Der Eschborner Militärflugplatz im Zweiten Weltkrieg
GERHARD RAISS

Schon im Jahre 1937 begannen die Vorbereitungen zur Anlegung eines Militärflugplatzes bei Eschborn. Im Zuge der Aufrüstung der Deutschen Luftwaffe wurden allenthalben neue, leistungsfähige Flugplatze benötigt. Im Gemarkungsdreieck zwischen Eschborn, Schwalbach und Sulzbach glaubte man, geeignetes Gelände für einen solchen Platz gefunden zu haben. Die benötigten Grundstucke mußten vorher von den Landwirten erworben werden. Als Erwerber trat das ,Deutsche Reich „Reichsfiskus (Luftfahrt)'" auf. Gezahlt wurde der damals marktübliche Preis von 0,60 Reichsmark pro Quadratmeter. Wenn irgend möglich, wurden die Landwirte mit Ackerland aus dem Besitz des Staates entschädigt.

Unter dem Decknamen „Schafweide" wurde die Mehrzahl der Grundstücke 1939/40 erworben und durch private Baufirmen mit Drainage versehen. Den weiteren Ausbau übernahmen dann Luftwaffen-Baukompanien, die ersten Gebäude (Baracken) entstanden. In den spärlich erhaltenen Dokumenten und Unterlagen zu dieser Anlage wird der Flugplatz m der Anfangszeit als „Militärflugplatz Frankfurt-Sossenheim" bezeichnet.

Obwohl der Grunderwerb und der Beginn des Ausbaues unter größtmöglicher Geheimhaltung vonstatten gehen sollten, war den Anliegern in Eschborn und Schwalbach bald klar, was hier gebaut wurde, denn die Bauarbeiter - und später dann die ersten Luftwaffensoldaten - erzählten bei ihren Besuchen in den Gaststätten der umliegenden Orte gerne von ihrem Einsatzort, dem „Flugplatz Eschborn", wie er dann bereits genannt wurde. Eschborn war deshalb namengebend, weil große Flächen des Platzes innerhalb der Eschborner Gemarkung lagen und die Flughafenkommandantur sowie der Haupteingang des mit einem Drahtzaun eingefriedeten Platzbereiches nahe bei Eschborn lagen.

Der Flugplatz hatte keine feste Start- und Landebahn. Die Flugzeuge benutzten dazu eine große, weitausladende Grasflache, die von einem sogenannten Platzlandwirt regelmäßig gemäht bzw. mit einer kleinen Schafherde kurzgehalten wurde. Die Kommandantur bestand größtenteils aus Baracken und Gebäuden in Leichtbauweise. Sie lag etwa in der Gegend der heutigen Eschborner Straßen „Taunusblick/Sulzbacher Straße". Die Flugleitung und fünf große Hangars (Flugzeughallen) waren fest aus Stein gebaut und nahe bei Start und Landung gelegen. Vor den Hangars waren größere Flächen betoniert, dort konnten die Flugzeuge gewartet werden. Auch einen unterirdischen, viele tausend Liter Flugbenzin fassenden Tank hatte man dort angelegt. Das Benzin wurde in Eisenbahn-Kesselwaggons direkt vom Bahnhof Eschborn auf speziellen Tiefladern zum Flugplatz gefahren.

Eine sogenannte Horstkompanie, die ebenso wie das fliegende Personal auf dem Platz in Baracken stationiert war, wartete die Flugzeuge und versorgte die Mannschaften. Dazu kamen noch Zivilbeschäftigte, z. B. in der Küche und Kantine oder auf der Schreibstube, und später russische Fremdarbeiter, die zu Hilfsarbeiten eingesetzt wurden.

Im Süden des Platzes, dicht an der Autobahn Frankfurt-Wiesbaden, nahe bei Sossenheim, hatte man einen Schießstand zum Einschießen und Justieren der Bordkanonen der Flugzeuge eingerichtet. Ein halbkreisförmiger Schutzwall verhinderte, daß beim Probeschießen Geschosse über den Platz hinaus gingen und Schaden verursachten.

Der Militärflugplatz Eschborn diente der Reichsluftwaffe in erster Linie zur Schulung und Ausbildung an Lastenseglern. Lastensegler sind leichte Flugzeuge ohne Motor, die von Motorflugzeugen geschleppt werden müssen. Oben in der Luft fliegen sie dann wie ein Segelflugzeug allein und landen im Gleitflug lautlos vermittels Kufen oder Rädern, die man bei Bedarf auch abwerfen konnte. Lastensegler wurden insbesondere zum Transport von Truppen und militärischen Lasten hinter die feindlichen Linien verwendet.

Das Wesen dieser Flugzeuge bestand darin, daß sie sehr preiswert zu bauen waren. Sie bestanden nur aus einem Metallrohrgestell, welches mit Holz und Segeltuchbespannung ergänzt wurde. Wenn erforderlich, konnten sie als „Einwegflugzeuge" eingesetzt werden, wenn eine Bergung nicht mehr möglich oder rentabel war. Ihr besonderer Vorteil bestand in ihrer Lautlosigkeit (ohne Motor!) und der Möglichkeit, sie auf kleinster Fläche landen zu lassen (vermittels eines Bremsfallschirms).

Die in Eschborn eingesetzte Version von Lastenseglern hatte die Bezeichnung DFS 230. Die Besatzung bestand aus einem Piloten und neun Mann oder entsprechender Nutzlast (z.B. Waffen, Munition, Verpflegung). Die Ausbildung und Schulung verlangte besonders das Üben von Start und Landung sowie Verbandsflug, Zielanflügen und Ziellandungen aus Höhen zwischen 1000 und 2000 Metern auf engstem Raum. Besonderheiten waren Sturzflüge mit Bremsfallschirm sowie Schleppflüge und Vollastflüge über Land; auch Nachtflüge standen auf dem Programm.

Im Sommer 1941 wurden die ersten Segelfliegerverbände in unsere Gegend verlegt: die Fliegerschule (S) l war mit ihrem Stab und der technischen Kompanie auf dem Fliegerhorst Langendiebach (bei Hanau) stationiert. Die dazugehörigen vier Staffeln lagen in Geinsheim/Hessenaue (Kreis Groß-Gerau), Zellhausen (nahe Seligenstadt) und Eschborn. Der Kommandeur war Oberstleutnant Reeps. Geschult wurde überall auf dem Lastensegler DFS 230. Als Motorschleppmaschinen fanden besonders He 45, He 46 oder Arado 65 Verwendung. Neben dem Stammpersonal, den Fluglehrern und den Schleppiloten gehörte zu jeder Staffel eine Fluggruppe, der die Flugschüler zugeteilt wurden, etwa 20 an der Zahl.

Im Frühjahr 1942 erfolgte im Zuge einer Umgliederung der Lastenseglerverbände auch eine Umbenennung der Fliegerschule (S) l in Ergänzungsgruppe (S) 1. Aus diesem Verband wurde im Januar 1943 eine Einsatzgruppe herausgelöst, die an die Ostfront beordert wurde und schließlich die Versorgung des Kuban-Brückenkopfes übernahm.

Am 9. September 1944 wurde die Ergänzungsgruppe (S) l, wie die meisten anderen Lastenseglereinheiten auf Befehl des Oberkommandos der Luftwaffe aufgelöst und das Personal zu Heeres- und Fallschirmjägereinheiten versetzt.

Beim Absturz dieses Lastenseglers bei Eschborn am 26.6.1941 fanden sieben Soldaten den Tod.

Trauerfeier im Juni 1941 auf dem Flugplatz Eschborn vor einem Lastensegler DFS 230 (im Hintergrund Hangar und Flugleitung).

Damit verlor auch der Eschborner Flugplatz seine fliegenden Verbände. Es blieben vorübergehende Besuche von Tagjägern der Reichsverteidigung, die schon vorher zeitweise zu Gast waren, wie z.B. das Jagdgeschwader 53 PIK-As, welches teilweise von März bis Mai 1944 in Eschborn stationiert war oder das JG 27 oder der Stab des JG 300, die ebenfalls 1944 in Eschborn Visiten machten. Schon kurze Zeit vor der Auflösung der Lastenseglerverbände hatte es auf dem Flugplatz Eschborn eine einschneidende Veränderung ergeben. Am 15. August 1944, morgens kurz nach 11 Uhr, war der Platz Eschborn Ziel eines amerikanischen Luftangriffs. 65 Bomber vom Typ B-17, Fliegende Festungen, warfen aus ca. 8000 Metern Höhe ihre Bombenlast auf den Flugplatz ab. Zum Schutz gegen deutsche Jagdflugzeuge begleiteten sie 47 Jäger vom Typ P-51 Mustang, die jedoch nicht einzugreifen brauchten. Es waren weit und breit keine deutschen Abfangjäger zu sehen. Nur die in der Nähe des Flugplatzes stationierte Flak hätte den Angreifern gefährlich sein können, aber auch diese war vom Angriff so überrascht, daß sie kaum in Aktion trat. Ohne Verluste konnten die US-Bomber wieder zu ihrem Stützpunkt nach Südengland zurückfliegen, von wo aus sie auch gestartet waren.

Der Angriff auf den Eschborner Platz dauerte nur wenige Minuten, von 11.10 Uhr bis 11.14 Uhr. Insgesamt wurden etwa 187 Tonnen Bomben abgeworfen, 200 Sprengbomben und 250 Behälter mit Brandbomben. Zurück blieb eine völlig zerstörte Flughafenkommandantur, zwei Hangars waren getroffen, die Kfz-Halle sowie Öltanks. Einige der 1000 (engl.) Pfund (ca. 354 g) schweren Sprengbomben hatten das Rollfeld getroffen. An Flugzeugen und Soldaten gab es keine Verluste. Im benachbarten Sulzbach hingegen, welches von Bomben, die neben das Ziel gingen, getroffen wurde, blieben zwei Wohnhäuser und drei Bauernhöfe total zerstört und dazu 42 Wohnhäuser und 17 Bauernhöfe beschädigt zurück. Eine Frau kam dabei um, ein Mann wurde schwer verletzt. Das Dorf Eschborn selbst, wie auch das benachbarte Schwalbach, kam mit dem Schrecken davon.

Der Angriff auf den Flugplatz Eschborn war Teil einer großangelegten Aktion gegen deutsche Flugplätze. An diesem Tag wurden u.a. auch die Plätze Wiesbaden-Erbenheim, Köln-Ostheim oder Plantlünne (nahe Osnabrück) mit Bomben belegt. Über 900 amerikanische schwere Bomber waren bei diesem Einsatz unterwegs.

Mit der Auflösung der Lastenseglerverbände im September 1944 und dem gerade vorangegangenen Bombenangriff fiel der Flugplatz Eschborn bis zum Kriegsende in Eschborn am 29. März 1945 in einen Dornröschenschlaf. Die amerikanischen Bodentruppen, die den Platz am 30. März 1945 besetzten, trafen sofort alle Vorbereitungen, daß schon am 9. April 1945 die 367. amerikanische Fighter Group den Eschborner Flugplatz benutzen konnten. Sie griff bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 von hier aus mit zahlreichen Einsätzen aktiv in das Kriegsgeschehen, z. B. in Süddeutschland, ein.

Am Rande des Platzes, nach Schwalbach zu, legten die Amerikaner ein Lager für etwa 1000 deutsche Kriegsgefangene an. Diese mußten zuerst den Eschborner Flugplatz herrichten und z.B. eine 1600 Meter lange, feste Start- und Landebahn anlegen, aber dann auch den stark zerstörten Rhein-Main-Flugplatz wieder instand setzen. Dazu wurden sie täglich auf großen Lastwagen (trucks) nach dort gebracht. Das Gefangenenlager Eschborn bestand bis zum Frühjahr 1946. Dann wurden die deutschen Soldaten nach Hause entlassen.

Unter US-Kommando erhielt der Platz Eschborn die Bezeichnung Y-74 (Frankfurt-Eschborn). Er war anfänglich der einzige noch brauchbare Flugplatz im Raum Frankfurt. Daher war es z.B. für General Eisenhower, den Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte, selbstverständlich, daß er auf dem Flugplatz Eschborn startete und landete, zumal sein damaliges Hauptquartier zeitweise im Schloßhotel Friedrichshof in Kronberg war.

Mit der Inbetriebnahme des Rhein-Main-Flugplatzes verlor Eschborn schnell an Bedeutung. Die fliegenden Verbände wurden abgezogen. Das Gelände wurde jedoch weiterhin militärisch genutzt, als Depot und Reparaturwerkstätte. Auf dem nun nicht mehr benötigten Flugfeld installierte die Deutsche Post eine Übersee-Funkanlage für Telefonverbindungen von Deutschland nach der südlichen Halbkugel, aber auch Amerika. Zahlreiche hohe Sendemaste wurden auf der früheren Start- u. Landebahn errichtet. Auf dem restlichen ehemaligen Militärgelände, nahe der „Sossenheimer Straße", entstanden Kasernenanlagen, in die dann US-Pioniereinheiten mit schwerem Gerät einzogen.

Die letzte Einheit, das 317. Engineer Battalion, verließ Camp Eschborn, wie es genannt wurde, am 15. Oktober 1991, nach dem Golf-Krieg, an dem es aktiv teilgenommen hatte. Das Areal wurde an die Bundesvermögensverwaltung zurückgegeben. Die Kasernenbauten wurden zeitweise mit Asylbewerbern der nahegelegenen Hessischen Gemeinschafts-Unterkunft (HGU) belegt.

Einer der großen Flugzeughangars steht noch; ihn hat die Telekom einem Fernmeldebautrupp als Lager und Werkstatt zur Verfügung gestellt. Die Reste einer weiteren, teilweise zerstörten Flugzeughalle dienen dem Technischen Hilfswerk (THW) als Übungsgelände. Das gesamte Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes Eschborn soll an die anliegenden Kommunen Eschborn, Schwalbach und Sulzbach veräußert werden. Die Kaufverhandlungen mit der Bundesrepublik sind im Gange und stehen vor einem baldigen Abschluß.

Aus: Zwischen Main und Taunus / Jahrbuch 1996 - mit freundlicher Erlaubnis des Autors
10.8.05