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Eschborns gute Seele Von Manfred Becht Eschborn. Ehrenbürger der Stadt Eschborn zu sein, das ist schon eine ganz besondere Auszeichnung. Karl-Heinz Koch, gestorben im Jahre 2007, ehemaliger hessischer Justizminister, ist sicherlich der prominenteste von ihnen. Noch eine Stufe drüber freilich hat erreicht, wer auf dem städtischen Friedhof ein Ehrengrab bekommt. Wobei dies vor Jahrzehnten womöglich leichter zu erreichen war als heute. Das zeigen die beiden ehemaligen Bürgermeister Johan Heinrich Christoph, gestorben 1905, und Friedrich Wilhelm Gauf, gestorben 1917. Nicht, daß er deren Verdienste um die Stadt Eschborn schmälern wolle, so Stadtarchivar Gerhard Raiss. Aber die beiden Rathausbosse hatten ihre Ämter wohl einf Tatsächlich – um und nach der Jahrhundertwende gab es überall in der Region vieles zu tun, was bleibende Spuren hinterließ. In der Folge der Industrialisierung wurde die Infrastruktur ausgebaut: Wasserleitungen wurden verlegt, die Orte elektrifiziert, Straßenverbindungen geschaffen. An solchen Maßnahmen kam ein Bürgermeister damals überhaupt nicht vorbei, ob er wollte oder nicht. Aber: Einmal Ehrengrab, immer Ehrengrab, wie auch immer dies zustande gekommen sein mag. Christoph und Gauf bekamen Ehrengräber, und die sind für die Ewigkeit angelegt oder wenigstens für die Zeit, in der der Friedhof existiert. Auch die Gräber der vier russischen und polnischen Fremdarbeiter, die in Eschborn in der Zeit des Zweiten Weltkrieges ums Leben gekommen waren, sollen nicht wieder abgeräumt werden. Für die Ehrenbürger dagegen gelten die in der Friedhofssatzung festgelegten Ruhezeiten. Drei Ehrengräber gibt es über die Ruhestätten der beiden Bürgermeister hinaus noch. Alle drei Namen sind in Eschborn gut bekannt, weil ihre Träger Lebensleistungen vollbracht haben, die über das hinaus gehen, was Beruf oder Amt sonst gewöhnlich mit sich bringen. Es sind die Gräber des Dekans August Mencke, der Diakonisse Mathilde Meurer und des evangelischen Pfarrers Adolf Paul. Um diese Ehrengräber kümmert sich, wenn es keine Angehörigen mehr gibt, die Stadt. Vor einiger Zeit wurde beispielsweise der Grabstein auf Menckes Grab renoviert und etwas versetzt, um ihm die Standfestigkeit wieder zu geben. Eine Baumwurzel hatte ihn in eine Schräglage gebracht, und dies mußte behoben werden, wollte man nicht Gefahr laufen, daß der Stein eines Tages umstürzte. Mathilde Meurer war die erste Gemeindeschwester Eschborns. Sie trat ihren Dienst 1907 an, im Alter von 26 Jahren. Fortan kümmerte sie sich im damals noch recht ländlich geprägten Eschborn um die Kranken und Sterbenden. Sie war praktisch rund um die Uhr aktiv und gehörte mit ihrem Fahrrad zum Straßenbild im Ort. Die ausgebildete Krankenschwester pflegte viele, deren Angehörige als Landwirte auf dem Felde unabkömmlich waren, und sie leistete oft genug auch seelischen Beistand. Daß sie alles erfuhr, was in dem damals kleinen Ort vor sich ging, liegt auf der Hand – aber zu einer solchen Aufgabe gehörte auch damals schon Diskretion. Sie übte das Amt bis zu ihrem Tod 1945 aus. Die komplette Zimmereinrichtung der ersten Gemeindeschwester wurde aus dem Nachlaß von August Mencke gestiftet. Der war 1877 über eine Reihe verschiedener Pfarrstellen nach Eschborn gekommen, wo er sich in verschiedenen sozialen Organisationen weit über seine Aufgaben als Geistlicher engagierte. «Durch sein ruhiges und besonnenes Wesen und seine reiche Erfahrung war er überall als Kollege und Mitarbeiter willkommen und geschätzt», weiß Stadtarchivar Gerhard Raiss. Ins Bild paßte, daß Mencke über Jahre auf Urlaub verzichtete und den Wechsel in den Ruhestand immer wieder hinausschob. Der Pfarrer starb am 11. Dezember 1905 im Pfarrhaus. Einer seiner Nachfolger war Adolf Paul. Er übernahm die Eschborner Pfarrstelle 1932 von seinem Vater, der 1906 Nachfolger Menckes geworden war. Pauls Werdegang ist, wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts weit verbreitet, von den politischen Wechselfällen dieser Jahrzehnte geprägt. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, machte er ein theologisches Not-Examen, meldete sich als Kriegsfreiwilliger und wurde an der Front in Frankreich eingesetzt. Seine Erlebnisse hat er aufgeschrieben. Sie wurden im Jahre 2006 unter dem Titel «Alles Gott befohlen» veröffentlicht. Am Zweiten Weltkrieg mußte er teilnehmen und trug er eine Verwundung davon. Nach dem Krieg hatte er sich als Pfarrer in Eschborn nicht nur um die alteingesessene Gemeinde zu kümmern, sondern auch um 1000 deutsche Kriegsgefangene, die von den Amerikanern auf dem Flugplatz gefangen gehalten wurden; auch Flüchtlinge und Heimatvertriebene verlangten sein Engagement. Nach seinem Wechsel in den Ruhestand im Jahre 1960 verfaßte er eine mehrbändige Chronik der Stadt Eschborn. Paul starb 1988 in Frankfurt. Höchster Kreisblatt - 14.10.2008 - mit freundlicher Erlaubnis des HK Und ein Nachtrag: |