Ein Stück Geschichte verschwindet
Tanja Schmidgunst

Eschborn. In der Einfahrt hat der kleine Junge mit dem Laufrad angehalten und bestaunt den großen Bagger, der auf dem Grundstück in der Unterortstraße zugange ist. Seine Mutter bekommt den interessierten Zaungast nicht so schnell dort weg, denn zu spannend ist das Schauspiel, wenn die Schaufel des gelben Baggers den Schutt abtransportiert. Ein großer Hügel ist dort, wo noch vor etwa zehn Wochen ein altes Fachwerkgebäude stand, das der Familie Christoph nach eigenen Angaben seit 1999 eine Menge Ärger und finanzielle Belastung eingebracht hat.

Eigentlich wollte Heinz O. Christoph das Fachwerkhaus, das seiner Ehefrau gehört, in einen neuen Gebäudekomplex miteinplanen und ließ es dafür entkernen. Nach gut vier Jahren und insgesamt vier unabhängigen Gutachten kann er diese Maßnahme nun jedoch nicht realisieren, denn nach Auskunft des Eigentümers waren 80 Prozent der Hölzer im Haus kaputt. Darüber hinaus war das Gebäude vom Hausschwamm befallen. «Wäre es in einem besseren Zustand, hätten wir es gerne erhalten», versichert Christoph auf Anfrage des Höchster Kreisblatts.

Nach dem Abriss wirft die SPD-Stadtverordnetenfraktion dem Landwirt, der der örtlichen FDP angehört und die Partei als ehrenamtlicher Dezernent dem Magistrat angehört, «Geschichtsvergessenheit» vor. Sie wittert einen «Skandal». Der Stadtrat und Dezernent für Landschaftsschutz, Naturschutz, öffentliche Anlagen und Stadtverschönerung habe hier Fakten geschaffen und die Chance auf den Erhalt mutwillig vertan, finden die Genossen.

Christoph kann sich diesen Angriff nur als «Vorgeplänkel auf die Kommunalwahl im März» erklären und bekräftigt seine Bemühungen um das alte Gebäude. Schließlich hat er auf Grund der vielen Gutachten Zeit für sein Bauprojekt eingebüßt und musste nun den Komplex neu planen lassen und einen neuen Bauschein anfordern. «Wir tun mal was für die Stadtmitte auf eigenes Risiko, und die SPD denkt, da ein Thema für den Wahlkampf zu finden», wehrt sich Christoph.

Bestätigung finden seine Schilderungen in der Verwaltung des Main-Taunus-Kreises. «Es ist da lange geprüft worden, und man hat festgestellt, dass es bautechnisch nicht mehr erhaltungsfähig ist», erklärt Pressesprecherin Karin Rometsch nach Rücksprache mit der Unteren Denkmalschutzbehörde. Schließlich habe man am 18. Mai dann die Abbruchgenehmigung erteilt. Rometsch weiter: «Und das Amt für Denkmalpflege versucht natürlich eher, solche Gebäude noch zu erhalten, als sie abreißen zu lassen.»

Was vom Fachwerkhaus an der Unterortstraße 11 nun noch übrig geblieben ist, sind ein Bild und dazugehörige Erläuterungen, die in der Denkmaltopographie für den Main-Taunus-Kreis auf Seite 201 nachzulesen sind. Als «giebelständiges Wohnhaus einer ehemaligen Hofreite» aus dem 18. Jahrhundert ist es da kategorisiert.

Stadtarchivar Gerhard Raiss bestätigt diese Datierung: «Andere Häuser in der Unterortstraße sind noch viel älter, aber das bescheidene Haus hatte durchaus was und war durch das Geschäft prägend für die Unterortstraße.» Zunächst nämlich beherbergte das Gebäude einen Kramladen – damals noch Specereiwaren-Handlung genannt. 1919 gründete Rudolf Geibel dort seine Metzgerei.

Heinz O. Christoph dagegen hat noch keine Mieter für den geplanten Gebäudekomplex, in dem Läden, Wohnungen, Büroräume und Praxen entstehen sollen, gefunden. Dennoch versuche er, auf eigenes finanzielles Risiko auf diese Weise zur Attraktivität der Unterortstraße beizutragen, die gerade als Wohnraum nicht die beste Lage und somit schwer zu vermieten sei. Er rechne nun noch mit einer Bauzeit von etwa einem Jahr und hoffe, dass dann das Wohn- und Geschäftshaus, das auch mit Giebeln gebaut werden soll, endlich stehen wird.

HK vom 2.11.05 – mit freundlicher Erlaubnis des HK