Ein [späterer] Eschborner Pfarrer im Krieg
Von Manfred Becht

Eschborn. Wie kommt es, daß ein Student der evangelischen Theologie sich noch nach Beginn der Kampfhandlungen zum Kriegsdienst meldet und sich dann geradezu nach dem Fronteinsatz drängt? Ein aus heutiger Sicht für viele kaum verständlicher Schritt, erklärt sich ganz allgemein sicher mit der besonderen Nähe der evangelischen Kirche zum protestantischen deutschen Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Für den damals Handelnden müssen aber ganz persönliche Überlegungen schon hinzu gekommen sein, zumindest eine gewisse Grundeinstellung zu diesem Krieg und der Rolle des Soldaten darin scheint notwendig.

Die Rede ist von Adolf Paul, Sohn eines Eschborner Pfarrers, der ebenfalls in Eschborn von 1932 bis 1960 als Seelsorger arbeitete. Seine Erinnerungen an seine Zeit im Ersten Weltkrieg hat er schriftlich festgehalten, und Christoph Regulski, Autor zahlreicher Publikationen über die beiden Weltkriege, hat dieses Dokument nun in Buchform veröffentlicht. Für 23,90 Euro ist es im Buchhandel erhältlich.

Paul macht gerade aus seinen Motiven und Gefühlen keinen Hehl. „Kriegshandwerk mit Kampf und Morden und ein neues Leben für einen Theologen? So widersinnig es auch scheint, so wahr ist es", schrieb Paul kurz nach seinen ersten Fronteinsätzen in Nordostfrankreich. „Steht man hier im Kampf für Gerechtigkeit und Freiheit, für ein besseres, edleres Leben künftiger Geschlechter, dann muß man sein biss'chen Leben wagen und stehen wie eine Säule, muß zu jedem Opfer bereit sein." Herausgeber Regulski erinnert mit Blick darauf noch daran, daß der Krieg in Deutschland schon weitgehend als Verteidigungskrieg angesehen wurde.

Würde sich Adolf Pauls Einstellung zum Krieg durch die Fronterlebnisse ändern? Diese Frage muß sich der Leser stellen, angesichts all des menschlichen Leids, mit dem er da konfrontiert wird. Auf irgendeine Weise freilich

bleiben Pauls Darstellungen in diesem Punkte merkwürdig distanziert. „Ebenso fiel der junge Leutnant Kersting, im Blick auf den wir oft sagten, daß er viel zu schade für den Krieg sei, denn er war uns ja noch mehr Kind als Mann", heißt es da beispielsweise. Und nach einer Panzerschlacht im Dezember 1917 erwähnt Paul zwar all die Leichen, seine Empfindungen aber beziehen sich auf anderes: „Es war Freude und Stolz unseres Regiments, daß auch durch seinen Einsatz der Großangriff der Engländer abgewehrt und das anfänglich vom ihm gewonnene Gelände fast restlos zurückgewonnen wurde." Das Ende überrascht dann fast gar nicht mehr. „Als schwersten Schlag der letzten Zeit empfanden wir, daß General Ludendorff ging, der Mann, zu dem wir immer noch das größte Vertrauen hatten, und der notfalls noch einmal das deutsche Heer zur Hingabe der äußersten Kräfte aufzurufen vermocht hätte." Und schließlich: „Wir sahen uns in Ehren rückmarschieren, gaben ein Bild bester Disziplin und Manneszucht, und fühlten uns als unbesiegt."
Adolf Paul

Pfarrer in Uniform: Adolf Paul kämpfte in beiden Weltkriegen.

Das ist in der historischen Rückschau wohl der gefährlichste Satz dieser Kriegserinnerungen, brachte doch genau der Mythos der im Felde unbezwungenen Streitkräfte jene Diskreditierung der Politik, die zu einer erheblichen Belastung der Weimarer Republik wurde und die zu ihrem Untergang auch beitrug. Immerhin weiß Eschborns Stadtarchivar Gerhard Raiss zu berichten, daß Paul diese Worte lange vor der Zeit des Nationalsozialismus schrieb - andernfalls hätte es sich auch um eine bedenkliche Ignoranz historischer Zusammenhänge gehandelt.

Paul setzte nach dem Krieg seine theologische Ausbildung fort. 1921 wurde er Pfarrer in Dörnberg an der Lahn, 1932 kam er nach Eschborn. Auch am Zweiten Weltkrieg nahm er teil, kam nach der Kriegsgefangenschaft nach Eschborn zurück und wurde 1969 dort zum Ehrenbürger ernannt. 1980 starb Paul im Alter von 88 Jahren in Frankfurt am Main.

Höchster Kreisblatt – 8.5.06 - mit freundlicher Erlaubnis des HK

Adolf Paul, Sohn eines Pfarrers, war ein treuer Sohn seiner Klasse - deutsch- national bis zum Zusammenbruch des Kaiserreiches - “im Felde unbesiegt”. Neue Erkenntnisse aus dem Weltkrieg scheint er bis zur endgültigen Abfassung des Tagebuches nicht gewonnen zu haben.

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