Die Überseefunkstelle auf dem ehemaligen Flugplatzgelände in Eschborn
GERHARD RAISS

Mit dem Kriegsende im Mai 1945 erlosch für die Deutschen auch jede Funk- und Telegrafiemöglichkeit mit dem Ausland. Diese Dienste hatten sich von da an die alliierten Besatzungsmächte selbst vorbehalten.

Erst 1947 erteilte die amerikanische Militärregierung der Deutschen Post den Auftrag, den Funkverkehr in der US-Zone zu eröffnen. Frankfurt am Main wurde zum Sitz des neuen Funkzentrums bestimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ausschließlich der offizielle militärische Nachrichtenverkehr der Besatzungsmächte sowie der zivile Nachrichtenaustausch des Militärpersonals abgewickelt. Die Abwicklung dieser Dienste wurde von den großen nordamerikanischen Nachrichtengesellschaften, wie z. B. ATT (American Telephone and Telegraphic Company) über fahrbare Funkanlagen von Berlin, Frankfurt am Main und Nürnberg aus betrieben.

Der Deutschen Post wurden diese Funkanlagen zunächst leihweise überlassen, um unter deutscher Leitung und mit deutschem Personal den Betrieb weiterzuführen. Die monatliche Miete für zwei Funkanlagen betrug 125 US $, die von der Deutschen Post dafür entrichtet werden musste.

Um baldmöglichst technisch eigenständig zu sein, wurde der deutschen Elektronikfirma Lorenz der Auftrag erteilt, vier Telefonie- und vier Telegraphie-Sender zu entwickeln und die dazu notwendigen Empfangsanlagen zu bauen. Die Ausführung konnte erst Mitte 1948 erfolgen, bedingt durch den Umfang und die Schwierigkeit des Auftrages.

In der Zwischenzeit behalf man sich mit zwei ehemaligen deutschen Wehrmachtssendern mit 20 und 5 kW Leistungsstärke, die am 1. November 1947 einsatzbereit waren.

Vorerst behelfsmäßig, wurde eine Zentrale und eine Funkempfangsstelle für Telegraphie in Frankfurt-Eschersheim in einem früheren Lehrlingsheim der Oberpostdirektion in der Kurhessenstraße eingerichtet. Die von der privaten amerikanischen Nachrichtengesellschaft ATT übernommenen fahrbaren Sende- und Empfangseinrichtungen für den Überseefunkverkehr wurden auf einem Wiesengelände hinter der Kaserne in Frankfurt-Bonames sowie im Praunheimer Wäldchen aufgebaut.

Am 1. März 1948 wurde von der Hauptverwaltung für das Post- und Fernemeldewesen das Funkamt Frankfurt gegründet. Zeitgleich gab die US-Luftwaffe das 121 ha große Gelände des von ihnen nun nicht mehr benötigten Militärflugplatzes Eschborn zur Verwendung für eine Überseefunkstelle frei. Nach einer verhältnismäßig kurzen Einrichtungszeit begann am 30. August 1948 von dort aus der Empfang der ersten Funksignale aus den USA. Aus funktechnischen Gründen konnte in Eschborn nur empfangen werden. Die Sendeeinrichtungen zur Übermittlung der Funksignale in Richtung Übersee standen auf dem ehemaligen Flugplatz Merzhausen bei Usingen und in Frankfurt-Bonames in der Homburger Landstraße. Eine Zusammenlegung der Empfangs- und Sendestellen war wegen der damit verbundenen Frequenzstörungen nicht möglich. Es musste ein möglichst großer räumlicher Abstand zwischen den beiden Stationen bestehen.

Die zum Empfang notwendigen hohen Antennen wurden auf dem früheren Flugfeld in Eschborn errichtet, etwa 30 Holzmaste mit Drahtantennen in Rhombusform, die bis zu 30 Meter hoch waren, dazu vier sog. Richtwände, ebenfalls Antennen mit besonderer Leistungsstärke.

Das erste von der Deutschen Post übermittelte Überseegespräch wurde am Montag, 2. Februar 1948 im Beisein von offiziellen Vertretern der Militärregierung und der Hessischen Landesregierung, die durch Staatssekretär Schubert vertreten war, geführt.

Im Jahre 1948 wurden täglich bis zu 700 Gesprächsminuten mit den USA abgewickelt. Von Deutschland aus waren private Telefongespräche nur US-Bürgern erlaubt, deutsche Staatsangehörige durften nur geschäftlich mit Übersee telefonieren. Etwa die Hälfte aller Gespräche wurden von US-Armeeangehörigen geführt, die mit ihren Familien zu Hause sprachen. Sie mussten oft bis zu 24 Stunden auf ihr vorher angemeldetes Gespräch warten, da die Kapazität der Sende- und Empfangsanlagen beschränkt war. Der in den USA gewünschte Teilnehmer wurde vorher von hier aus angerufen, wobei ihm mitgeteilt wurde, wann er mit dem Gespräch aus Deutschland zu rechnen habe; er musste sich dann am Telefon bereithalten. Wenn alles klappte, konnte dann das Dreiminutengespräch geführt werden. Oft kam es allerdings zu atmosphärischen Störungen, die den gesamten Zeitplan durcheinander brachten. Anfangs musste alles in US-Dollar bezahlt werden, später kostete ein drei Minuten dauerndes Telefonat DM 50,40.

Bereits im August 1948 wurde eine für damalige Verhältnisse moderne, aber auch sehr teure Sprachverschlüsselungsmaschine angeschafft, damit man die Überseetelefonate nicht abhören konnte. Die Kosten der Anlage beliefen sich auf die immense Summe von l ,3 Millonen DM!

Bei der Überseefunkstelle Eschborn, später in Funkamt Eschborn umbenannt, waren bis zu 175 Personen beschäftigt. Zu Beginn wickelten sie täglich etwa 75 abgehende und 50 ankommende Gespräche ab; die Zahlen stiegen im Laufe der Jahre erheblich an, da die Leistungsstärke der Anlagen immer mehr den wachsenden Bedürfnissen angepasst wurde, so wurden z. B. am Muttertag des Jahres 1950 über 340 Gespräche vermittelt. Viele GIs wollten an diesem Tag mit ihrer Mutter in den USA telefonieren.

Ab Mai 1950 war der Übersee-Telefonverkehr auch für alle Deutsche freigegeben und keinerlei Beschränkungen mehr unterworfen. Zum Jahreswechsel 1949/50 schrieb ein Kommentator in der FAZ (30.12.1949) ganz enthusiastisch „Frankfurt ist fernmeldetechnisch gesehen die am modernsten eingerichtete Stadt der Bundesrepublik", womit er vielleicht sogar heute noch Recht haben dürfte.

Die 50er Jahre brachten eine starke Ausweitung des hauptsächlich auf Nordamerika beschränkten Telefonverkehrs von Eschborn aus. Bis 1958, als das erste Telefon-Überseekabel nach USA verlegt wurde, und noch bis in die erste Hälfte der 60er Jahre wurden fast alle Telefonate von und nach Westdeutschland über die Funk-Empfangsanlage Eschborn geführt. Außer Nordamerika gab es aber ebenso Möglichkeiten via Eschborn in andere Teile der Welt zu telefonieren, so bestanden z. B. Direktverbindungen nach Accra, Addis-Abeba, Bagdad, Djakarta, Kairo, Mexico-City, Monrovia, Pretoria, Tanger oder Tokio. Erst allmählich ging die Zahl der über Funk abgewickelten Telefonate zurück. Aber noch 1966 dachte man an einen großzügigen Ausbau der Eschborner Einrichtung. Die Deutsche Bundespost befürwortete so im Dezember 1966 einen Ankauf des gesamten ehemaligen Flugplatzgeländes Eschborn für rund 1,51 Millionen DM, obwohl durch die steigenden elektronischen Störungen des Funkbetriebes im dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet immer häufiger an eine Verlegung der Anlagen gedacht war. Allerdings fand man kein dazu geeignetes Ersatzgelände.

Als schließlich im April 1970 die Übersee-Funk-Empfangsstelle Eschborn des Fernmeldeamtes Eschborn, das ab 1972 in Fernmeldeamt Taunus mit Sitz in Eschborn umbenannt wurde, geschlossen wurde, waren davon nur noch 23 Beschäftigte betroffen. Die letzten Aufgaben der Eschborner Stelle wurden nach Lüchow (Kreis Lüchow-Dannenberg) in Niedersachsen verlagert, wo ebenfalls bereits Jahre vorher eine Funkstelle eingerichtet worden war.

Allerdings hatte man im Oktober 1970, noch mitten im Kalten Krieg, daran gedacht, die Eschborner Anlage als sog. „dezentralen Letztweg" für den Auslandstelefon- bzw. Funkverkehr auszubauen. Im Klartext: im Kriegsfalle, bei Zerstörung des herkömmlichen Telefonsystems, hätte man von Eschborn aus bis zum Schluss versucht, die Telekommunikation innerhalb des Landes und zwischen Deutschland und dem Ausland

aufrechtzuerhalten. Aber auch diese Pläne wurden nicht verwirklicht. Heute sind die Antennen abgebaut, die Deutsche Telekom hat die Gebäude auf dem ehem. Flugplatz Eschborn, darunter auch den letzten großen Flugzeughangar aus der Zeit der deutschen Luftwaffe, verlassen. Sie stehen leer und die Natur hat, in Form des neu geschaffenen Arboretums, die großen Freiflächen des früheren Flugfeldes zurückerobert. Dort wachsen heute Bäume.

Quellen:
Bundesarchiv   Koblenz,   Bestand  B   257 (Bundesministerium für Post und Telekommunikation), Bestand B 243 (Posttechnisches Zentralamt)

FAZ-Archiv, Frankfurt/Main

Stadtarchiv Eschborn

Mündliche Informationen durch Herrn Bruno Lenhart, Eschborn, dem dafür herzlich zu danken ist.

 

Aus: Zwischen Main und Taunus / MTK-Jahrbuch 2002 – mit freundlicher Genehmigung des Autors
25.6.05