Die Eschborner Burg

Von Gerhard Raiß

Wenn man heute im Vordertaunus von einer Burg spricht, denkt man unwillkürlich an Kronberg, Königstein oder Eppstein. Die dortigen Burgen sind noch relativ gut erhalten und wohl bekannt. Daß es einst auch in Eschborn eine Burg gab, ist kaum überliefert und damit auch nicht ins Bewußtsein der Bevölkerung gelangt.

In zahlreichen Urkunden des 12. und 13. Jahrhunderts begegnen uns die Reichsministerialen von Eschborn, oft als Zeugen oder Schiedsrichter. Waltherus de Hesschenborne, der älteste bekannte Namensträger erscheint 1189/90 erstmals in einer Urkunde, in der von seinen Söhnen berichtet wird, welche die Mühle in Liederbach zu Lehen tragen. Ebenfalls im Jahre 1190 belehnen die Herren von Bolanden die „von Eschborn" mit den Vogteirechten über die Besitzungen des Mainzer Stephansstiftes in Schloßborn (Taunus). Soweit zu den ersten namentlichen Nennungen der Familie. Daß sie ihren Sitz zu dieser Zeit in Eschborn hatte und die dortige Burg ihr Eigen nannte, ist unbestritten. Die Errichtung der Burg in Kronberg durch die Herren von Eschborn dürfte nach jüngsten Erkenntnissen in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert werden. Der erste aus der Familie, der seinen Namen änderte und sich nach dem neuen Sitz „von Kronberg" nennt, ist Otto, der 1230 als Zeuge in einer Urkunde Gerlachs von Büdingen genannt wird. Otto von Kronberg war der Enkel des Eschborner Stammvaters Waltherus von Hesschenborne.

Die Eschborner Burg wird erstmals in einem Güterverzeichnis des Ritters Rudolf von Sachsenhausen aus dem Jahre 1339 urkundlich erwähnt. Dort wird die Lage von Sossenheimer Äckern beschrieben, diese seien „gelegen uf deme Burggraben" gegen Eschborn. Einige Jahre später, 1362 beim sog. Ganerbenstreit der drei Kronberger Stämme, dem Ohren- und Flügelstamm einerseits und dem Kronenstamm auf der anderen Seite, wird in einer Auflistung von 27 strittigen Besitztümern durch die Schiedsrichter unter anderem als Punkt 23 die Eschborner Burg aufgeführt: „...Item als man zuspruchet herrn Franken umb den burgberg zu escheburne...". Bei einem anderen Streit, diesmal ging es um die Hinterlassenschaft von Frank XII., „dem Reichen" von Kronberg, wurde 1466 erneut über den Besitz der Eschborner Burg entschieden. Vor dem Hofgericht in Heidelberg, unter Vorsitz von Pfalzgraf Friedrich, wurde gegen Cuno vom Solms, einen Enkel von Frank XII. entschieden, daß unter anderem „der hoff zu Eßbronn, darin der wale oder Burgstadl begriffen ist", den Kronberger Stämmen gemeinsam gehörte und nicht Privateigentum von Frank XII. war.

Die Eschborner Burg

Idealbild der Turmburg Eschborn (Rekonstruktion)
(aus: Ludwig Freiherr von Ompteda, Die von Kronberg und ihr Herrensitz, Frankfurt am Main 1899) -
 hier als Cover von Eschborns Burgstadl in Wort und Bild, Historische Gesellschaft Eschborn e.V. 1981

Außer der mündlichen Überlieferung vor Ort in Eschborn und den nicht sehr zahlreichen schriftlichen Hinweisen gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kaum weitere Belege für das Bestehen einer Burg in Eschborn. Erst als die „Kaiserin Friedrich", Witwe des 99-Tage Kaisers Friedrich III., ihren Alterssitz im März 1894 im benachbarten Kronberg nahm und sie von ihrem Sohn, dem letzten Deutschen Kaiser Wilhelm II., die Burg Kronberg geschenkt erhielt, erwachte auch das Interessen an der ehemalige Burg Eschborn und deren Bewohnern. Die historisch und archäologisch bewanderte Kaiserin ließ nachforschen, wer die Kronberger Burg gebaut und bewohnt hatte. So kam sie auf die Reichsministerialen Herren von Eschborn, die diese Befestigung etwa zu Beginn des 13. Jahrhunderts im Taunusgebirge errichtet hatten, weil sich ihre kleine Turmburg in der Ebene am Rande Eschborns, in der sie bisher ansässig waren, nur schwierig verteidigen ließ. Das Kronberger Rittergeschlecht nahm also seinen Ausgang von Eschborn und den gleichnamigen Rittern. Die Eschborner Burg allerdings war 1622, zusammen mit großen Teilen der Siedlung Eschborn, niedergebrannt worden.
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Der Grundriß der Burg
(aus: Christian Ludwig Thomas, Der Burggraben zu Eschborn, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde 1899)

Ihr Standort ließ sich 1895, bei einer ersten gezielten Nachsuche, die Leutnant Leinhaas und Schloßhauptmann Ludwig Freiherr von Ompteda im Auftrag der Kaiserin durchführten, nur noch in Form eines kleinen runden Hügels mit einem angedeuteten, ihn umgebenden Graben im Gelände, am Rande des damaligen Dorfes Eschborn ausmachen. Heute umfaßt dies etwa das Gebiet der heutigen Straßenzüge „Burgstraße", „Am Hofgraben" und „Am Burggraben". Das Gelände wurde in der Neuzeit überbaut. Kaiserin Friedrich beauftragte nun die namhaftesten Historiker und Archäologen ihrer Zeit mit der Erforschung und Ausgrabung dieser Stelle. Die Leitung hatte der durch seine Untersuchungen der Taunusringwälle bekannt gewordene Frankfurter Architekt und Königliche Baurat Christian Ludwig Thomas. Außerdem wurde der zuständige Kommissar der Reichlimeskommission Prof. Dr. Georg Wolff (Frankfurt) hinzugezogen, dieser nicht zuletzt deswegen, da man bei der Grabung auch römische Scherben gefunden hatte. Die Ausgrabung zog sich über die Jahre 1895/96 hin. Dabei wurden die Reste der Eschborner Turmburg systematisch freigelegt, dokumentiert und die Ergebnisse von Baurat Thomas 1899 im „Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde" veröffentlicht. Die Funde der Grabung wurden in Kronberg in einem der oberen Räume der Burg eingelagert, wo sie der Verfasser noch 1985 im Originalzustand kurz nach der Ausgrabung, verpackt in Tageszeitungen der Jahre 1885/86, vorfand. Seit 1989 sind sie teilweise im Museum der Stadt Eschborn zu besichtigen. Landgraf Moritz von Hessen hatte Anfang der 80er Jahre der Stadt Eschborn einige der Funde zum Geschenk gemacht, wohlwissend, daß sie damals in Eschborn gefunden wurden.

Nun zur Grabung selbst: im Inneren des kleinen Hügels wurden die Grundmauern eines quadratischen Turmes freigelegt, der eine Außenlänge von 10,50 m hatte; im Innenraum maß er etwa 25 qm. Die Mauerstärke betrug 2,75 m. Umgeben war der ganze Komplex von einer ebenfalls quadratischen Ringmauer, die an den vier Ecken abgerundet war. Diese Mauer hatte eine Stärke von 1,20 m und umschloß dabei einen Innenhof von ca. 20 m im Durchmesser.

Das ganze Bauwerk war in den gewachsenen Lehmboden eingelassen. Eine künstliche Aufschüttung verstärkte den Fuß des so gebildeten Hügels. Das Erdmaterial der Aufhäufung war durch das Anlegen eines die Burg ringförmig umgebenden Wassergrabens gewonnen worden. Der Graben war etwa vier Meter tief und zehn Meter breit. Ob er jemals vom nahen Westerbach mit Wasser gespeist worden ist, ist fraglich. Zum einen liegt der Burggraben bedeutend höher als der Bach, zum anderen stellt sich die Frage ob der Westerbach, besonders im Sommer, genügend Wasser führte um den Graben zu speisen, wenn man die heutige Situation zu Grunde legt. Bei den Grabungen wurden in der Grabensohle auch keine Reste von Wasserpflanzen oder Bachgeschiebe gefunden - ein weiteres Argument dafür, daß der Graben kein Wasser geführt hat. Im Innenraum, zwischen der umgebenden Außenmauer und dem eigentlichen Turm, fanden sich Fundamentreste einiger kleinerer Gebäude, die als Anbauten an den Turm, vielleicht als Wohn- oder Stallgebäude gedient haben könnten und in Fachwerk ausgeführt waren. Der Turm muß mit Schiefer eingedeckt gewesen sein, denn im Brandschutt fanden sich eine Menge rotgeglühter Schieferbruchstücke.

Diese Art vom Turmburgen, auch Niederungsburgen genannt, weil sie in der Ebene standen, wurden auch als „Motten" bezeichnet. Das Wort stammt aus dem Französischen und bezeichnet die Erd- bzw. Grassoden des Hügelaufwurfs. Besonders in der Zeit des 11./12. Jahrhunderts waren diese kleinen Burgen weit verbreitet, so z.B. in Dreieichenhain, ganz in unserer Nähe. In Eschborn wurde erstmals eine solche Motte vollständig ausgegraben und dokumentiert. Die Turmburgen dienten hauptsächlich dem Schutz von Anwesen, meist Bauernhöfen, in deren unmittelbarer Nachbarschaft sie auch errichtet wurden. In Eschborn befanden sich einige, adeligen Familien gehörende, Bauernhöfe (z.B. der Solmssche Hof) zu deren Schutz die Burg gedient haben mag. Diese Motten in der Ebene, im freien Feld gelegen, waren nur schwer zu verteidigen. Ganz anders die Burgen, die hoch oben auf der Spitze eines Berges (Höhenburg) sehr viel sicherer waren. So haben die Eschborner Ritter in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, wohl auf Geheiß des Kaisers, oberhalb von Kronberg am Südhang des Altkönigs eine neue, größere Burg erbaut, die sie Burg Cronenberg nannten. Dorthin verlegten sie ihren Wohnsitz und mit den Jahren änderten sie auch ihren Namen von Herren „von Eschborn" in „von Kronberg".

Im Zuge der Ausgrabungen wurde zahlreiche Funde gemacht, so z.B. viele mittelalterliche Gefäßscherben, ein Amboß, große eiserne Äxte, Schlüssel, zwei Spinnwirtel, eine Bronzelampe, ein Feuerrost, aber auch Fußbodenkacheln und ein wohlerhaltener Steinkrug. Bemerkenswert war der Fund von einer größeren Mengen verkohlten Getreides. Das Mauerwerk war aus Vilbeler Sandstein, Basalt, Taunusquarzit und (zweitverwendeten) römischen Ziegeln beschaffen.

Als sich, nach Erfindung des Schießpulvers und der Kanonen, die Zeit der Burgen dem Ende zuneigte, wurde die Eschborner Turmburg nicht abgebrochen, sondern blieb weiterhin bestehen, aber sicher nicht mehr in ihrer Funktion als Wehrbau, diese Zeiten waren vorbei. Bewohnt wurde die Burg später von einem Verwalter, wie uns unter anderem in einem notariellen Protokoll vom 12. Januar 1614 überliefert wird. Das Protokoll wurde vom kaiserlichen Notar Georg Beck in Friedberg anläßlich der Regelung des Besitzwechsels des Nachlasses von Wolf Heinrich von Kronberg erstellt. Der war wenige Tage zuvor in Udenheim bei Speyer verstorben. Begünstigter war sein nächster Blutsverwandter väterlicherseits, der Johann Eberhard von Kronberg, „Burggraf der Kaiserlichen und Heiligen Römischen Reiches Burg zu Friedberg". In dem Notariatsinstrument wird auch berichtet, daß „das Burgkhauß zue Eschborn... inwendig einem tiefen graben gelegen" sei und der Notar „uf dem OberStüblen, des Kellers Brüdern Philips Pfahlbächern undt denn Hoffmann benandtlich Johann Hofen" angetroffen wurden. Als Zeichen der Inbesitznahme des Anwesens durch den Erben ließ der Notar nunmehr unter anderem einen Span aus dem hölzernen Türpfosten des Burgturmes aushauen, ebenso von einem Pflaumenbaum, der auf dem Rande des Burggrabens stand. Durch die Protokollierung dieser auf alte deutsch-rechtliche Ursprünge zurückreichenden Handlungen des tatsächlichen Besitzüberganges, wissen wir, daß im Jahre 1614 die Burg noch stand und auch bewohnt war.

Bei einem Gefecht, daß während des Dreißigjährigen Krieges zwischen den Truppen des katholischen Generals Tilly einerseits und dem Führer der evangelischen Truppen, Christian von Braunschweig auf der anderen Seite, am 16. Juni 1622 in unmittelbarer Nähe Eschborns stattfand, wurde fast das gesamte Dorf, einschließlich der alten Turmburg niedergebrannt. Danach gab es keine Veranlassung mehr die Burg, im Gegensatz zum Dorf, wieder aufzubauen. Die Ruine diente den Eschbornern als Steinbruch zur Ausbesserung ihrer eigenen beschädigten Häuser und die Steine der ehemaligen Turmburg leben sicher in vielen Gebäuden des alten Eschborn bis heute weiter.

Literatur:

Ludwig Freiherr von Ompteda, Die von Kronberg und ihr Herrensitz, Frankfurt am Main, 1899

Christian Ludwig Thomas, Der Burggraben zu Eschborn, in: Archiv für hessische Geschichte und Altertumskunde 1899, N. F. Bd. II, S. 415-438_

Ferdinand Luthmer, Eschborn, in: Bau- und Kunstdenkmäler - Östlicher Taunus Frankfurt am Main 1907

MTK-Jahrbuch 2008 - mit freundlicher Erlaubnis der Herausgeber

Der Grundriß der Burg - richtig schön übersichtlich - klicken Sie hier!
Und hier nur der Grundplan.