Pfarrer Johann Daniel Rohm und die Freischule in Eschborn 1773 - 1790
GERHARD RAISS

Schon früh war den Landesherren daran gelegen, daß die Kinder ihrer Untertanen eine gewisse Bildung erhalten sollten. Die Umsetzung dieser guten Absicht war allerdings nicht so leicht zu bewerkstelligen. Besonders auf dem Land wurden die Kinder häufig zu Arbeiten in der Landwirtschaft, hauptsächlich zur Erntezeit, eingesetzt. Im Sommer war an einen geregelten Schulunterricht kaum zu denken: die Ernte war wichtiger. Ein weiterer Faktor, weshalb die Kinder oft dem Unterricht fern blieben, war die Tatsache, daß für jedes Kind ein Schulgeld in Höhe eines Guldens pro Schuljahr erhoben wurde, was sich viele ärmere Familien einfach nicht leisten konnten. Das Schulgeld floss dem Schulmeister direkt zu und war Teil seiner Besoldung. Die Folge des mangelnden Schulbesuchs war, daß häufig später Probleme beim Lesen und Schreiben auftauchten, was besonders bei den Erwachsenen unangenehm auffiel.

Durch Verordnungen wie die des Mainzer Kurfürsten Anselm Franz von Ingelheim vom 12. November 1682, daß die Eltern in kurfürstlichen Landen ihre Kinder vom 6. bis zum 12. Lebensjahr in der winterlichen Zeit in die Schule zu schicken schuldig seien und daß das Versäumen der Schule mit Strafe belegt werde, versuchte man die Schulpflicht zu erreichen. Die finanzielle Belastung durch das Schulgeld versuchte z.B. Kurfürst Philipp Carl von Eltz durch einen Erlass über die Einrichtung von Freischulen vom 9. April 1740 zu mindern. Alle seine Ämter, Kellereien und Gemeinden forderte er darin auf, „dieses heylsame an sich so nothwendige Werck" der Freischulen umzusetzen. Entsprechende Vorschläge sollten ihm eingereicht werden.

Zwar wurde in Eschborn nachweislich schon seit dem Jahre 1650 für einige ganz arme Kinder das jährliche Schulgeld aus dem Kirchenkasten bezahlt, aber eine ganze Anzahl von Eltern blieb für ihre Kinder dennoch das Schulgeld schuldig oder die Kinder wurden erst gar nicht in die Schule geschickt. Die Familien der Kinder, die auf den Eschborner freiadeligen Höfen (z.B. dem Bromhof) wohnten, zahlten mit dem Hinweis auf ihre Abgabenfreiheit kein Schulgeld, schickten ihre Kinder aber dennoch zur Schule.

Die ersten Versuche, vor Ort in Eschborn eine Freischule einzurichten, unternahm der ev. Pfarrer Johann Daniel Rohm im Jahre 1773. Rohm war am 4. September 1726 in Hanau als Sohn eines lutherischen Lehrers geboren, hatte ein Theologiestudium in Coburg, Halle und Gießen absolviert und war am 5. Juli 1753 als „Pastor adjunctus" dem alternden Eschborner Pfarrer Johann Hulderich Schwalbach, seinem späteren Schwiegervater, beigegeben worden. Zwanzig Jahre lang, bis 1773, haben beide zusammen die Eschborner Pfarrstelle versehen. Schon nach weniger als l 1/2 Jahren hatte er die Tochter seines Mentors Schwalbach geheiratet; aus dieser Ehe gingen acht Kinder hervor, alles Söhne.

Sicher wußte Pfarrer Johann Daniel Rohm daher um die Kosten, die Kinder verursachen, als er 1773 seinen ersten Vorstoß in Richtung Freischule machte. Er schrieb, „daß zwar lange von einer Freischule, wie es sie an anderen Orten gibt, geredet werde, daß solche hier aber von den Gemeindevorstehern noch nicht bewerkstelligt sei, daß darum arme Kinder, deren wir viele haben, welche das Schulgeld nicht haben, Schule und ihr Wachstum im Christentum nicht erhalten können und unversorgt bleiben. Darum bitte er auf Grund seines priesterlichen Amtes und seiner Sorge für die Jugend, daß jedes Glied der Gemeinde jährlich ein Geringes gebe, um den Satz aufzubringen, der notwendig sei, auf daß der zeitliche Schulmeister das Geld für das allgemeine Schulgeld erhält. Was daran fehle, solle von der Kirche beigetragen werden."
Freischule Eschborn335

Erlaß des Mainzer Kurfürsten Philipp Carl von Eltz vom 9. April 1740 betr. die Förderung von Freischulen (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 100, Nr. 206).

Aber es sollte noch viele Jahre dauern, bis Rohms Mahnungen in Eschborn fruchteten. Erst im Jahre 1790 ist die evangelische Kirchengemeinde dazu bereit. Und Johann Adam Rohm, einer der acht Söhne des Johann Daniel Rohm, der seinem Vater bei dessen Tod 1785 auf die Eschborner Pfarrstelle nachfolgte, bemerkt in einem Bericht: „Unter mancherlei Vorzügen, welche hiesige Gemeinde hat, fehlt es derselben noch am freien Unterricht in der Schule. Und welch' eine edle Sache es mit demselben sei, fühlte doch ein jeder Einwohner, nur waren die Mittel allezeit unzugänglich und nicht von der Art, daß sie allgemein zu billigen gewesen wären. Meinem seligen Vater war es äußerst daran gelegen, dieses wohltätige Werk für Eschborn einzurichten, allein bei dem besten Willen mißlang es ihm stets. Den jetzigen Zeiten war es vorbehalten, sich mit gutem Erfolg damit zu beschäftigen und es endlich unter Gottes Beistand in Stand zu bringen. Da sich die Bauern in gutem Wohlstand befanden, um Landgut zu erwerben, faßte ich den Entschluß, mittels des Verkaufs unseres Kirchengutes eine freie Schule zu errichten. Ich brachte meine Gedanken zu Papier und legte sie Schultheiß und Gericht vor, erklärte es ihnen umständlicher, sodaß sie einsehn lernten, wir würden es gewiß durchsetzen. Ich machte darüber in unser aller Namen eine Schrift ans Amt Kronberg..."

Die kurfürstliche Regierung in Mainz genehmigte unter dem 29. April 1790 die Errichtung der Freischule, indem sie dem Verkauf von 12 Morgen kirchlichen Ackerlandes zustimmte, welches bis dato im Wege der Verpachtung nur 28 Gulden jährlich erbracht hatte. Durch den Verkaufserlös, den die Regierung mit mindestens 2000 Gulden ansetzte, könnten aber, bei einer Anlage des Kapitals und einer jährlichen Verzinsung von 4% ein Vielfaches der Pachteinnahmen erzielt werden. Dieser Zinsertrag würde das nötige Schulgeld für bedürftige Kinder leicht erreichen.

Bei der alsbald stattfindenden öffentlichen Versteigerung der kirchlichen Äcker wurde dann auch die hohe Summe von 2323 Gulden erlöst. Als Ersatz für die nun durch die Freischule dem Schulmeister fehlenden Einnahmen von den Kindern, wurden diesem pauschal 50 Gulden jährlich zugebilligt. Alle Eschborner Kinder waren nun vom Schulgeld befreit — mit einer Ausnahme: die Kinder von den sog. freien Höfen sollten jährlich ihre Gulden an den Lehrer zahlen, so beschloß die Gemeinde.

 

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2000 - mit freundlicher Erlaubnis des Autors
23.10.05