution von 1848 neuen Aufschwung. Die in der Frankfurter Paulskirche durch Gesetz vom 21. Dezember 1848 beschlossenen „Grundrechte der Deutschen" sahen, neben der obligatorischen Zivilehe, die Standesbuchführung durch bürgerliche Behörden vor. Die niemals wirksam gewordene Verfassung des Reiches vom 28. März 1849, bestimmte: „Die Standesbücher werden von bürgerlichen Behörden geführt."

Der entscheidende Anstoß zu Schaffung einer staatlichen Standesbuchführung wurde schließlich durch den Konflikt zwischen Staat und Kirche seit 1872, im so genannten Kulturkampf, gegeben. Die Reichsgründung und die Reichsreformen waren dann die Wegbereiter zur endgültigen Gesetzesregelung, die bis heute Bestand hat. Das Bedürfnis, die Menschen nicht nur zu zählen, sondern über sie individuell genaue Aufzeichnungen zu machen, sie zu registrieren, hat in Deutschland seinen sichtbaren Ausdruck erhalten, dessen Grundlage im Reichspersonenstandsgesetz vom 6. Februar 1875 verankert ist. Die Registrierung diente aus damaliger staatlicher Sicht hauptsächlich als Grundlage für die Steuererhebung und die Wehrerfassung (Wehrpflicht). Dennoch hat sie auch zur Verbesserung der Rechtssicherheit geführt und zur Möglichkeit, den Menschen genau und eindeutig zu identifizieren. Das hat eine ebenso nicht minder große Rolle gespielt.

Das Amt des Standesbeamten - erst nur Männersache

Nach dem Reichspersonenstandsgesetz waren für jeden Standesamtsbezirk ein Standesbeamter und mindestens ein Stellvertreter zu bestellen. Zum ersten Male tauchte in der deutschen Rechtsordnung der Begriff des Standesbeamten auf. Der Vorsteher einer Gemeinde (Bürgermeister, Schultheiß, Ortsvorsteher) nahm dieses Amt kraft Gesetzes wahr, ohne das es einer Ernennung bedurfte. Im Großen und Ganzen war hierin die Grundlage für den ehrenamtlichen Standesbeamten zu erblicken, der etwa ein Jahrhundert lang in ländlichen Gegenden die Geschäfte neben seinen Aufgaben als Gemeindeoberhaupt wahrnahm. Die Ausübung des Amtes des Standesbeamten war zunächst Männersache, obwohl das Gesetz keine ausdrückliche Vorschrift enthielt, das Frauen die Ausübung untersagte. Erst in einer ergänzenden Vorschrift zur Änderung des Reichspersonenstandsgesetzes vom 11. Juni 1920 kamen auch die Frauen zu ihrem Recht. Es hieß: „Zu Standesbeamten oder ihren Stellvertretern können auch weibliche Personen bestellt werden". In Schwalbach am Taunus hat es seitdem ein ganzes Lebensalter bedurft, ehe eine Standesbeamtin im Jahr 1986 für den hauptamtlichen Dienst bestellt wurde. Der Anteil der Frauen bei den Standesbeamten liegt heute, in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie in den neuen Bundesländern, bei zwei Dritteln und mehr.

An der Schreibweise der männlichen Form des Standesbeamten hatte man lange nicht gerüttelt. Erst seit kurzer Zeit lässt man in Standesamtsgeschäften die Schreibweise „Die Standesbeamtin " zu. Auf Vordrucken und im Computersprachgebrauch bedarf es stets einer Änderungsformel per Stempel oder Schreibmaschine. Die gesetzlichen Mühlen mahlen langsam, auch nach 130 Jahren fortschrittlichem Werdegang. Die Majorität liegt beim Standesbeamten, der als Amtsperson im Auftrag und im Sinne des Staates handelt. Dieser nimmt in seinem Amtsbezirk die Beurkundungen vor, insbesondere bei Geburt, Heirat und Tod. Er führt das Geburts-, Heirats- und Sterberegister.

Der Standesamtsbezirk Schwalbach

Der Standesamtsbezirk ist in der Regel mit dem Gemeindebezirk identisch. In Großstädten können auch Gemeindeteile Standesamtsbezirk sein. Oft waren früher, im ländlichen Bereich, mehrere politische Gemeinden zu einem Standesamtsbezirk zusammengeschlossen. Am Beispiel Schwalbach zählten 1874 im Obertaunuskreis im Königreich Preußen die selbständigen Gemeinden Mammolshain und Niederhöchstadt zum Standesamtsbezirk Schwalbach. Die Standesamtsaufsicht führte der zuständige Landrat in Bad Homburg v. d. Höhe.

Auf den damaligen Bürgermeister Weil in Schwalbach kam eine neue Aufgabenstellung zu, die in ihrer Form genau umschrieben war. Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit wurde bei der Führung der Personenstandsbücher verlangt. Die Zeit vor 130 Jahren kann in keiner Weise mit der heutigen Zeit verglichen werden. Es gab noch kein Telefon, kein Fahrrad und kein Auto. „Per Pedes" oder mit dem Pferdefuhrwerk konnte man von der Höhe in Mammolshain oder vom östlich gelegenen Niederhöchstadt, meist auf landwirtschaftlichen Wegen, nach Schwalbach im Tale gelangen. Der Ortskern von Mammolshain lag damals, wie heute vier-, der von Niederhöchstadt eineinhalb Kilometer vom Ortskern (Alt-)Schwalbachs entfernt. Nach Mammolshain führte von Schwalbach die alte Poststraße Frankfurt-Köln. Niederhöchstadt konnte über die Bahnstraße erreicht werden. Der Ort hatte Bahnanschluss. Ein großes Ereignis war die Eröffnung der Bahnlinie Frankfurt-Kronberg der Cronberger Eisenbahn am 1. November 1874, mit der Frankfurt am Main für die Bürger des Taunusvorlandes leichter und schneller erreichbar wurde. Damals war der Turm des Domes der Blickfang vom Hang des Taunus auf die Stadt am Main mit ihrer bedeutenden geschichtlichen Vergangenheit. Wie Frankfurt waren auch Mammolshain, Niederhöchstadt und Schwalbach seit 1866 preußisch. Während Frankfurt schon zu dieser Zeit zu Deutschlands Großstädten zählte, waren die Orte am Taunus noch dörflich geprägte Landgemeinden.

Die Gemeinden in Spiegel der Zeit

Schon früh war das Gebiet zwischen Main und Taunus dauerhaft besiedelt. Die Sammlung und Beschreibung von Funden aus der Jungsteinzeit und der Römerzeit von Alfred Zeischka (Neuenhain, jetzt Oberhausen), dargestellt im Schwalbacher Rathaus, dokumentiert diese Epochen vortrefflich. Im Jahre 1839 wurde „am Hüttenbaum'', ein Kilometer, nordöstlich vom Dorfkern Schwalbachs, ein römischer Viergötterstein gefunden, der auf eine größere, gut ausgestattete Villa Rustica schließen ließ. Nahe dabei, auf dem Taunuskamm, verlief der römische Grenzwall, der Limes. Im Jahre 781 wurde Schwalbach erstmals schriftlich erwähnt. „Stacfrit schenkte dem Kloster Lorsch siebzig Joch in villa Sualbach". Im „Lorscher Codex' erfährt auch Niederhöchstadt 782 als „Ort in Niddagau" seine Ersterwähnung. Einer Sage nach soll die römischer Wassergöttin „Mammola" der Siedlung Mammolshain ihren Namen gegeben haben. Die urkundliche Ersterwähnung stammt aus dem Jahre 1191. Diese Dörfer haben dann im Verlauf der Jahrhunderte kaum Veränderungen erfahren. Ein Stück ihres Eigenlebens gaben zumindest Mammolshain und Niederhöchstadt auf, als sie 1874, auf staatliches Geheiß, dem Standesamtsbezirk Schwalbach einverleibt wurden. Mammolshain zählte damals 250, Niederhöchstadt 420 und Schwalbach 920 Einwohner. Zur Jahrhundertwende veränderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den drei Gemeinden. Die Landwirtschaft blieb zwar Haupterwerbsquelle, doch gingen mit jedem Jahr mehr Männer ihrer Arbeit in der Nachbarschaft nach, in Frankfurt sowie in den noch selbstständigen Orten Bockenheim und Höchst. Die Nachfrage an Handwerkern und Fabrikarbeitern in den Industriebetrieben der Gründerzeit war groß. Die Bevölkerungszahl wuchs. Der Erste Weltkrieg (1914-1918) forderte seine Opfer: In allen der drei Gemeinden beklagte man den Tod von gefallenen Soldaten. Mit dem „Gesetz über die Erweiterung des Stadtkreises Frankfurt am Main und die Neueinteilung von Landkreisen im Regierungsbezirk Wiesbaden" vom 28. März 1928, wechselten am 1. April 1928 die Gemeinden Niederhöchstadt und Schwalbach in den neuen Main-Taunus-Kreis. Für den Standesamtsbezirk Schwalbach hatte diese Gebietsreform die Konsequenz, dass die im Obertaunuskreis verbliebene Gemeinde Mammolshain aus dem Verbund ausschied. Die Standesamtsaufsicht für Schwalbach ging auf den neuen Landkreis mit Sitz in Frankfurt-Höchst über. Der Zweite Weltkrieg (1939-1945) legte seine Schatten über Schwalbach. 143 Schwalbacher fielen als Soldaten auf den Kriegsschauplätzen. Drei Fliegerangriffe auf den Ort waren folgenschwer und forderten 38 Menschenleben in der Zivilbevölkerung. Dem Standesbeamten Heinecke, der in Vertretung tätig war, oblag die schmerzliche Pflicht, den Tod dieser Menschen zu beurkunden.

Schwierig war der Neubeginn nach 1945. Heimatvertriebene aus dem Osten suchten in Schwalbach Aufnahme. Die Zeit war von Wohnungsnot und starken persönlichen Einschränkungen geprägt. Ein erster Lichtblick war dann die Währungsreform im Frühsommer 1948. Das Wachstum in den Gemeinden setzte ein. Der Siedlungsdruck, ausgelöst durch die Nähe der Mainmetropole Frankfurt am Main, ließ neue Wege gehen. Mit dem ersten Spatenstich zur Wohnstadt Limes nahm im Mai 1962 eine enorme Entwicklung ihren Anfang. Eine Stadt im Grünen für 10.000 Einwohner entstand. Die Verleihung der Stadtrechte an Schwalbach am Taunus durch die hessische Landesregierung am 9. Mai 1970 krönte dieses Entwicklungsphase vom Dorf zur Stadt. Mit dem freiwilligen Zusammenschluss und der Eingliederung von Niederhöchstadt in die Stadt Eschborn verließ die Gemeinde am 1. Januar 1972 den Standesamtsbezirk Schwalbach am Taunus. Fortan werden Geburten, Eheschließungen und Sterbefalle aus Niederhöchstadt beim Standesamt Eschborn beurkundet.

Siebzig Jahre ehrenamtliche, ab 1956 hauptamtliche Standesbeamte

Von 1874 bis 1956 wurde im Standesamtbezirk Schwalbach am Taunus das Amt des Standesbeamten ehrenamtlich ausgeübt. Ab 1956 übernahm der hauptamtliche Bürgermeister die Geschäfte des Standesamtes in der Gemeinde. Somit sind seit knapp fünfzig Jahren hauptamtliche Standesbeamte, ab 1986 auch eine hauptamtliche Standesbeamtin, im Standesamt Schwalbach am Taunus tätig. Am historischen Tag, dem 1. Oktober 1874, nahmen Bürgermeister Weil und sein Vertreter, der Hauptlehrer W. Schwab, die Tätigkeit des ehrenamtlichen Standesbeamten auf. Schon am 2. Oktober 1874 beurkundete Bürgermeister Weil, wie eingangs bereits erwähnt, die erste Geburt eines Mädchens. Der erste Niederhöchstädter wurde am 16. Oktober mit der Nr. 2 in das Geburtenbuch eingetragen, nachdem das Kind Anton Philipp Lind am 13. Oktober 1874, nachts um zwei Uhr, das Licht der Welt erblickt hatte. Der Vater Anton Lind zeigte die Geburt seines Sohnes an. Der erste Mammolshainer Erdenbürger ließ auf sich warten: Es war ein Mädchen namens Anna Maria Becker, die am 27. November 1874, um neun Uhr nachmittags, geboren wurde und deren Geburt tags darauf, am 28. November 1874, vom Großvater des Kindes, dem Gastwirt Philipp Steier aus Mammolshain, in Schwalbach angezeigt wurde.

Die erste standesamtliche Trauung nahm Burgermeister Weil am 1. November 1874 vor. Der Schriftsetzer Peter Scherer (24 Jahre alt) heiratete die Näherin Anna Agnes Petry (24 Jahre alt). Beide waren aus Schwalbach. Als erstes Brautpaar aus Niederhöchstadt gaben sich Friedrich Heinrich Ziok und Maria Julia Hoffmann am 15. November 1974 vor dem Standesbeamten ihr Ja-Wort. Am 29. November 1874 heiratete im Standesamt Schwalbach der Bauer Peter Bommersheim aus Mammolshain die Witwe Katharina Fuchs, geb. Buchsbaum aus Kronberg.

Der erste Sterbeeintrag erfasste den Tod eines Mädchens, welches am 01. Oktober 1874, nachmittags um zwei „in der Geburt" verstarb. Sein Vater, der Zimmermann Andreas Gräber aus Schwalbach, zeigte den Tod des Kindes an. Alle Einträge wurden handschriftlich durch den Standesbeamten vorgenommen. Der Hauptlehrer W. Schwab war, von 1895 an, etwa zehn Jahre eigenverantwortlich mit den Geschäften des Standesbeamten in Schwalbach betraut. Er starb im Sommer 1905. Sein Sohn Josef A. Schwab, Hauptlehrer, trat in die Fußstapfen seines Vaters, bis zu seinem Weggang, am 1. Oktober 1910 als Rektor nach Sossenheim. Die Lehrer waren schriftgewandt, pflichtbewusst und hinterließen eine saubere und ordentliche Registerführung.

Der Chronist vermerkt zur Jahrhundertwende die Amtzeiten der Bürgermeister Melchior Kilb (1894-1905) und Peter Weil (1906-1913). Welche familiären Bande zwischen Burgermeister Weil (1874 und Folgejahre) sowie später Bürgermeister Peter Weil bestanden, lässt sich derzeit im Stadtarchiv nicht erforschen. Peter Weil kam 1913 tragisch ums Leben. Sein Nachfolger wurde Bürgermeister Peter Specht (1913-1930). Dieser bekleidete bereits seit 1910 das Amt des Standesbeamten. Sorgsam und genau nahm er zwei Jahrzehnte seine standesamtlichen Aufgaben wahr. Ihm zur Seite standen in dieser Zeit die ehrenamtlichen Standesbeamten Glückmann (Lehrer) und Bauer als Stellvertreter. Die Amtsgeschäfte erledigte Peter Specht in seinem Hause Taunusstraße 2, vis-a-vis des Historischen Rathauses. Ihm folgte Bürgermeister Philipp Kilb (1930-1934). Bürgermeister Georg Kiesser war während der Zeit des Dritten Reiches, von 1934 bis 1943 tätig. Er wurde 1943 als Soldat eingezogen. Der Standesbeamte Heinicke vertrat ihn bis zum Kriegsende. Im Hause Schulstraße 29 war das Gemeindeamt mit dem Standesamt räumlich untergebracht.

Ohne Unterbrechung wurde die Arbeit im Standesamt nach Kriegsende im Mai 1945 fortgesetzt. Den eingesetzten und später gewählten Bürgermeistern, namentlich Philipp Kilb (1945-1946), Hans Rühl (1946), Peter Scherer (1946-1948) und Peter Fink (1948-1952) bereitete das Standesamtswesen einige fachliche Schwierigkeiten. Sie waren Ehrenämtler und mit der Materie nur wenig vertraut. Erst in der Amtszeit von Bürgermeister Julius Hemmerle (1952-1958) konnte das Standesamt wieder auf einen guten Standard gebracht werden. Die Gemeindeverwaltung zog mit dem Standesamt 1956 von der Schulstraße 29 in das Gebäude der „Alten Schule", Schulstraße 7. Im Juni 1958 nahm Bürgermeister Hugo Lietzow (1958-1975) das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters der Gemeinde Schwalbach am Taunus auf. 4.014 Einwohner zählte der Ort, und Pläne für ein großes Wachstum der Gemeinde lagen in der Schublade. Deshalb hielt Bürgermeister Lietzow Ausschau nach einem gemeindlichen Mitarbeiter, der die Geschäfte des hauptamtlichen Standesbeamten künftig wahrnehmen sollte. Die Wahl fiel auf August Schnarr, der zum Standesbeamten, zunächst als Stellvertreter, dann als Leiter des Standesamtes bestellt wurde. Siebenundzwanzig Jahre, von 1962 bis 1989, arbeitete August Schnarr eigenverantwortlich im Standesamt.

Schwalbach am Taunus wird Stadt

Mit dem Bau der Wohnstadt Limes wuchs Schwalbach am Taunus rasant. Bis zur Stadterhebung 1970 stieg die Einwohnerzahl auf 16.000 Menschen an. Die Aufgabenstellung für den Standesbeamten nahm zu. Die ständige Novellierung des Rechts und der Anstieg der Bevölkerungszahl erforderten den ganzen Einsatz des bestellten Mitarbeiters. Seine Bedingungen am Arbeitsplatz im Rathaus „Alte Schule" waren eher kümmerlich. Es fehlte ein Trauzimmer und moderner Büroraum. Das änderte sich mit der Eröffnung des neuen Rathauses am Marktplatz im Sommer 1973. Zwei moderne Büroräume und ein extra Trauzimmer im ersten Obergeschoss des Rathauses markierten den neuen Zeitgeist im Standesamt. Dabei blieb es aber bis heute! Während der Ära Schnarr waren die Rathausbeamten Wolf Schrader, Horst Faeser, Ulrich Schneider und Kurt Amerkamp als Stellvertreter in die Arbeit im Standesamt einbebunden. Für ein paar Jahre arbeitete die Angestellte Gretel Görg im Standesamt, ehe 1978 die Mitarbeiterin Herta Helmreich ihre Nachfolgerin wurde. Nach dem Besuch der Standesamtsakademie in Bad Salzschlirf stieg Herta Helmreich 1986 zur Standesbeamtin auf. Ihr fiel es zu, die „erste" Frau in diesem Amt in Schwalbach zu sein.

Von August Schnarr, nunmehr Ruheständler, übernahm 1989 Peter Lorenz die Leitung des Standesamtes. Dieser hatte seit 1970 im Rathaus, insbesondere im Haupt- und Personalamt, ausreichend Verwaltungserfahrung gesammelt. Er wandte sich mit Eifer seinem neuen wachsenden Aufgabengebiet zu. Norbert Dienst, später Heike Hochheimer, Heike Perthes und Ulrich Zinnkann ließen sich als Vertreter bzw. Vertreterinnen in die Mitarbeit im Standesamt einbinden. Herta Helmreich trat 2002 in den Ruhestand. Ulrike Lemke wurde ihre Nachfolgerin und im Juni 2004 zur Standesbeamtin bestellt. Für den langjährigen Standesamtsleiter Peter Lorenz zeichnet sich mit dem 30. September 2005 das Ende seiner Tätigkeit im Schwalbacher Rathaus ab.

Für die Bürgermeister Roland Petri (1976-1982), Rüdiger Glatzel (1982-1988), Horst Faeser (1988-2002) und Roland Seel (ab 2002) war und ist die persönliche Wahrnehmung des Amtes als Standesbeamter kein Thema: Ihre „historisch übertragene Aufgabe" gilt als bei den bestellten städtischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in guten Händen. In 165 Bänden sind die Jahrgänge des Geburtenbuches, des Heiratsbuches und des Sterbebuches, zusammengefasst und gebunden. Sie dienen dem

Standesamt als notwendige Arbeitsgrundlagen. Es besteht Aufbewahrungspflicht. Bei der Standesamtsaufsicht des Main-Taunus-Kreises sind im gleichen Umfang Zweitbücher in Verwahrung. Bis zum Jahre 1964 wurden alle Beurkundungen beim Standesamt Schwalbach am Taunus handschriftlich vorgenommen. Dann kam die Schreibmaschine zum Einsatz. Seit 1995 arbeitet man im Standesamt am PC.

In den Personenstandsbüchern des Standesamtes spiegeln sich die einzelnen Lebensabschnitte der Menschen, die Geburt, die Heirat und der Tod, wider. Die Aufzeichnungen in den Registern sind somit Dokumente und Zeugnisse der Zeitgeschichte in Schwalbach, sowie im begrenzten Sinne auch für das benachbarte Mammolshain, jetzt Königstein, und Niederhöchstadt, jetzt Eschborn. Das Standesamt Schwalbach am Taunus bestand am 01. Oktober 2004 130 Jahre. Die Arbeit der Standesbeamten in diesem langen Zeitabschnitt verdient diese schriftliche Betrachtung und Würdigung. Im Jahrzehnt der Reformen nach der Jahrtausendwende steht auch das Personenstandsrecht auf dem Prüfstein: Das Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts ist in Sicht. Nach 130 Jahren Personenstandsgesetz sind weitreichende Veränderungen geplant, die auch am Standesamt Schwalbach am Taunus nicht spurlos vorübergehen werden.

 

Quellennachweis

- Beitrag „125 Jahre Personenstandsgesetz - 125 Jahre Standesbeamte in Deutschland", Wolf gang Schutz, Berlin, StAZ 1/2000
- Beitrag „200 Jahre Personenstandserfassung, Standesamt Mönchengladbach” (1994/1996)
- Schwalbach am Taunus in alten Ansichten, Konstantin Freund
- Schwalbach am Taunus, 781-1981, Festschrift 1981
- Personenstandsbucher, Standesamt Schwalbach am Taunus
- Erhebungen Stadtarchive Eschborn, Königstein im Taunus und Schwalbach am Taunus
- Fotos Stadtarchiv Schwalbach am Taunus
- Eigenfotos Peter Lorenz (Privatarchiv)

Aus: MTK-Jahrbuch 2005 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors
07.07.05 - Die im Quellennachweis benannten Fotos sind nur im Original-Beitrag enthalten.