Verfolgt, deportiert, ermordet
Hofheim: Der Künstler Gunter Demnig hat die ersten 13 Stolpersteine zur Erinnerung an NS-Opfer verlegt

Von Barbara Helfrich

Die Rückkehr wurde Irene Mayer zum Verhängnis. 1935 war sie vor der Judenverfolgung in die USA geflüchtet. Doch auf Wunsch ihrer verarmten, einsamen Hofheimer Großmutter kam sie zwei Jahre später wieder nach Deutschland zurück. 1941 wurden Irene Mayer, ihr Mann Manfred und ihr erst acht Monate alter Sohn Joel von den Nationalsozialisten verschleppt und ermordet.

Seit gestern erinnern in der Bärengasse 5 drei Stolpersteine an Irene Mayer, an ihre Großmutter Bertha Nachmann und an ihren Onkel Friedrich Nachmann. Sie wurden ebenfalls deportiert und überlebten die NS-Zeit nicht.

Auch vor der Boutique in der Burgstraße 6a verlegte der Künstler Gunter Demnig gestern fünf Gedenksteine. Hier betrieb die Familie Oppenheimer eine Metzgerei. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lief das Geschäft sehr schlecht, in der Pogromnacht 1938 wurden im Haus der Oppenheimers die Fensterscheiben eingeworfen. Trotz der Übergriffe blieb die Familie in Hofheim. Die Eltern Hermine und Adolf Oppenheimer wurden 1942 nach Treblinka gebracht und starben im Konzentrationslager. Auch der älteste Sohn Karl und seine Frau Hedwig wurden Opfer der NS-Verfolgung. Nur der Tochter Recha gelang nach einer Odyssee über Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal die Flucht in die USA. 1990 starb sie in New York.

Für Friedrich Nachmann

Friedrich Nachmann ist einer der Hofheimer Juden, an die ein Stolperstein erinnert.

 

„Die grausame Geschichte zurück in die Stadt zu bringen", sei Ziel der Stolperstein- Aktion, sagte Bürgermeisterin Gisela Stang (SPD) zum Auftakt. Daß sich Passanten automatisch vor den NS-Opfern verbeugen müssen, um ihre Namen lesen zu können, hob Gunter Demnig hervor. Gut zwei Dutzend Hofheimer - viele davon Stadtverordnete - sahen zu, wie er die Bronzeplatten im Boden festklopfte.

Das öffentliche Gedenken müsse über die Stolpersteine hinaus gehen, sagte Marianne Knöß, Fraktionsvorsitzende der GOHL. Sie wünscht sich beispielsweise auch Mahnmale an Orten, an denen Zwangsarbeiter festgehalten wurden. Die GOHL hatte das Stolpersteine-Projekt vor fast drei Jahren angestoßen. Das Stadtparlament stimmte Anfang 2007 zu. Doch Gunter Demnigs Terminkalender ist sehr voll und so verging mehr als ein Jahr, bis er gestern in Hofheim die ersten 13 Steine verlegte.

Auf dem Gehsteig vor dem Haus Brühlstraße 3 ließ er vier Bronzeplatten für die Familie Rosenthal ein. Die Eltern Isidor und Mathilde arbeiteten in Hofheim als Viehhändler. Vor den Nationalsozialisten flohen sie 1937 über Italien und Palästina in die USA. Auch ihren Söhnen Hermann und Kurt gelang die Flucht.

Von den Nationalsozialisten enteignet wurde Emma Kopp, eine Freundin der Malerin Ottilie Roederstein und der Mäzenin Hanna Bekker vom Rath. Sie starb verarmt 1941. Ihre Villa mußte sie auf Druck des Kreises und der Stadt Anfang 1939 verkaufen. Jetzt erinnert im Rödersteinweg 4 ein Stolperstein an sie.

DAS PROJEKT

84 Stolpersteine für NS-Verfolgte
soll es in Hofheim und den Stadtteilen geben. Für 56 werden noch Paten gesucht, die 95 Euro pro Stein zahlen. Das Stadtarchiv informiert unter Telefon 06192/96 65 50.

Die Biographien der Opfer
hat die Frankfurter Historikerin Anna Schmidt recherchiert. Hofheim ist die 323. Kommune, in der Gunter Demnigs Projekt umgesetzt wird. Seit 2003 hat der Kölner Künstler mehr als 15.000 Gedenktafeln verlegt, in Deutschland und in anderen europäischen Ländern.

Frankfurter Rundschau –23.4 .08 - mit freundlicher Erlaubnis der FR