Der Stephanshof in Eschborn
GERHARD RAISS

Eschborn gehörte von Beginn an zum kirchlichen Einzugsgebiet des Erzbistums Mainz. Um die Jahrtausendwende stand an der Spitze dieses Bistums Erzbischof Willigis, ein bekannter und im ganzen deutschen Reich angesehener Mann. Er war jahrelang unter den Kaisern Otto I. und Otto II. Kanzler und Erzieher des späteren Kaisers Heinrich II. Seit dem Jahre 975 war er Erzbischof von Mainz, ein tatkräftiger Mann mit großem Einfluß. Er sicherte Mainz z. B. das Recht, die deutsche Königskrönung zu vollziehen. Von Mainz aus gründete er das Bistum Bamberg und innerhalb von Mainz im Jahre 990 das Stephansstift. Nachdem er 1011 starb, wurde er bald darauf heilig gesprochen.

Zur Grundausstattung eines neugegründeten Stiftes zählte insbesondere die Ausstattung mit entsprechenden Einkünften, aus denen die im Stift lebenden Kleriker ihren Unterhalt bezogen. Dies geschah üblicherweise damals in der Art, daß größere (Bauern-)Höfe dem Stift geschenkt wurden, durch deren Abgaben die Stiftungsangehörigen versorgt wurden. So hatte das Stephansstift von König Otto III. aus dem Bestand seiner königlichen Herrschaftshöfe im Jahre 996 einen Hof in Büchenbach in Oberfranken zum Geschenk erhalten. Das Stephansstift konnte sich dieses Hofes aber nicht lange erfreuen, denn bereits im Jahre 1008 tauschte der Nachfolger Ottos III. , Heinrich II., diesen Hof ebenfalls gegen einen anderen Königshof ein, nämlich gegen seinen Hof in Eschborn. Dieser Tausch ist in einer Urkunde, datiert unter dem 18. Mai 1008, schriftlich vereinbart worden. Die in lateinischer Sprache abgefaßte Urkunde liegt heute im Original im Staatsarchiv Darmstadt (vgl. Abb. 1). Darin wird u.a. vereinbart, daß der Hof in Eschborn (...predium in loco Aschenbrunnen) gegen den Hof in Büchenbach getauscht wird, der an die neu errichtete Domkirche zu Bamberg gehen soll. Erzbischof Willigis konnte dieser Tausch nur Recht sein, lag der Hof in Eschborn geradezu vor den Toren von Mainz und für Kleriker von St. Stephan in weniger als einer Tagesreise zu erreichen, im Gegensatz zu Büchenbach, welches weit entfernt in der Nähe von Bamberg lag.

Die Urkunde über den genannten Tausch im Jahre 1008 hat, ins Deutsche übersetzt, folgenden Wortlaut:

    Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit. Heinrich, jetzt und immerdar von Gottes Gnaden König unser aller Treuen, hat mit Sorgfalt geprüft, wie zwischen uns und Willigis, Erzbischof des Stiftes St. Stephan in Mainz, mit Einmütigkeit aller eine Übereinkunft getroffen wurde, einen unserem Nutz und Frommen genehmen Tausch abzuschließen.

Und zwar sagt der Vertrag, daß wir den Brüdern des Stiftes des hl. Märtyrers Stephan zu Mainz, die daselbst Gott dienen, das gesamte Gut, das wir in dem genannten Ort Eschborn besaßen, wie auch, was im besagten Niddagau, der Grafschaft des Grafen Rudolf, dazugehört, durch diese Tauschurkunde zum Unterhalt und Nahrung übergeben.

Dafür übernehmen wir durch den ritterlichen Rechtsvertreter des Stiftes Ezzo den Hof Büchenbach mit allem, was dazu gehört, zu eigen, der im Rangau in der Grafschaft des Grafen Adelhart liegt und der Kirche des hl. Apostels Petrus und des hl. Märtyrers Gregorius zu Bamberg diente. So also haben wir durch den oben genannten Tausch das Gut, das wir, wie gesagt, in Eschborn zu eigen hatten, dem Stift des hl. Märtyrers Stephan in Mainz und den Brüdern, die daselbst Gott dienen, mit allem Nutz, den Dienstleuten jeglichen Geschlechts, den Gerätschaften, den Baulichkeiten, den Feldern, den Wiesen, den Weiden, dem bebauten und unbebauten Land, den Wäldern und ihrem Ertrag, den Wassern, Wasserläufen und Fischteichen, den Mühlen am Weg und abseits, den Verpflichtungen und den stehenden wie möglichen Einkünften in Unversehrtheit übertragen.

Damit die königliche Vollmacht dieses Tausches fest, unantastbar und unwiderruflich auf immer bleibe, ließen wir den Vertrag niederschreiben und haben ihn nach Aufdruck unserer königlichen Unterschrift für gültig erklärt.

Siegel des Herrn Heinrich, des unbesiegbarsten Königs. Eberhard, Bischof und Kanzler, hat für Willigis, Erzkaplan, unterschrieben. Gegeben am 18. Mai 1008 zu Mainz. Gott segne es! Amen.
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Urkunde vom 18. Mai 1008. Heinrich II. tauscht den Königshof in Büchenbach in Oberfranken gegen seinen Hof in Eschborn, den das Stephansstift in Mainz erhält. Original im Staatsarchiv Darmstadt, A 2,165/3.

Der Eschborner Stephanshof ist noch heute in der Mitte des alten Dorfes (Hauptstraße 27, Autohaus Müller) auszumachen. Zur großzügig angelegten Hofanlage gehörte umfangreiches Acker- und Wiesenland, insgesamt 169 Morgen (157 Morgen Ackerland, 12 Morgen Wiesen). Die Kleriker des Stephansstiftes konnten den Hof natürlich nicht selbst von Mainz aus bewirtschaften. Dazu hatten sie ihre Leute vor Ort, die dies unter der Oberaufsicht eines Hofmannes besorgten.

Die Vogtei Eschborn

Geistliche Stifte, wie das St. Stephansstift, konnten sich in weltlichen Geschäften nicht selbst vertreten. Sei es bei der Vertretung vor Gericht, bei der Vornahme von Rechtsgeschäften oder bei Entscheidungen in Streitigkeiten, sie mußten sich dazu eines Nicht-Klerikers bedienen, eines Advocaten. Seit Kaiser Karl dem Großen war dies Vorschrift. Die Advocatur für die Kirche und kirchlichen Institute wurde zu einer ständigen Einrichtung mit Amtscharakter erhoben. Die Inhaber dieser Ämter wurden Kirchenvögte genannt.

Die Auswahl der Vögte wurde meist den Vertretern der Kirche überlassen, was allerdings oft in Absprache mit der weltlichen Macht geschah. Sie konnte auf Zeit übertragen und untüchtigen Inhabern auch wieder abgenommen werden. Sie wird von der Auffassung abgeleitet, daß es einen weltlichen, kaiserlichen Schutz für die Kirche gibt. Ausgeübt wird das Amt des Vogtes von Adeligen, die zweckmäßigerweise in der Nähe der kirchlichen Einrichtung wohnen sollten, dies auch, weil der bewaffnete Schutz ebenso ein fester Bestandteil des Vogteiamtes war. Im Laufe der Zeit wurde das Amt innerhalb der adeligen Familien erblich.

Auf den Eschborner Stephanshof bezogen läßt sich dazu feststellen: Der Hof gehörte dem kurmainzischen Stephansstift, war aber inmitten des Reichslehens der Ritter von Kronberg gelegen, ein kleines Stückchen Kurmainz im Gebiet der Kronberger Ritter. So wurde eine nahe bei Eschborn gelegene Herrschaft mit der Vogtei über den Hof betraut. Dies geschah in Form einer Belehnung durch Kurmainz. Außer der Ehre, das Vogteiamt inne zu haben, war das auch mit z. T. beträchtlichen Einnahmen verbunden. Die Belehnung war erblich in der männlichen Linie, mußte aber von Fall zu Fall erneuert werden.

Erstmals im Jahre 1370 verband sich mit dem Eschborner Vogteiamt ein Name: Ulrich Graf von Falkenstein-Münzenberg-Königstein. Die Falkensteiner waren die Erben der Grafen von Nürings, die die Hoheitsrechte im Niddagau ausübten. Sie starben etwa um 1174 aus und vererbten Teile ihres Besitzes an die Herren von Münzenberg-Falkenstein. Ein direkter Hinweis auf eine Belehnung der Grafen von Nürings mit dem Eschborner Stephanshof ist allerdings nicht nachweisbar. Es darf aber angenommen werden, daß der Eschborner Hof zu Zeiten, als er noch als Königshof im Reichsbesitz war, eine sog. Immunität gebildet hat, was bedeutet, daß er frei von jedweder Unterstellung und ebenso von allen Abgaben war und dem Kaiser direkt unterstand, verwaltet vor Ort durch einen Ministerialen.

Im Jahre 1443 belehnen Dekan und Kapitel, also die obersten Organe von St. Stephan in Mainz, den Ritter Eberhard von Eppstein mit ihrer Eschborner Vogtei, zusammen mit anderen Lehensgütern, die dieser von der Herrschaft Falkenstein-Königstein zu Lehen hatte. Im Wortlaut heißt es da, man gebe ihm die „fautheye unsers hoiffs zu Escheborn under Cronenberg gelegen ..." Mit dem Aussterben des Hauses Eppstein 1565 waren dessen Erben die Grafen von Stolberg-Königstein, die damit auch die Vogtei übernahmen. Zwanzig Jahre später sind die Grafen von Stoltenberg-Königsstein ausgestorben und Kurmainz belehnt die Herren von Kronberg mit der Vogtei Eschborn. Endlich waren sie auch zuständig für das kleine Sonderterritorium Stephanshof innerhalb ihres Reichslehens.

In der Belehnungsurkunde vom 23. September 1585, ausgestellt in Aschaffenburg, verleiht Erzbischof Wolfgang von Mainz nach dem Absterben des Grafen Christoph von Königstein, von dem die Vogtei Eschborn dem Dekan und Kapitel des St. Stephansstiftes in Mainz heimgefallen ist und die dieselbe dem Aussteller als Ordinarius und Landesfürsten zugestellt haben, seinem Hofmeister, Rat und Amtmann zu Höchst und Hofheim, Harthmann von Kronberg dem Ältesten, mit Rücksicht auf die Dienste, die der Hofmeister bei seinem Vorgänger und ihm selbst viele Jahre geleistet hat, mit dieser Vogtei Eschborn, einen Gulden, drei Albus, 24 Frankfurter Achtel Korn, sowie 32 Malter Hafer, fällig zu Michaelis, des gleichen von jedem, der diese Güter innehat, ein altes Huhn und andere Rechte, wie es das Gerichtsweistum zu Eschborn verzeichnet. Die Vogtei ist Mannlehen (d. h. sie wird nur im Mannestamme vererbt). Hartmann hat den Lehnseid geleistet.

Das Dinggericht auf dem Stephanshof

Alljährlich einmal, am Dienstag nach Walpurgis (1. Mai), fand auf dem Eschborner Stephanshof das „höfische Gericht", auch Ding oder Hubengericht genannt, statt. Verhandelt wurden dabei Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Entrichtung der Pacht, die die einzelnen Hübner, d. h. Pächter von Ackerland des Stephanshofes, zu entrichten hatten. An vier Terminen im Jahr waren die Abgaben fällig, am Dienstag nach dem 18. Januar, am Gründonnerstag, am Dienstag nach Michaelis (29. September) und am St. Martinstag (11. November) und zwar bei Sonnenschein, d. h. bei Tageslicht. So konnte sich der Vertreter des Stephanshofes von der Güte der in Naturalien geleisteten Fälligkeiten überzeugen.

Wenn das höfische Gericht tagte, kamen Vertreter des St. Stephansstiftes aus Mainz nach Eschborn. Die geistlichen Herren werden wohl zu Pferde oder mit dem Wagen gekommen sein. Ihr Rangältester führte den Vorsitz. Ebenso nahm der Vogt an der Gerichts-Sitzung teil.

Lageplan des ehem. Stephanshofes in Eschborn aus dem Jahre 1805. Original im Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 3011/1,3662 H LXV Tf. 13, Bl. 14

Ihm gebührte eine besondere Stellung, die sich in einigen bemerkenswerten Äußerlichkeiten niederschlug. Aus dem Jahre 1585 ist uns im Wortlaut überliefert: wenn der Vogt dem Gericht selber beisitzen will, soll er es 14 Tage vorher ansagen. Dann darf er kommen mit drei Pferden, einem Reitpferd, einem Dienerpferd und einem Füllen, ferner mit zwei Knechten, von denen der eine geht, der andere reitet. Der Hof soll, wenn es geht, geschlossen werden, damit das Füllen nicht entlaufen kann. Im Hof soll er dann vorfinden, einen zubereiteten Stall, darin die Streu den Pferden bis an den Bauch geht. In den Raufen Raufutter und in den Krippen Hafer bis an die Nasenlöcher. Dann soll er vorfinden eine verschließbare Kammer, damit er sich darin mit seinen Freunden besprechen kann. In der Kammer soll er eine Bettlade mit zwei weißen Linnentüchern vorfinden, daß er ruhen könne, wenn er müde wird, und bei dem Bett sollen sitzen zwei Knechte, einer zum Haupt, der andere zu Füßen. Der zum Haupt soll französischen Wein, der zu den Füßen soll Hauswein haben, daß der Vogt sich laben könne, falls ihm wunderlich würde. Ebenfalls soll er vorfinden einen Ofen und einen Wagen Holz, den Wagen aber nicht schlecht geladen, daß ein Hase mit aufrechten Ohren bequem dadurch laufen könnte. Und einen Stock solle er vorfinden, mit einer eschenen Keule, daß der dem, der ungehorsam wäre, damit recht tun könnte. Und er soll vorfinden einen Tisch, mit weißen Tischtuch gedeckt, wohlbestellt mit Speisen, u.a. mit Brot und Fleisch. Und der Wein soll, so zwei Wirte am Ort sind, vom Besten sein.

Dem Gericht gehörten sechs örtliche Gerichtsmänner aus Eschborn an. Dazu der höfische Schultheiß, als Vertreter des Stiftes vor Ort. Er erhielt zu Beginn der Verhandlung vom Stiftsherrn, dem Dekan, den Gerichtsstab. Damit war er der Gerichtsherr. Die Gerichtsmänner mußten bei ihrer Einführung einen Eid leisten: „Ihr sollt geloben und schwören zu Gott und seinem heiligen Evangelium, daß ihr diesem höfischen Gericht als Gerichtsschöffen  beisitzen, des Gerichts Rechte und Gerechtigkeit helfen handhaben wollt, was Geld, Gut, Furcht, Haß, Neid, Feindschaft, des Gerichtes Heimlichkeit niemand offenbaren, auch sonst alles andere tun und lassen, was einem rechtschaffenen Gerichtsmann zu tun und zu lassen gebühret."

Eröffnet wurde die Gerichtsverhandlung mit folgenden Worten des höfischen Schultheißen: „Ich halte dieses Gericht im Namen meines ehrwürdigen Herren zu Stephan in Mainz, als Grund- und Eigentumsherren dieses Hofes und Ihrer Kurfürstlichen Gnaden zu Mainz als Vogt dieses Hofes. Ich gebe Euch den Eid auf, wo ein oder der andere dabeigewesen, daß jemand höfisch Gut gekauft oder höfisch Gut an sich getauscht hat und gehet und verschweigt das, der soll in beider Herren Strafe fallen."

Verhandelt wurden in erster Linie Grundstücksangelegenheiten (Kauf, Übernahme, Erbfälle), die Hübner aus Eschborn, aber auch aus Schwalbach, Kronberg, Ober- und Niederhöchstadt und Steinbach betreffen. Auch die sog. Besthauptregelung, hier der Stephans-Herren in Mainz, beim Tode des Familienoberhauptes der Pächter von der Familie das beste Stück Vieh (Haupt) als Abgabe zu erhalten. Aus dem Jahre 1556 ist uns diese Regelung schriftlich überliefert: so ein höfischer Mann stirbt, sollen dessen Weib oder Erben ein vierfüßiges Tier, ausgenommen Katze oder Hund, nehmen, ehe zum Begräbnis geläutet wird und es dem Schultheißen anbieten.
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So er es aber nicht will, so soll man solches auf der dazu bestimmten Hofraith, der Pfänder-Hofraith, an einem Strohhalm anbinden, und so er abreißt, soll des Verstorbenen Besthaupt verteidigt sein und den Seinen wieder gehören. So dieses aber nicht geschehen wird, soll das Weib oder die Erben des Besthauptes halber mit dem höfischen Schultheiß einig werden.

Der Heerwagen

Zu den Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Stephanshof gehörte die Stellung eines sog. Reyss-(Reise-) oder Heerwagens. In einer Niederschrift von 1569 wird festgehalten, daß im Falle die Herren von Kronberg, Vögte des Stephanhofes und Herren von Eschborn, im Dienste des Kaisers in den Krieg ziehen müssen oder gegen den Erbfeind der Christenheit, den Türken oder in gemeinsamer Not zu Felde ziehen, mußte der Hofmann des Stephanshofes einen halben (vorderen) Heerwagen mit zwei Pferden und einem Fuhrknecht, den er monatlich zu entlohnen hat, stellen. Die Gemeinde Eschborn hatte den anderen halben (hinteren) Wagen zu stellen, ebenso einen Fuhrknecht und zwei Pferde. Im Jahre 1566, z. B., bei dem Türkenzug Kaiser Maximilians II. wurde diese Verpflichtung von den Kronbergern eingefordert.

Verpachtung des Hofes

Für den Eigentümer des Hofes, das Stephansstift in Mainz, war es leichter und bequemer, den gesamten Hof an einen Pächter zu verpachten, zumindest größere Teile zusammenhängend zu vergeben, als an viele einzelne zu verpachten. Aus dem Jahre 1768 ist uns ein solcher Pachtvertrag bekannt, in dem die Stiftsherren auf 12 Jahre den „eigenen, freien in dem Flecken Eschborn, Amt Kronberg gelegenen freien, kaiserlichen Präbendhoff an Johann Reinhard Zimmer und dessen Sohn Johann Peter Zimmer aus Eschborn verpachten, samt Wohnhaus, Scheunen, Stallungen und Gärten samt allen dazugehörigen Gütern." Die Grundstücke, die in den Gemarkungen Eschborn, Schwalbach, Sossenheim, Rödelheim und Praunheim gelegen sind, wurden einzeln aufgeführt, ebenso wird auf die dem Hof anhaftende Zehnt- und sonstigen Freiheiten hingewiesen, der Pachtpreis betrug damals 500 Reichstaler. Im Pachtvertrag wird ausdrücklich auf die Verpflichtung des Pächters Wert gelegt, daß dieser, wenn das höfische Gericht auf dem Hof tagt, die entsprechenden, bekannten Voraussetzungen schaffen muß. Auch die Abgabe an den Vogt müssen die Pächter direkt begleichen, d. h. 20 Maß Wein oder den Wert desselben in Geld, von jeder Hube (30 Morgen) eineinhalb Achtel Korn (ca. drei Zentner) und zwei Achtel (ca. vier Zentner) Hafer und von jedem höfischen Mann ein Huhn.

Das Armenhaus

Den Verpachtungsprotokollen der späteren Zeit entnehmen wir, daß der Stephanshof auch die Aufsicht über das Eschborner Armenhaus hatte. Die Bewohner hatten Sorge dafür zu tragen, daß es nicht ruiniert würde. Die Bewohner selbst hatten unentgeltlich alle Botengänge zu erledigen. Im Namen des Stephansstiftes hatte deren Eschborner Hof sich in aktiver christlicher Nächstenliebe zu betätigen. Heimatlosen und Fremden mußten sie Unterkunft und Verpflegung gewähren. Dies war eine große Erleichterung für die Eschborner Gemeinde, die ihren Ortsarmen nur eine Einweisung in das Armenhaus des Stephanshofes zu geben brauchte. Der Ortspfarrer zahlte aus der Almosenkasse eine kleine Summe für die Übernachtung. Daß durch diese allgemeine Wohltat „der Hof von vielen Meilen her liederliches Gesindel herbeiziehe, oder daß durch solche Fremde die Feuersgefahr für den Hof wachsen könne", war bei der Hofverpachtung ein heiß diskutierter Punkt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war das Armenhaus in einem äußerst schlechten und maroden Zustand.

Das Stift in Mainz machte der bürgerlichen Gemeinde Eschborn den Vorschlag, dieser eine jährliche Zahlung in bar zukommen zu lassen, dafür wollten sie das Armenhaus schließen. Ehe es dann doch so weit kam, lesen wir noch in der Eschborner Kirchenchronik, daß im Jahre 1782 eine solche Arme grob und unbarmherzig angefahren und in den Schweinestall verwiesen, so die arme Frau mit Weinen und großer Not in der Nacht im Ort eine Schlafstätte suchen mußte", der Hofpächter war so mit ihr umgegangen. Außer der Fürsorge für die Ortsarmen oblag dem Stephanshof auch die Vatertierhaltung für ganz Eschborn. Dafür stand seit 1780 dem jeweiligen Hofpächter die Nutzung der sog. Ochsenwiese, dicht am Westerbach gelegen, zu.

Das Ende des Hofes

Als durch Napoleon im Jahre 1803 alle geistlichen Fürstentümer Stifte und Klöster enteignet und säkularisiert wurden, wurde auch das St. Stephansstift in Mainz aufgelöst und seine Besitzungen veräußert. Der Eschborner Stephanshof wurde dem Fürstentum Nassau-Usingen zugeschlagen. Die in der Gemarkung Rödelheim liegenden und zum Hof gehörendes, Ländereien, 48 1/2 Morgen, wurden Eigentum der   Herrschaft   Solms-Rödelheim;   die in Praunheimer Gemarkung liegenden 14 1/2 Morgen Ackerland wurden kurhessisch. Zum Hof selbst gehören nun nur noch die in der Eschborner Gemarkung liegenden 168 Morgen Land. Verwaltet wird der Hof von Nassau-Usingen. Ein Übersichtsplan der 1805 noch bestehenden Gebäude wird als Bestandsaufnahme erstellt, „der Stephaniterhof zu Öschborn", lautet die Unterschrift unter dem Lageplan.

Bis zum Jahre 1808 ist Johann Ziemer mit seinen beiden Söhnen Reinhard und Balthasar Pächter des Hofes. Am 2. November 1809 wird der gesamte Hof mit allen Gebäuden, Inventar und Landbesitz vom nassauisch-usingschen Fiskus verkauft. Käufer ist der Eschborner Schulheiß Andreas Junghenn. Er zahlt die Kaufsumme von 19.500 Gulden in bar. Das ist das vorläufige Ende des einstigen königlichen Hofes in Eschborn.

Literatur:
Alois Gerlich, Das Stift St. Stephan zu Mainz, Mainz 1954
Adolf Paul, Vorn Vorgestern zum Heute Odenburg 1969
Wolfgang Ronner, Die Herren von Kronberg und ihr Reichslehen Frankfurt 1999

Quellen
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden:
Abt. 68 Mainz, St. Stephan
Abt. 332 Herrschaft Kronberg
Abt. 3011/1,3662 H LXV Tf. 13 Bl. 14 (Karten)

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt:
Abt. A 2, Urkunden der ehemaligen Provinz, Rheinhessen, 165/3

Aus: Zwischen Main und Taunus – MTK-Jahrbuch 2001 - mit freundlicher Erlaubnis des Autors
21.10.05