Des Königs Deal in Eschborn - der Stephanshof

Von Manfred Becht

Eschborn. Ein rundes Jubiläum ist in diesem Jahr in Eschborn unbemerkt vorübergegangen. Übermäßig tragisch ist das nicht, denn daß der mitten im Ort gelegene Stephanshof vor genau 1000 Jahren den Besitzer gewechselt hat, ist zwar für die Lokalgeschichte von Bedeutung und interessiert auf den ersten Blick nur die Ortshistoriker. Aber Eschborns Stadtarchivar Gerhard Raiss hat das Schicksal des Hofes vor Jahren so spannend aufgearbeitet, daß der Laie einen Eindruck davon bekommt, wie im Mittelalter Rechtsgeschäfte abgewickelt und fixiert wurden.

Wie lange der Hof – die heutige Adresse ist Hauptstraße 27 – existiert, läßt sich nicht nachvollziehen. Urkundlich erwähnt wurde er, weil König Heinrich II. ihn im Jahre 1008 an das Mainzer Stephansstift übertrug, im Tausch gegen ein im oberfränkischen Büchenbach gelegenes Gut. Der König wollte dieses der neuen Bamberger Domkirche übertragen; es lag genauso näher an Bamberg wie Eschborn näher an Mainz lag – beide Seiten hatten von dem Geschäft ihren Vorteil. hke_stephanshof001_061008

Dabei liegt falsch, wer sich unter dem Stephanshof einen durchschnittlichen Bauernhof vorstellt. In der Urkunde, die heute im Staatsarchiv Darmstadt liegt, ist die Rede von einem Gut «mit allem Nutz, den Dienstleuten jeglichen Geschlechts, den Gerätschaften, den Baulichkeiten, den Feldern, den Wiesen, den Weiden, dem bebauten und unbebauten Land, den Wäldern und ihrem Ertrag, den Wassern, Wasserläufen und Fischteichen, den Mühlen am Weg und abseits, den Verpflichtungen und den stehenden wie möglichen Einkünften in Unversehrtheit.» Schon damals hatten die Juristen offensichtlich den Hang, alle Eventualitäten zu erfassen.

Natürlich bewirtschaftete das Stephansstift den Hof nicht selbst, sondern setzte dafür eine Art Verwalter ein. Zuständig für den Hof war außerdem ein Kirchenvogt, der das Stift in weltlichen Angelegenheiten vertrat. Für das 14. Jahrhundert ist dafür auch ein Name überliefert – Ulrich Graf von Falkenstein-Münzenberg-Königstein. Mit dessen Herrschaft kam das Eschborner Amt zu Eppstein, dann zu den Grafen von Stolberg und nach deren Aussterben Ende des 16. Jahrhunderts schließlich zum Kurfürstentum Mainz.

Der Vogt hatte das Recht, an den Gerichtssitzungen teilzunehmen, bei denen vor allem örtliche Grundstücksangelegenheiten verhandelt wurden. Eine Urkunde aus dem Jahre 1585 legt die Details fest: «Wenn der Vogt dem Gericht selber beisitzen will, soll er es 14 Tage vorher ansagen. Dann darf er kommen mit drei Pferden, einem Reitpferd, einem Dienerpferd und einem Füllen, ferner mit zwei Knechten, von denen der eine geht, der andere reitet. Dann soll er vorfinden eine verschließbare Kammer, damit er sich darin mit seinen Freunden besprechen kann.»

Und zur Ausstattung der Kammer heißt es: «In der Kammer soll er eine Bettlade mit zwei weißen Linnentüchern vorfinden, und an dem Bett sollen sitzen zwei Knechte, einer zum Haupt, der andere zu Füßen. Der zum Haupt soll französischen Wein, der zu den Füßen soll Hauswein haben, damit der Vogt sich laben könne, falls ihm wunderlich werde. Und einen Stock solle er vorfinden, mit einer eschernen Keule, daß er dem, der ungehorsam wäre, damit recht tun könne.»

Späteren Dokumenten ist zu entnehmen, daß der Stephanshof auch die Aufsicht über das örtliche Armenhaus hatte. Einerseits sei dies eine erhebliche Erleichterung für die Gemeinde gewesen, schreibt Stadtarchivar Raiss – die Armen wurden einfach zum Stephanshof geschickt, der Pfarrer zahlte aus der Almosenkasse eine kleine Summe pro Übernachtung. Andererseits wurde heiß diskutiert, daß «der Hof von vielen Meilen her liederliches Gesindel anziehe, oder daß durch solche Fremde die Feuersgefahr für den Hof wachsen könne.»

Die Zivilgemeinde ist offensichtlich auch nicht auf den Vorschlag des Stiftes eingegangen, daß dieses der Gemeinde eine jährliche Summe in bar zahle und dafür das Armenhaus schließe. Denn in der Eschborner Kirchenchronik von 1782 ist zu lesen, daß der Hofpächter «eine Arme grob und unbarmherzig angefahren und in den Schweinestall verwiesen, so die arme Frau mit Weinen und großer Not in der Nacht im Ort eine Schlafstätte suchen mußte.»

Daran lag es natürlich nicht, daß zwei Jahrzehnte später das Stephansstift seinen Eschborner Besitz los wurde; bekanntlich ließ Napoleon im Jahre 1803 alle geistlichen Stifte und Klöster enteignen. Der Hof gehörte dann dem Fürstentum Nassau-Usingen, verlor aber seine außerhalb der Eschborner Gemarkung gelegenen Ländereien. Im Jahre 1809 wurde er für 19.500 Taler an den damaligen Eschborner Schultheiß Andreas Junghenn verkauft.

Höchster Kreisblatt - 6.10.08 - mit freundlicher Erlaubnis des HK

Lesen Sie auch den Aufsatz von Gerhard Raiß über den Stephanshof!