"Kerschelsammler" aus Berufung
Eschborn: Ehrenbürger Hansjörg Ziegler wird 90 Jahre / Viel beachtetes Lebenswerk

Von Claudia Horkheimer

Im Ort kennt man ihn als den „Kerschelsammler", weil es seine Passion ist, Dinge zu sammeln, die andere vielleicht in den Kehricht geben: vom Flaschenetikett über Postkarten und Briefmarken bis hin zu Fotografien und Geschichten aus und über Eschborn.

Hansjörg Ziegler wird heute 90 Jahre alt. Der Ehrenbürger der Stadt Eschborn, Inhaber des Bundesverdienstkreuzes, des Ehrenbriefes des Landes Hessen und der Goldenen Nadel der Stadt Eschborn freut sich, daß seine jahrelange Arbeit so von der Öffentlichkeit gewürdigt wird. „Ich will die Vergangenheit und die Gegenwart für die Nachwelt erhalten." Er bezeichnet sich als „Jäger und Sammler" und zeigt schmunzelnd auf meterlange Reihen mit Ordnern und Büchern, in denen er Fotografien, Drucke, Zeitungsausschnitte und Texte konserviert.

Der Ehrenbürger hat unzählige Bücher, Kunstdrucke und Postkarten veröffentlicht

In seinem winzigen Arbeitszimmer erfaßt er noch heute Texte, gestaltet Druckserien, druckt und bindet Bücher. Es ist nur ein kleiner Teil der von ihm dokumentierten Zeitzeugnisse, die dort stehen. Das meiste wird im Rathauskeller aufbewahrt: allein 3000 Bände zur Geschichte der Stadt und 8000 Reproduktionen von Fotografien. Als Mitglied der Historischen Gesellschaft veröffentlichte er seit den 80er Jahren 26 Bücher, 32 Kunstdrucke und 110 Postkarten von Eschborn.Kerschelsammler Ziegler 001b

Noch heute „macht" er Bücher zu Dokumentationszwecken. Entstanden sind so zum Beispiel 53 Bände „Eschborner erzählen" und 12 Bände „Familienforschung". Seine Leidenschaft erklärt sich auch aus seiner Lebensgeschichte. Ziegler ist ein Donauschwabe, geboren im ehemaligen Jugoslawien in der serbisch dominierten Stadt Karawukowo. „Wir wurden dort geprügelt und es hieß 'Ihr gehört hier nicht her'." Seine Familie sprach deutsch, die Mutter brauchte einen Übersetzer, wenn sie aufs Rathaus mußte, erinnert er sich. Als er 1940 zum jugoslawischen Heer eingezogen werden sollte, floh er nach Deutschland, um nicht gegen Deutsche kämpfen zu müssen. Dort wurde er gemustert und als „zwei Zentimeter zu kurz" für die Wehrmacht befunden : „Das war mein Glück."

Ziegler floh nach Deutschland, „um nicht gegen Deutsche kämpfen zu müssen"

In Frankfurt machte der gelernte Metzger bis 1944 eine Umschulung zum Schriftsetzer und erlebte die Bombenangriffe auf die Stadt. Die entblößten Körper der Leichen, die er nach den Angriffen zwischen den Trümmern sah, konnte er nie vergessen. Kurz vor Kriegsende, als die Wehrmacht „Kanonenfutter" brauchte, wie er sagt, wurde er doch eingezogen und landete als Dolmetscher bei der Waffen-SS, - „nur dort durften Volksdeutsche dienen", erklärt er dieses unangenehme Kapitel in seinem Leben.

Es brachte ihm später viele Anfeindungen ein. Sein Beruf als Schriftsetzer wurde ihm hingegen zur Berufung. Als er im mittel-fränkischen Gunzenhausen von einem  Bombensplitter verletzt wurde und in amerikanische Gefangenschaft kam, hörte er erstmals den Namen Eschborn. Da Ziegler alemannischer Abstammung ist und die Alemannen in Eschborn siedelten, bevor sie sich auf dem Balkan niederließen, faszinierte ihn die Frage: Woher komme ich, wohin gehe ich? Er suchte sich in Frankfurt eine Arbeit und fand mit seiner Frau 1946 in Eschborn eine Bleibe. Der erste Teil seiner Autobiographie heißt: „Von einem Donauschwaben, der ein Eschborner wurde." Weitere Teile sind geplant.

Frankfurter Rundschau - 8.1.10 - mit freundlicher Erlaubnis der FR