Bauliche Entwicklung in den Gemeinden seit 1945 am Beispiel Eschborn
GERNOT KAUF

Rasant, stürmisch, dynamisch oder verhalten, kontinuierlich; wie war eigentlich die Entwicklung in den Gemeinden nach 1945? Mit diesem Beitrag stellt der Verfasser den wirtschaftlichen und städtebaulichen Aufschwung der Main-Taunus-Gemeinden nach Kriegsende am Beispiel der Stadt Eschborn dar und unternimmt den Versuch, aufzuzeigen, wo die zukünftigen Chancen der Stadt liegen können. Eigene Eindrücke, aber auch Gespräche mit führenden Persönlichkeiten verschiedener Institutionen bilden die Basis dieser Arbeit, wobei kein Anspruch auf wissenschaftliche Vollständigkeit erhoben wird. Sie soll in erster Linie dazu beitragen, dem interessierten Leser Veränderungen der Wohnungsbaustrukturen, des Städtebaus einschließlich der gewerblichen Entwicklung näherzubringen. Mit einem Ausblick in die nicht ferne Zukunft schließt der Beitrag ab. Dabei wird die Frage aufgeworfen, welche sozio-ökologische Entwicklung den Menschen des verdichteten Mittelzentrums Eschborn dient. Wenn alle Fragen letztlich nicht endgültig beantwortet werden können, so haben sie dennoch auch für die Zukunft von Eschborn eminente Bedeutung.

- Droht nicht insbesondere im Vordertaunus der Siedlungsdruck ein landschaftlich reizvolles Gebiet zu zerstören?

- Kann das System der regionalen Grünzüge einer weiteren Verdichtung und Siedlungskonzentration standhalten?

- Überlebt die Stadt als souveränes und intaktes Gemeinwesen die kommende städtebauliche und verkehrliche Verdichtung des Ballungsraumes, oder heißt die zukünftige Großgemeinde im Main-Taunus-Kreis  "Eddershainjosbergenflörshochborn"?

Die kommunale Entwicklung nach 1945

Hessisches Aufbaugesetz/Bundesbaugesetz
Mit dem am 25.10.1948 in Kraft getretenen „Gesetz über den Aufbau der Städte und Dörfer" des Landes Hessen (Aufbaugesetz) wurde die so dringend erwartete rechtliche Grundlage zur notwendigen Grundstücksbereinigung als Voraussetzung für eine geordnete Neubautätigkeit geschaffen. Das Gesetz sollte helfen, die außerordentliche Wohnungsnot zu beseitigen. Auch durch die im Jahre 1948 durchgeführte Währungsreform erfuhr die Baukonjunktur keinen wesentlichen Einbruch, sondern aufgrund der nun vorhandenen gesetzlichen Regelungen eher eine Aufwärtsbewegung. So wurden im Kreis im Jahre 1946: 327, 1947: 552, 1948: 768 und im ersten Halbjahr 1949 bereits 545 Bauscheine ausgestellt. Parallel mit dem wirtschaftlichen und strukturellen Wandel der Städte und Gemeinden nahm auch erneut der Wohnraumbedarf zu. Die Lösung dieses Problems und die Sanierung der alten Ortskerne wurden dringend erforderlich.

Ein erster Schritt hierzu ist die bundeseinheitliche Regelung des Planungsrechtes und der Städtebauförderung. Am 23.6.1960 trat das Bundesbaugesetz in Kraft. Den Städten und Gemeinden wurde dadurch die vorbereitende Bauleitplanung als Selbstverwaltungsaufgabe übertragen. Sie wurden nun Planungssouverän und hatten bzw. haben, „soweit es die städtebauliche Ordnung erfordert", in eigener Verantwortung Bauleitpläne, das heißt Flächennutzungspläne und Bebauungspläne, aufzustellen. Dies erforderte seinerzeit einen umfangreichen Planungsaufwand der Kommunen, da die nach altem hessischen Aufbaurecht aufgestellten Bebauungspläne nun keine Rechtskraft mehr besaßen. Ab 1965 wurde mit der einsetzenden Regionalplanung eine große Zielrichtung, auch für die Entwicklung der Main-Taunus-Gemeinden, auf den Weg gebracht. So veränderten die Gemeinden in dieser Zeit durch die regionalplanerischen Vorgaben ihr Gesicht erheblich.

Allgemeine charakteristische Merkmale der Veränderungen sind:
1. Der Bedeutungsverlust der Land- und Forstwirtschaft
2. Hohe  Erwerbsquote  durch  Gewerbe- und Industrieanlagen (50  %  der Erwerbsträger sind Angestellte). In Eschborn lassen sich bereits große Handelshäuser nieder.
3. Überdurchschnittliche Gehaltsstruktur bei hohen Lebenshaltungskosten
4. Kontinuierlich zunehmender Siedlungsdruck. Besonders im Ostteil des Kreisgebietes werden diese Veränderungen sichtbar.

1964 entstand in Sulzbach das größte Einkaufszentrum Deutschlands mit 40.000 qm Verkaufsfläche auf 220.000 qm Gelände und ca. 3.000 Pkw-Stellplätzen. 1966 geht die Stadt Eschborn als Landessieger, dann als Bundessieger in der Gruppe A (Gemeinden von 3.000 bis 10.000 Einwohnern) aus dem Wettbewerb „Bürger, es geht um Deine Gemeinde" hervor. Sinn des Wettbewerbs war es, solche Gemeinden auszuzeichnen, die ihre städtebauliche Entwicklung in vorbildlicher Weise vorbereiten und verwirklichen. Bereits 1967/68 findet aufgrund dieser Planungen eine intensive Ansiedlung von Gewerbegebieten statt. Dazu gehörten beispielsweise: Kraft GmbH, Arnold Becker & Co., Fegro und Fertsch & Co. und andere.

Aspekte der Raumordnung und der Regionalplanung

Das Ausmaß der Zerstörungen des 2. Weltkrieges war im Rhein-Main-Gebiet groß. Besonders Frankfurts Innenstadt wurde zu 75 % zerstört. Nicht ganz so stark waren die Kriegseinwirkungen dagegen im ländlichen Raum. In relativ kurzer Zeit begann jedoch der Wiederaufbau. Der während des Krieges und verstärkt danach einsetzende Flüchtlingsstrom und ein tiefgreifender Wandel der Wirtschaftsstruktur, der nach der Währungsreform 1948 seinen Anfang hatte, trugen ganz erheblich zu der großen Bevölkerungszunahme der Region um Frankfurt bei. So kennzeichneten Wohnungsnot und Elend, großer Wohnraumbedarf für Alt- und Neubürger wie für junge Ehepaare die Situation auf dem Wohnungsmarkt nach 1949 auch in Eschborn. Flüchtlingsfamilien wurden zunächst in Hotels, Schulen und Anstalten einquartiert. Nur durch beachtliche Wohnungsneubauten konnte die Wohnungsnot damals behoben werden.

Allerdings wurde dabei nicht immer in den Gemeinden auf geordnete, städtebauliche Strukturen geachtet. Neue Formen in den Bereichen ,,Wohnen und Arbeiten" mußten gefunden werden. Die Region befand sich unter einem enormen Siedlungsdruck. Überall schossen, besonders in den 60er Jahren, mehrgeschossige Wohnanlagen und Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Jährlich nahmen die Einwohnerzahlen zu. Im Untermaingebiet um ca. 30.000 Einwohner. In manchen Gemeinden nahm das Siedlungsgebiet bis zum l0fachen des früheren Ortskernes zu (Quelle: UVF). Hatte das Kreisgebiet am 31.3.1939 noch 71.235 Einwohner, erhöhte sich die Zahl am 31.3.1949 auf 100.132, das bedeutete eine Zunahme um fast 40 %. Heute leben im Gebiet des Umlandsverbandes Frankfurt etwa l ,6 Millionen Menschen auf einer Fläche von l .427 Quadratkilometern, das sind 925 pro Quadratkilometer. Im Kreisgebiet wohnen davon 1991 208.000 Einwohner.

In den 50er und 60er Jahren änderten sich sehr schnell die wirtschaftlichen Strukturen. Bisher von Arbeit und Handwerk geprägt, vollzieht sich in den Ortschaften eine Verdichtung in Richtung Wohngemeinde. Hinter früher ein- u. zweigeschossigen Bauernhäusern werden jetzt fünf- und mehrgeschossige Wohngebäude errichtet; Eschborns Unterortstraße beispielsweise. Auch Fehlentwicklungen blieben in dieser stürmischen Phase nicht immer aus. Daraus resultierte letztlich die Forderung, städtebauliche Auswüchse zu verhindern. Es dauerte lange, bis erkannt wurde, daß man für den Aufbau großer Gebiete mit verschiedenen strukturellen Anforderungen ebenso einen Plan braucht wie für das Bauen eines Hauses. Landesplanung und Raumordnung stellten dabei neue Aufgabengebiete dar. Sie dienen wesentlich zur Lenkung und Entwicklung von Landesteilen. Dazu gehörten die Bildung von Siedlungsschwerpunkten und die Planung eines geordneten Wirtschafts- und Sozialgefüges. Verkehrsmäßig günstig gelegene Ortschaften sind vorrangig zu erschließen. Die nach ihrer Lage ungeeignet erscheinenden Ortschaften sollen von Besiedlung ausgeschlossen sein (Verwaltungsbericht 1949). Wesentliche Forderungen für eine optimale Besiedlung mit entsprechender Struktur sind u. a.:

- Nähe der Arbeitsstelle zur Wohnung beziehungsweise gute Verkehrsmöglichkeiten
- gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und Forderung nach Erholung und Freizeit
- der Wunsch nach Gemeinschaft, Bildung und Kultur
- das Verlangen nach Sicherheit und Krisenfestigkeit.

Landesplanung und Raumordnung sind eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie sollen sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und können nicht bürokratisch angeordnet werden. Die Ziele der Landesplanung können nur gemeinsam formuliert werden, um so zu freiwilliger Zusammenarbeit zu führen. Folge dieser Erkenntnis war die Gründung der regionalen Planungsgemeinschaft „Untermain" 1965 und die Gründung des Umlandverbandes am 1.1.1975.

Heute ist der Umlandverband eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, zuständig für die Städte Frankfurt und Offenbach und weitere 41 Städte und Gemeinden in sechs Kreisen. Er ist verantwortlich für die 1975 postulierte geordnete Entwicklung des Raumes. Nach dem regionalen Raumordnungsplan Südhessen, festgestellt am 9.12.1986, hat Eschborn wichtige und raumbedeutsame Aufgaben zu erfüllen (Eschborn, städtebauliche Wettbewerbe 1972). Gerade durch die günstige Lage zwischen Taunus und Frankfurt, d. h. gute Anbindung an das regionale Straßennetz und Anschluß an das S-Bahn-Netz, wurde die Stadt in ihrer Entwicklung positiv beeinflußt.

Eschborn im Wandel der Zeit

Eschborn wird als „Aschenbrunne" in einer Schenkungsurkunde des Klosters Lorsch am 12.6.770 erstmals erwähnt. In seiner wechselvollen Geschichte erfährt auch Eschborn Untergang und Aufstieg. Durch die Wasserfluten des Westerbaches zerstört und im 30jährigen Krieg durch protestantische Truppen sehr in Mitleidenschaft geraten, wird der Ort 1704 Teil des Kurfürstentums Mainz. In den folgenden 150 Jahren erfährt Eschborn landwirtschaftliche und handwerkliche Blüte. Um 1870 bis 1900 erfolgen die ersten größeren Industrieansiedlungen. Impulse dazu erhoffte man sich auch vom Bau der Eisenbahnlinie Frankfurt-Kronberg 1874. Entscheidender Einschnitt in die Entwicklung des Gemeinwesens in der jüngeren Geschichte ist auch hier das Ende des 2. Weltkrieges. Nach dem Krieg war es zunächst wichtigste Aufgabe der Gemeinden, schnell und unbürokratisch für die vielen zuströmenden Menschen, Vertriebene und Flüchtlinge, Wohnraum zu schaffen. Die Zusammenführung der Familien und der Anstieg der Eheschließungen führten ebenso zu Engpässen in der Unterbringung. Die ländlichen Bauern- und Arbeitersiedlungen eigneten sich nicht dafür, da sie über keine großen Wohnraumreserven verfügten. Verschärft wurde die Wohnraumsituation auch durch die Inanspruchnahme von Wohnflächen für die Besatzungsmächte.

Dieser Notstand ließ sich insgesamt nur durch erhebliche Investitionen im Wohnungsbau beheben. Kredite für diese Investitionen gewährte die Bau- und Bodenbank in Frankfurt am Main. Nach der Währungsreform, pro Kopf wurden damals 40,- DM ausgegeben, konnten zunächst wegen der Geldknappheit und durch das Fehlen der Kreditgeber viele große Projekte nicht in Angriff genommen werden. Dennoch war allgemein ein stetiges Ansteigen der Bautätigkeit zu verzeichnen. Um in den Gemeinden erste Bauleitplane (Teilfluchtlinienpläne) aufstellen zu können, wurde am 31.12.1949 der Flachennutzungsplan vom Maßstab 1:25.000 auf 1:10.000 vergrößert. Er dient als Grundlage und Neubeginn einer Bebauung in den Gemeinden.

12 Jahre Aufbauarbeit (1950-1962)

Nach der Währungsreform setzte dann ein deutlicher Aufschwung ein, und die Gemeinden erfuhren ihre erste stürmische Wachstumsphase. Die Zunahme der Einwohnerzahlen zeigte dies eindrucksvoll. Eschborn nahm von 1950 bis 1961 von 2.561 um 75 % auf 4.501 Einwohner zu. Auch in Hattersheim (69 %), Schwalbach (91 %) und Sulzbach (74 %) zeigen sich ähnlich stürmische Tendenzen. Um für die vielen Menschen die Grundvoraussetzungen eines städtischen Gemeinwesens zu schaffen, waren so umfassende Aufgaben wie:
- Sozialer Wohnungsbau
- Eigenheimbau
- der Bau von Wasser- und Abwasserleitungen
dringend erforderlich.

Unter dem Druck, Flächen für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, entstand in Eschborn als erste Siedlung nach Kriegsende die Siedlung ,,Taunusblick". Mit Förderung der Gemeinde wurden in den Jahren 1950 bis 1953 ca. 40 Zweifamilienhäuser erstellt. Die Siedlungen in den Gebieten ,,Am Hofgraben" und ,,An den neuen Morgen" folgten in den nächsten Jahren. In dieser Zeit wurden in Eschborn 150 Arbeitsplätze gezählt. Als Gradmesser der finanziellen Entwicklung kann das Steueraufkommen gewertet werden. Wurde dieses 1950 noch mit 71.461 DM angegeben, so hatte es sich 1961 bereits mehr als verdreifacht, es betrug 238.842 DM. Eschborn profitierte in diesen 12 Jahren von einer auch im übrigen Kreisgebiet bestehenden positiven gewerblichen Entwicklung, ebenso von seiner verkehrsgünstigen Lage und von der Ausweisung neuer Baugebiete, deren Beschaffung ausschlaggebend für die Ansiedlung neuer Betriebe war.

,,Einem möglichst hohen Prozentsatz der Arbeitskräfte neuer Industriebetriebe am neuen Beschäftigungsort eine Wohnung anzubieten" war der er klarte Wunsch der Gemeindevertreter. (Eschborn, 1200 Jahre, 770 bis 1970). Diese Forderung führte in den folgenden Jahren zu verschiedenen kommunalen Wohnungsbauvorhaben. Anfang der 60er Jahre war bereits wieder eine geordnete Infrastruktur vorhanden. In der Stadt gab es wieder einen neuen Gemeindebauhof, einen Fuhrpark, neue Grünanlagen, Kinderspielplätze und eine große Volksschule (endgültige Fertigstellung Ostern 1965). Die erste Phase des Wiederaufbaus konnte zu diesem Zeitpunkt als abgeschlossen gelten.

Wirtschaftliche Hochkonjunktur (1963-1973)

Eschborn zählte Ende 1965 6.333 Einwohner. Das war gegenüber 1950 ein Zuwachs von 142 %. Im Kreis war wieder nur in Hattersheim, Sulzbach und Schwalbach die Einwohnerentwicklung ähnlich. Der Bevölkerungszunahme entsprach die ansteigende Wachstumskurve in der gewerblichen Wirtschaft. Große Baumaßnahmen wurden in Angriff genommen; aber immer wieder fehlten auch Wohnungen. Wurden in den letzten Jahren 560 Wohnungen gebaut, davon allein 120 im sozialen Wohnungsbau, so entstanden nun im Baugebiet ,,Am Stadtpfad" 3-, 4- und 9geschossige Wohnhäuser. Das Baugebiet wurde begrenzt durch Kurt-Schumacher-Straße, Westerbach- und Rödelheimer Straße. Die einzelnen Wohnblöcke sind durch Fußwege zu erreichen. Es entstand eine parkähnliche Anlage mit Kinderspielplatzen, Grünflächen und Bepflanzungen. Am Westerbach wird eine ,,grüne Zone" mit Ruhebänken angelegt.
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Chronologische Darstellung der Wohnbau- und Gewerbeflächen.

Als weitere große Baufläche wurde kurze Zeit später das Baugebiet ,,Süd-West" ausgewiesen. Hier wurden 500 Wohnungen mit großzügigen Grünanlagen vorgesehen. Für die Erstellung der Wohnungen muß die Erschließung gesichert sein. So wurde in den Jahren 1960-1964

- die gesamte Kanalisation gebaut
- ein Straßenbauprogramm aufgelegt
- die alte Ortsstraße und die Neugasse ausgebaut.

Danach entsprach das Straßennetz neuzeitlichen Anforderungen. Die Zeit der „Schlammperiode" war vorbei. Des weiteren wurde auch die Wasserhauptleitung um Eschborn verlegt und ein Gemeindebauhof errichtet. Im Sommer 1965 wurde der erste Bauabschnitt der Hartmutschule (Volksschule) fertiggestellt, später dann in einem zweiten Bauabschnitt und mit der Errichtung einer Grundschule im Wohngebiet ,,Süd-West" (Berliner Straße) wurden weitere Klassenräume geschaffen. 1966 konnte die Heinrich- Graf-Sportanlage ihrer Bestimmung übergeben werden. Als bedeutende Maßnahme dieser Zeit muß auch der Bau des neuen Rathauses angesehen werden. Es entstanden moderne Büro- und Arbeitsräume für die Verwaltung (Übergabe am 12.6.1968). Während dieser baulich stürmischen Phase legt die Gemeinde mit Beschluß vom 5.7.1967 das Gebiet entlang der Unterortstraße als Sanierungsgebiet fest.

Um weitere Arbeitsplätze zu schaffen, wies Eschborn 1963 weitere 15 Hektar Gewerbefläche an der Industriestraße aus. 1966 wurden erneut 35 Hektar ausgewiesen, so daß nunmehr ca. 70 Hektar Gewerbefläche zur Verfügung standen. Auch die Zahl der Arbeitsplätze hatte sich in der Folge auf 2.150 erhöht. Das waren 2.000 mehr als 1950. Auch das Verkehrsnetz mußte ausgebaut werden. Um Eschborn vom überörtlichen Verkehr zu entlasten, wurden die Schnellstraße Frankfurt-Kronberg (L 3005) und andere Hauptverkehrsstraßen ausgebaut. 1968 bleibt für Eschborn nur festzustellen: Eschborn wächst, wächst und wächst ...

1968 war auch die Zeit des gesellschaftlichen Umbruches. Es entstand die Bewegung der 68er Jahre. Rudi Dutschke formulierte seine Thesen vom „Demokratischen Sozialismus", Studentenunruhen brechen aus, in Berlin wird Benno Ohnesorg erschossen, die Beatles hatten große Erfolge, und immer mehr entwickelte sich die Bevölkerung zur Konsumgesellschaft. Waschmaschinen, Kühlschränke, Fernseher und Volkswagen: das waren die Konsumgüter, die gefragt wurden. In der Zwischenzeit war die Neugestaltung des alten Ortskerns abgeschlossen, und die Unterortstraße präsentierte sich als Geschäftsstraße. Doch weiterhin wurden auch 1968 Wohnungen erforderlich. Weit über 1.000 waren gerade erst gebaut. Dennoch werden, da in Niederhöchstadt bis 1972 weitere ca. 5.000 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, wieder neue Wohnungen gesucht.

1970 hatte Eschborn Veranlassung, ein großes Fest zu feiern. Die Stadt begeht die 1200-Jahrfeier und erhält die Stadtrechte. Am 1.1.1972 wächst Eschborn erneut, Niederhöchstadt kommt als Stadtteil hinzu. Um beiden Stadtgebieten eine homogene Entwicklung angedeihen zu lassen, sollte für das nun größer gewordene Gemeinwesen ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt werden. Sein Ziel war es, eine großzügige und einheitliche Gesamtplanung zu entwerfen. Eschborn war damit auf dem besten Weg, zu einem bedeutenden Dienstleistungszentrum heranzuwachsen.

Wandel zum Handels- und Bürozentrum

Eschborns weitere Entwicklung wird durch das Ergebnis des im Oktober 1972 durchgeführten städtebaulichen Wettbewerbs entscheidend geprägt. In der Folgezeit werden die Vorgaben der Planer in konkreten Einzelplanungen umgesetzt. Bereits 1977/78 begannen die Arbeiten für den Bebauungsplan ,,In den Weingärten", ein Neubaugebiet in Niederhöchstadt für 2.000 Personen. Jochen Riebel, seit Mai 1979 als Nachfolger von Bürgermeister Hans Georg Wehrheim im Amt, kann 1980 bereits die Rechtskraft verkünden. Weitere Baumaßnahmen in dieser Zeit sind: Baubeginn in der Oberortstraße, Erweiterung von Bauhof- und Feuerwehrhaus, Bau der Ostumgehung und Lärmschutzmaßnahmen an der L 3005 beim Wohngebiet ,,Am Stadtpfad".

Parallel zur baulichen Entwicklung des Stadtgebietes und des damit verbundenen höheren Steueraufkommens wurden auch für die Bevölkerung Verbesserungen in der Infrastruktur vorgenommen: Ende 1970 [?] wurde der S-Bahn-Haltepunkt ,,Süd" fertiggestellt. Damit kann das Gewerbegebiet Süd mit etwa 9.000 Arbeitsplätzen nun auch ohne Auto erreicht werden. 1981 wurden zwei neue Kindertagesstätten ihrer Bestimmung übergeben, und am Spessartweg wurden 37 Alten-Wohnungen errichtet. In dieser Zeit nahmen die Bürger an allen öffentlichen Planungen nunmehr regen Anteil. Gerade der Umweltschutzgedanke und das verstärkt einsetzende Umweltbewußtsein der Menschen hatten Einfluß auf die Planungen der Stadt. ,,Die Wünsche der Bürger verändern Planungen."

Lärmschutz, Straßenbau und geringe Ausnutzung der Baugrundstücke sind Forderungen, die an den Magistrat herangetragen wurden. Die Einwohnerzahl stieg auch 1987 auf inzwischen 17.779. Bedingt durch das ständige Wachstum der peripheren Gewerbegebiete nimmt die Zahl der Arbeitsplätze zu. Sie wächst auf ca. 15.000. Die in den 60er Jahren angelegten gewerblichen Bauflächen wurden als Folge des städtebaulichen Wettbewerbes erweitert und ausgebaut. Im Bereich der Industriestraße mußten bereits kleinere Betriebe größeren weichen. Heute entstehen hier Bürogebäude mit ca. 1.500 Arbeitplätzen. Im Gewerbegebiet Ost, im Bereich Ginnheimer Straße/Philipp-Helfmann-Straße, siedelten sich 1980 überörtliche Einkaufsmärkte an.

Das im Bereich Frankfurter Straße bereits seit den 60er Jahren vorhandene Gewerbegebiet Süd nahm nach dem Impuls durch den Neubau des Gebäudes der Deutschen Bank erheblich an Bedeutung und auch an Fläche zu. Hier etablierten sich in zentraler Lage nationale und internationale Firmen. In erster Linie handelt es sich dabei um Unternehmungen aus dem Dienstleistungsbereich. Man kann sagen, daß die Gewerbegebiete heute den Lebensnerv der Stadt darstellen. Beispielhaft für den gewerblichen Aufschwung für diesen Teil der Stadt seien hier die ,,Häuser der Mode" erwähnt. Mit dem „Haus der Mode 5" wird ein Gebäudekomplex für die Modebranche fertiggestellt, an dem die dynamische Entwicklung eindrucksvoll dargestellt werden kann.

Die Gewerbegebiete sind es, die in den 80er Jahren Eschborn zu neuen Arbeitsplätzen und neuem Wachstum verhalfen. In den Jahren 1987/88 brachte dieses Wachstum der Stadt die stolze Summe von etwa 30 Millionen DM an Gewerbesteuern ein. Eschborn gehört damit zu den finanzstärksten Städten in Hessen.

Wenn auch die Entwicklung im Bereich des Dienstleistungssektors noch nicht abgeschlossen ist, die 1972 avisierte Einwohnerzahl von 35.000 ist 1991 mit über 18.000 Einwohnern hinter den Prognosen zurückgeblieben. Martin Herkströter, Bürgermeister seit Februar 1990, hat jedoch bereits den Bau von Wohnungen angekündigt, so daß in den nächsten Jahren mehr Menschen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen können. Die Bürgermeister in Eschborn: 1945-1946 Edwin Mämpel, 1946-1962 Heinrich Graf, 1962-1979 Hans-Georg Wehrheim, 1979-1984 Jochen Riebel, 1984-1990 Manfred Tomala, 1990[-1998] Martin Herkströter.

Wirtschaftlicher Umbruch und Ausblick

Hatte sich Eschborn nach dem Krieg, verstärkt durch intensive Bautätigkeit nach 1950, von der bäuerlich-handwerklich orientierten Arbeitergemeinde im Sog des Großraumes Frankfurt überwiegend gewerblich entwickelt, so gab es in den letzten 20 Jahren einen Trend zum Dienstleistungsbereich mit ansteigender Tendenz. Eschborn ist heute längst zur grünen „Bürostadt am Westerbach" geworden. Schwerpunkt der gewerblichen Nutzung war und ist das 50 Hektar große Gewerbegebiet Süd mit etwa 80 % der Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich. Auf insgesamt 102 Hektar ausgewiesener und davon bisher 85 Hektar genutzter Gewerbefläche bestehen heute etwa 1.100 Unternehmungen mit insgesamt 20.000 Arbeitsplatzen. Weitere 5.000 bis 7.000 Arbeitsplatze sind in diesem Bereich in den nächsten Jahren zu erwarten. Der Umbruch in der Wirtschaftsstruktur ist unübersehbar.

Die zwei Gesichter der Stadt Eschborn:
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Unterortstraße in der Kernstadt.
Eschborn Entwicklung391

Gewerbegebiet „Süd'

 

Welche Gefahren, welche Chancen sind damit verbunden?

Verkehr: Die Probleme der quantitativen verkehrstechnischen Erschließung der Gewerbegebiete stehen seit 20 Jahren im Raum! Und weitere Arbeitsplatze ziehen noch mehr Individualverkehr nach sich. Eine Lösung der Problematik ist dringend erforderlich. Auch erfordern moderne Büroarbeitsplätze eine zeitgemäße gastronomische Infrastruktur. Kleine Cafés, Pubs und Snack-Bars, wie zum Beispiel in Italien in den Stadtteilen üblich, waren eine Bereicherung. Darüber hinaus erscheint eine Verbindung zwischen den Gewerbegebieten und den angrenzenden Wohngebieten mit möglicher Überlagerung von Wohnen und Arbeiten erwägenswert. Um beide Gebiete ,,transparenter" zu erschließen und eine Verflechtung zu erreichen, wäre im Bereich der L 3005/3006 eine Absenkung mit darüberliegenden ,, grünen Verbindungen" vorstellbar.

Stadtgestaltung und Urbanität: Die Gefahr, daß sich die Gewerbegebiete West, Ost und Süd an der Peripherie der Stadt zu wenig attraktiven Geistersiedlungen entwickeln, ist nicht auszuschließen. Haben die Mitarbeiter die Bürostadt verlassen, herrscht hier in den Abendstunden gähnende Leere. Kein buntes Treiben auf großstädtischen Prachtstraßen. Nur die Wach- und Schließgesellschaften promenieren auf einsamen Hinterhöfen. Planerische und politische Vorgaben müssen dafür sorgen, daß nicht neben dem alten Ortskern und völlig unkoordiniert eine zweite City entsteht. In der Regel sind solche Gebilde unausgelastet und nicht in sich funktionstüchtig. Am Beispiel der Londoner Docklands und des Bankrotts des weltgrößten Immobilienkonzerns Olympia & York wird sichtbar, welche Probleme mit dem in den letzten Jahren gebauten größten Bürokomplex der Welt verbunden sind. Das Flächenüberangebot hat hier den Immobilienmarkt zerrüttet und droht darüber hinaus, der gesamten Stadtökonomie zu schaden. 1949 werden im Verwaltungsbericht „Bau- und Siedlungswesen'' die Ängste folgendermaßen beschrieben: ,,Die Großstädte in ihrer bisherigen Form sind zu groß und unübersehbar. Sie bedeuten Vermassung, Naturentfremdung und Krisengefahr."

Wohnraummangel: Auch das Fehlen von entsprechendem Wohnraum vergrößert ganz allgemein die Gefahr eines Verkehrskollapses. Pendlerströme blockieren bereits heute um Eschborn die Anschlußstellen der Autobahn zur rush-hour. Eine Zunahme der Ein- und Auspendler überschreitet die Grenzen der Belastbarkeit der Verkehrswege. Deshalb sollten die vorhandenen Möglichkeiten kommunaler Einflußnahme auf den Wohnungsbau intensiv genutzt werden.

Wasserverbrauch: Wasser ist endliches und kostbares Gut und stellt keine unbegrenzte Ressource dar. Immer lauter und intensiver wird über den Verbrauch von Wasser im Rhein-Main-Gebiet nachgedacht. Bei der kommenden Bebauung wird dies für die Stadt Eschborn auch ein zentrales Thema sein. Eine schrittweise Verringerung des Wasserverbrauches in den nächsten Jahren wird in das Bewußtsein der Menschen rücken müssen. Die technischen Möglichkeiten, z. B. Durchlaufbegrenzer, Wasserstoptasten bei WC-Anlagen und auch die Nutzung von Brauchwasser sind nur als Anfang der Überlegungen zu verstehen.

Welche Chancen bestehen in Eschborn für die zukünftige Entwicklung?

Kann die historisch gewachsene Gemeinde neben dem ,,flächenfressenden Gewerbepark" bestehen, und gibt es einen Konsens in der weiteren baulichen Zukunft des gesamten Stadtgefüges? War die bauliche

Entwicklung in den 60er Jahren nicht immer durch konkrete Planung gekennzeichnet, so wird heute ganz allgemein für eine behutsame Entwicklung plädiert. Auch der Umlandverband setzt auf maßvolles Wachstum in der Region. Da weitere große, zusammenhängende Gewerbeflächen nicht zur Verfügung stehen, wird städtebauliches Wachstum nur noch in der Verdichtung zu suchen sein, wenngleich Eschborn zukünftig auch hier an seine räumlichen Grenzen stößt. Im Vergleich mit dem Stadtgebiet von Paris - ohne Vororte -, in dem auf 100 Quadratkilometern 2 Millionen Menschen wohnen, ist Frankfurt mit 640.000 Menschen auf 250 Quadratkilometern relativ dünn besiedelt (Angaben UFV). So betrachtet, kann der Ballungsraum - bezogen auf Einwohner pro Quadratkilometer - noch viele Menschen aufnehmen. Überträgt man die Vorstellungen des Landrates Ritter von Marx, 1908, in seinem Prospekt ,,Auf zum Taunus", in der enorme Bauflächen für Wohnen und Gewerbe im Obertaunuskreis ausgewiesen wurden, auf das heutige Gebiet des Umlandverbandes, so war 1908 bereits eine weitaus höhere Dichte geplant, als heute tatsächlich vorhanden ist.

Trotz der Forderung nach Verdichtung sollte indes der Charakter von Eschborn im Ortskern erhalten bleiben. Die Identifikation mit traditionellen Strukturen ist zur Wahrung des Heimatgefühles notwendig. Zur langfristigen Lösung des regionalen Verkehrsproblems wäre es notwendig, auch über die konsequente Trennung des innerstädtischen vom überörtlichen Verkehr nachzudenken. Unter anderem auch über moderne Zugverbindungen zwischen den Mittelzentren und Frankfurt.

Die qualitative und quantitative Verbesserung des Wohnraumangebotes ist Chance zur Erhöhung der Lebensqualität innerhalb der städtischen Gemeinschaft. Zukünftige Arbeitsplätze sollten höherwertigen Anforderungen genügen. Minder ausgestattete Arbeitsplätze des sogenannten industriellen Komplexes werden dagegen kaum noch angenommen. Hinsichtlich der weiteren Ausweisung von Wohnbauflächen bietet sich das von den Amerikanern freigemachte Gelände des ehemaligen Camps an. Hier besteht die Chance einer gemeindeübergreifenden Planung auf der Basis eines landesweiten Wettbewerbes zur weiteren Erstellung von Wohnraum und anderen kommunalen Einrichtungen. Ein Umbau des derzeitigen Knotenpunktes der L 3006 (Sossenheimer Straße), der Frankfurter Straße, des Einganges zum ehemaligen US-Camp und der geplante Fly-Over wären dann ebenso notwendig. Eine weitere intensive Siedlungstätigkeit ist jedoch nur dann zu verantworten, wenn die regionalen Grünzüge mit Blick auf die Besonderheiten des Kleinklimas erhalten werden. Gerade sommerliche Schwüle, Nebel und die Neigung zu geringer Luftbewegung mit Luftverschmutzung reichen bei SW- Wetterlagen noch in den Raum Eschborn (städtebaulicher Wettbewerb 1972 - Landschaft). „Der Genuß einer natürlichen Landschaft muß den Menschen und anderen Lebewesen erhalten bleiben”' (Verwaltungsbericht MTK 1962/63).

Zur abschließenden Frage, ob Eschborn weiterhin als eigenständige Gemeinde im Main-Tanus-Kreis und als Dienstleistungsstandort attraktiv bleibt, muß ein Zusammenhang zwischen maßvoller baulicher Entwicklung, notwendiger Verdichtung, Flächenrecycling und der damit verbundenen koordinierten Entwicklung von Wohnen und nicht störendem Gewerbe, der verkehrlichen Erschließung, d. h. auch Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes in angemessener Zeit, hergestellt werden. Letztlich hängt die Attraktivität einer Stadt zentral von der in ihr vorzufindenden Lebensqualität ab, wie sie z. B. in einer gelungenen Symbiose von Wohnen, Arbeiten und Erholung angesehen werden kann.

Werden diese Ziele politisch mit den Menschen und für den Menschen erreicht, ist Eschborn für die Zukunft gut gerüstet.

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 1993 – mit freundlicher Erlaubnis des Autors