Die Bevölkerung von Niederhöchstadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts
(nach dem ältesten erhaltenen Kirchenbuch von Schwalbach/Niederhöchstadt)
von Prof. Dr. Theodor Niederquell +

Kirchlich war Niederhöchstadt ein Filial von Schwalbach, d.h. der Ort besaß eine Pfarrei mit Pfarrkirche, Taufstein und Kirchhof, mit Kirchenvermögen und entsprechenden Einkünften sowie einem Besoldungsfonds für Pfarrer und Küster, hatte aber keinen eigenen Pfarrer und wurde von Schwalbach aus mitversehen.

Die tägliche Messe und das sonntägliche Hochamt hielt der Pfarrer in Schwalbach. Zu den in die Niederhöchstädter Kirche gestifteten Messen, Gottesdiensten aus besonderem Anlaß und personenbezogenen Amtshandlungen hatte er sich nach Niederhöchstadt zu begeben. Dafür empfing er die hier zur Verfügung stehende Pfarrerbesoldung in Höhe von 18 Gulden, 18 Malter Korn und drei Ohm Wein jährlich. Zum Schwalbacher Pfarrsprengel gehörte außerdem die aus 10 Haushaltungen bestehende Gemeinde Mammolshain.

Pfarrei Schwalbach/Niederhöchstadt
Eintragungen im Kirchenbuch

Der früheste Eintrag im ältesten erhaltenen Kirchenbuch von Schwalbach/Niederhöchstadt — es gab ein im Jahre 1639 begonnenes älteres, das erst in neuerer Zeit verloren ging — steht im Taufregister unter dem 6. November 1685, der letzte ebendort unter dem 5. November 1723. Das Kirchenbuch umfaßt also ziemlich genau einen Zeitraum von 38 Jahren. Diese Spanne von etwa einer Generation reicht jedoch nicht aus, um alle Einwohner von Niederhöchstadt während der genannten Zeit sicher belegen zu können: dafür wären etwa 90 Jahre nötig. Dennoch wäre die Anzahl der nicht zu Erfassenden so gering, daß sie statistisch nicht sehr ins Gewicht fiele, könnte man sich im übrigen auf die Vollständigkeit und Korrektheit der Angaben verlassen.

Dies ist erfahrungsgemäß nie der Fall und läßt sich auch in unserem Beispiel an deutlichen, über mehrere Monate reichenden Lücken nachweisen. Zunächst rührt der Mangel von dem häufigen Pfarrwechsel und von mehreren Perioden der Vertretung durch ortsfremde Geistliche her. Hinzu kommt Krankheit, Altersschwäche und Nachlässigkeit einzelner Pfarrer, schließlich Irrtümer und Verwechslungen bei der Angabe von Namen, Verwandtschaftsverhältnissen und Herkunftsorten.

Die chronologische Einschreibung von Amtshandlungen für drei Gemeinden — Schwalbach, Niederhöchstadt und Mammolshain — läßt öfter eine deutliche Unterscheidung vermissen, zumal mehrere Familiennamen an zwei Orten gelegentlich noch mit denselben Vornamen vorkommen. Neu eingeführte Pfarrer informieren sich genau über die Familien Verhältnisse der Personen, an denen sie Amtshandlungen vorzunehmen haben; ihre Angaben pflegen korrekt und ausführlich zu sein. Später glaubt der Pfarrer zu wissen, wen er vor sich hat. Er fragt nicht mehr nach und irrt sich laufend. Haus- und Übernamen sowie ähnliche und sicher nie dem Taufnamen vollständig entsprechende Vornamen sind üblich und tragen zusätzlich zur Verwirrung bei. Veranlassungen zu fehlerhaften Einträgen sind zahlreich und nur in einigen Fällen korrigierbar. In den meisten machen sie eine zweifelsfreie Zuweisung unmöglich. Nur sporadisch, keinesfalls in der Regel, geben die Einträge Stand oder Beruf der behandelten Personen preis. Je außergewöhnlicher die Umstände der Einschreibung oder die der Betroffenen sind, desto größer ist die Chance, daß man Einzelheiten erfährt. Erst wenn man sich an Eigenheiten einzelner Pfarrer gewöhnt hat, werden Rückschlüsse möglich. Vieles bleibt in der Schwebe.

Die Auswertung von Kirchenbüchern zumal aus dem ländlichen Bereich, wo nur in seltenen Fällen ergänzende Nachrichten aus anderen Quellen hinzukommen, ist immer mit einem leider nie genau bestimmbaren Unsicherheitsfaktor belastet. Trotzdem soll eine Darlegung von Ergebnissen unter qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten versucht werden, obwohl im Rahmen dieser Festschrift auf die Auflistung des gesamten Namenmaterials verzichtet werden muß.

Arten der Einträge: Taufe, Trauung, Tod
Der übliche Taufeintrag einer ehelichen Geburt enthält:

1. das Datum des Taufaktes
2. den Vornamen des Täuflings
3. den Vor- und Zunamen, gelegentlich auch Stand und Beruf des Vaters
4. den Vornamen der Mutter
5. den Vor- und Zunamen, gelegentlich auch Stand oder Beruf des Paten, bei Auswärtigen auch den Herkunftsort.

Bei unehelichen Geburten erscheint in Abweichung zu dem obigen Schema zuerst der Name der Mutter, gefolgt von deren Angaben zum leiblichen Vater des Kindes: dessen Vor- und Zuname, Beruf oder Stand und Aufenthaltsort, gegebenenfalls Auslassungen zu den besonderen Umständen.

Im Falle einer Nottaufe fügte der Pfarrer hinzu, durch wen und warum sie vorgenommen werden mußte. Getauft wurde üblicherweise am ersten oder, wenn die Niederkunft erst gegen Abend eintrat, am zweiten Lebenstag des Neugeborenen. In Niederhöchstadt konnte es auch einmal ein oder zwei Tage später werden. Der Pfarrer hat eigentlich im Kirchenbuch das Datum der Amtshandlung festzuhalten, nicht den Tag des natürlichen Vorgangs der Geburt. Für gewöhnlich steht dafür der lateinische Ausdruck ,,baptizare".

Der übliche Traueintrag enthält:

1. das Datum der Eheschließung
2. den Vor- und Zunamen der Eheleute, gelegentlich Stand oder Beruf des Bräutigams bzw. der Eltern der Braut
3. die Namen der Zeugen, gelegentlich auch Stand oder Beruf und das verwandtschaftliche Verhältnis zu den Eheleuten, bei Auswärtigen deren Herkunftsort.

Um zu verhindern, daß später aus formalen Gründen die Gültigkeit der Ehe angefochten werden konnte, war der Pfarrer verpflichtet, anzumerken, daß das ordnungsgemäße dreimalige Aufgebot stattgefunden hatte und eine Dispens des Vikariats in Mainz vorlag, wenn die Brautleute in einem verbotenen Grade miteinander verwandt waren. Die Auflistung der Zeugen geschah mit ganz unterschiedlicher Ausführlichkeit. In einzelnen Fällen sind — nach den beiden Parteien getrennt — ein Dutzend Namen mit detaillierten Zusätzen aufgeführt, in anderen beschränkt sich der Pfarrer auf die Feststellung, daß mehrere glaubwürdige Zeugen aus der Verwandtschaft und Freundschaft beider Seiten — ohne Namensnennung — dabeigewesen seien. Die erstgenannte Art ist eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion von Familienzusammenhängen.

Der Schultheiß des Ortes, an dem die Trauung stattfand, pflegte bei Ehen von Einwohnern an der ersten Stelle zu stehen. Die Hochzeit fand üblicherweise am Wohnort der Braut statt und wurde von deren Familie ausgerichtet. Diese Gepflogenheit ist für zahlreiche Lücken in den Familienzusammenstellungen verantwortlich, da die Ehen Niederhöchstädter Einwohner mit ortsfremden Frauen auswärts geschlossen wurden. Geschah es in Schwalbach oder in Mammolshain, ist es aus demselben Kirchenbuch leicht nachweisbar, sonst ist man auf Vermutungen angewiesen. Ausnahmen sind die Trauungen von zwei Niederhöchstädtern aus den Familien Roos und Schütz mit unkatholischen Frauen aus dem Nassauischen. Eine stammte aus einem unleserlichen Ort des Fürstentums Nassau-Usingen, die andere aus Walsdorf im Fürstentum Nassau-Idstein. Von beiden ließ sich der Pfarrer in Anwesenheit von Zeugen auf Geheiß des Vikariats versprechen, daß sie in einem bestimmten Zeitraum zur katholischen Konfession übertreten würden.

Der übliche Eintrag im Totenbuch enthält:

1. das Datum des Todes oder der Beisetzung (in seltenen Fällen alle beide)
2. den Vor- und Zunamen des Verstorbenen, gelegentlich auch Stand oder Beruf; bei Frauen den Namen des Ehemannes; bei Kindern, die noch nicht zur Erstkommunion gegangen sind, erscheint der Vorname unter Zusatz des Vor- und Zunamens des Vaters und des Vornamens der Mutter
3. die Altersangabe
4. bei Erwachsenen die Anmerkung, ob sie „versehen" (mit der Heiligen Wegzehrung) oder ,,unversehen" gestorben seien. Im letzteren Falle folgen teilweise ausführliche Erläuterungen, warum es unterblieben ist.

Nur ungewöhnliche Todesursachen wie Unfalltod, epidemische Krankheiten oder plötzliches Sterben (Schlaganfall) werden angegeben, vornehmlich dann, wenn sie als Begründung für unterbliebenen geistlichen Trost dienen sollen. Ausführungen, die man im weitesten Sinne als Nachrufe bezeichnen könnte, sind selten. Allenfalls wird daraufhingewiesen, daß es sich bei dem Verstorbenen um einen guten Christen, einen Frommen oder Wohltäter der Armen oder einen im Leiden Geduldigen gehandelt habe. Deutlich als Auszeichnung ist es gemeint, wenn der Pfarrer ein ,,requiescat in pace" hinzusetzt.

Außer diesen drei im Kirchenbuch einzuschreibenden Kategorien von personenbezogenen Amtshandlungen gibt es weitere Arten von Einträgen, von denen aber nur zwei zusätzliche Informationen über Ortsbewohner vermitteln: eine Auflistung der in der Niederhöchstädter Kirche gestifteten Messen und ein unvollständiges Verzeichnis von Firmungen, die außerhalb des Pfarrsprengels (in Höchst oder Sossenheim) Niederhöchstädtern gespendet wurden. Sie wurden ebenfalls ausgewertet.

Von Einwohnern und Beiwohnern

Nach der Übernahme des reichsritterschaftlichen Territoriums der ausgestorbenen Kronberger durch Kurmainz im Jahre 1704 wurde in dem neuerworbenen Gebiet eine genaue Feststellung der herrschaftlichen Rechte durchgeführt. Es geschah durch die Befragung wohlinformierter Personen in 66 Punkten. Dabei wurde unter 3. für Niederhöchstadt die Zahl von 30 Haushaltungen angegeben. (An anderer Stelle desselben Protokolls ist die Rede von 32 bewohnten Häusern, aus denen ein jährliches Rauchhuhn abgeliefert werde, eine Angabe, die der vorangehenden nicht widersprechen muß.) 28 der Haushaltungsvorstände — Männer und Witwen — waren Vollbürger (Nachbarn, Einwohner oder lat. incolae, cives) und nur zwei Beisassen oder Beiwohner (lat. accolae). Es gab also den Unterschied zwischen Einwohnern und Beiwohnern; solchen, die uneingeschränkt an allen Rechten und Pflichten gegenüber dem Landesherrn und der Gemeinde teilnahmen, und solchen, bei denen es nur mit Einschränkungen der Fall war.

Das Zahlen-Verhältnis deutet jedoch auf unübliche Gegebenheiten hin. Sie erklären sich aus der Antwort zu den zusammengefaßten Fragen 9. — 11., in der als einzige Voraussetzung für die vollberechtigte Zugehörigkeit zur Ortsbewohnerschaft in Niederhöchstadt ein Aufnahmegeld von einem Reichstaler für die Herrschaft vermerkt ist. Die Entrichtung dieser relativ geringen Geldsumme war demnach ausschlaggebend für den Status des Einwohners, nicht die Nutzung eines bäuerlichen Anwesens einer bestimmten Größenordnung. Sie konnte unschwer auch von Personen aufgebracht werden, deren Einkommensgrundlage nicht ausschließlich auf landwirtschaftlicher Produktion beruhte, sondern sich aus anderweitiger Haupt- oder Nebenbeschäftigung ergab.

Demnach müssen wir davon ausgehen, daß es eine größere Gruppe von Niederhöchstädtern gab, die Bauern, die — wie auch sonst allgemein üblich — allein den Schultheißen und die sieben Gerichtsschöffen stellten, da sie allein über die Möglichkeit zur Bereitstellung gemeinsam zu erbringender Leistungen verfügten, wie in erster Linie der Spanndienste. Andererseits konnten auch nur sie sinnvollen Gebrauch von bestimmten Nutzungsrechten der Gemeinde machen, die beispielsweise für den Schulmeister, auch wenn er seinen Reichstaler Einzugsgeld gezahlt hatte, wertlos waren.

Wie die Praxis bei der Aufnahme in das Einwohnerrecht aussah, ergibt sich ebenfalls aus der Befragung, in der es heißt: „mit Ihrem wissen (der Befragten) seye noch kein frembter eingezogen, hingegen werdte doch von jedem gebohrnen auß dem fleckhen, wan er zum Nachbahrn angenehmen wird", der besagte Reichstaler erhoben. Es wurde eben einfach kein Fremder zugelassen, nur Söhne von Niederhöchstädtern (und nachweislich von auswärts einheiratende Schwiegersöhne) hatten Anspruch auf das Bürgerrecht. Dazu sind alle die hinzuzurechnen, die die Gemeinde für qualifizierte Aufgaben brauchte und die mit Sicherheit keine bäuerliche Betätigung ausübten. Man blieb unter sich, und die Herrschaft in Kronberg hatte nichts dagegen einzuwenden, da sie durch die Zahlung bei der pro-forma-Einbürgerung der erwachsenen Niederhöchstädter für die Einkünfte aus dem Recht der „Aufnahme" völlig entschädigt wurde. Für die wenigen Hinzukommenden zahlte sich die Aufnahme in das Einwohnerrecht wohl eher gesellschaftlich als wirtschaftlich aus. Wer dazu die Mittel nicht aufbringen konnte, mußte sich mit dem Beisassenstatus begnügen. Wenn sie nicht aus ganz anderen Gründen dabei blieben, hätte es 1704 nur zwei Familien gegeben, die unterhalb eines gesicherten Existenzniveaus anzusiedeln wären.

Verstärkter Zuzug von auswärts

Diese Praxis änderte sich mit der Einbeziehung von Niederhöchstadt in das größere Territorium des Kurfürstentums Mainz und der Überwindung der reichsritterschaftlichen Kleinräumigkeit. Sie verursachten eine Bewegung in der Bevölkerung. Während sich die Zahl der alteingesessenen Familien bis 1723 nicht wesentlich erhöhte, nahm der Zuzug von auswärts deutlich zu. Neue Namen nach 1704 sind Becker, Frey, Humm, Junghenn (aus Eschborn), Rammelauer, Schenck (aus Oberursel?), Schmidt und Weil (aus Schwalbach). Für keinen der Zuziehenden ist ein Beruf angegeben, dennoch wird nur ein Teil eingeheiratet haben, bei den übrigen ist eine handwerkliche oder sonst nichtlandwirtschaftliche Betätigung anzunehmen.

Die durchschnittlich mit fünf angesetzte Zahl der zu einem Haushalt gehörigen Personen ergäbe für die Befragung von 1704 etwa 150 Einwohner für Niederhöchstadt. Die Zählung nach dem Kirchenbuch bleibt zwar deutlich darunter, ist aber den Mängeln dieser Quelle anzulasten. Davon kamen etwa 33 Haushaltungen auf die Bauern, denen die der beiden Beisassen, des Schulmeisters, der beiden Hirten, des Müllers und des Bäckers hinzuzurechnen wären. Damit erhöhte sich die Zahl auf rund 40. Das läßt sich mit der Angabe von 33 bewohnten Häusern und 30 Haushalten in Einklang bringen, wenn man annimmt, daß die über die örtlichen Gegebenheiten des Jahres 1704 Befragten im Hinblick auf zu leistende Dienste untertrieben und größere Familien, bestehend aus Eltern mit erwachsenen Söhnen und deren Familien, die unter einem Dach lebten und aus einer Küche verpflegt wurden, als eine Einheit zählten. Für die Gesamteinwohnerzahl im Jahre 1723 lassen sich etwa 55 Haushaltungen mit etwas weniger als 250 Personen feststellen. 33 Familieneinheiten mit rund 170 Personen entfallen davon auf die Bauern, der Rest auf alle übrigen. Auch hier ist mit einer, allerdings prozentual geringeren Dunkelziffer als im Jahre 1704 zu rechnen. Besonders benachteiligt sind die nicht schon länger ansässigen Bevölkerungsteile, deren vor dem Zuzug geborene Kinder nur gelegentlich mit ihren Namen auftauchen. Weitere stärker ins Gewicht fallende Unsicherheitsfaktoren sind die fehlenden Hinweise auf nach auswärts heiratende Töchter und das generell unsorgfältig geführte Totenbuch, das speziell die Begräbnisse von Kleinkindern übergeht.

Bauern — die größte Bevölkerungsgruppe

Wegen der besonderen Verhältnisse in bezug auf das Bürgerrecht in Niederhöchstadt ist auf diese Bezeichnung zurückzugreifen. Sie soll die Gruppe der Bevölkerung umschreiben,
— die ihren Lebensunterhalt ausschließlich durch landwirtschaftliche Betätigung bestritt,
— die fast allein die Pflichten und Lasten gegenüber dem Landesherrn und der Gemeinde zu tragen hatte,
— der fast allein die Nutzungsrechte in der Gemarkung zustanden,
— die den Schultheißen und die sieben Gerichtsschöffen stellte,
— die zahlenmäßig und nach dem politischen und wirtschaftlichen Gewicht eigentlich die Gemeinde ausmachte, selbst dann, wenn sie nicht alleinige Inhaberin des Vollbürgerrechts am Ort war.

Für das Jahr 1704/05 gehörten dazu die Familien Adam, Bauer, Bender, Börner, Brech, Conradi, Eckel, Faust, Gangolph, Henrich, Krill, Matthes, Michaelis, Rips, Roos, Rudolph und Schütz. Drei davon (Bauer, Gangolph und Michaelis) standen damals vor dem Erlöschen. Conradi aus Oberhöchstadt und Krill aus Schwalbach waren kürzlich durch Einheirat hinzugekommen. Schultheiß war Michael Adam, der Schwiegersohn seines Vorvorgängers Johannes Schütz. Die Gerichtsschöffen des Jahres 1704 dürften gewesen sein: Philipp Henrich, Wilhelm Roos, Johann Kaspar Roos, Johannes Rudolph, Balthasar Schütz, Johann Philipp Schütz und Johann Peter Schütz. Wollte man aus diesem Kreis noch einige Namen als gewichtig hervorheben, hätten sicher die Familien Adam, Brech, Faust, Henrich, Matthes, Rips, Roos und Schütz, besonders letztere, darauf Anspruch.

Die Beisassen

Sie sind Tagelöhner gewesen, die — auch über den Bereich der Gemeinde hinaus — dem Arbeitsanfall des Jahresverlaufs angepaßt, mehr oder weniger regelmäßig, ihre Leistung einsetzten. Gewöhnlich verfügten sie über ein kleines Häuschen, ein Stück Gartenland, ein Schwein und Kleinvieh, die ihnen in sehr bescheidenem Maße Unabhängigkeit von krassen Konjunkturschwankungen ermöglichten. Die beiden Beisassen des Jahres 1704 waren Anna Milges, eine Witwe mit einem verwaisten Enkelkind, offenbar eine arme alte Frau (geboren 1639), und Ludwig Rock, dem, als er selbst schon verwitwet war, im Jahre 1715 zwei Kinder im jugendlichen Alter starben.

Die Schulmeister

Während der Laufzeit des ersten Kirchenbuchs gibt es Belege über sechs Lehrer in Niederhöchstadt. Nur der aus Schwalbach stammende Johann Jakob Abel hat längere Zeit in Niederhöchstadt ausgehalten, was mit der Nähe zu seinem Elternhaus zusammenhängen mag, aus dem ihm zusätzlich zu seinem Gehalt weitere Unterstützung in Form von Naturalien zugeflossen sein könnten. Er wechselte nach 1719 auf die Lehrerstelle seines Heimatortes über, die ihm möglicherweise schon längere Zeit in Aussicht gestellt war und starb bereits 1722 in Schwalbach.

Tobias Specht ist durch Personenstandsnachrichten zwischen 1688 und 1692 belegt; für die vier restlichen (N. Bender, Peter Sonntag, Johannes Dilos und Johann Valentin Bommersheim) gibt es nur jeweils einen Eintrag im Kirchenbuch. Selbst wenn dies alle Inhaber des Lehreramtes in Niederhöchstadt im genannten Zeitraum gewesen sind, deutet ihre Anzahl auf einen häufigen Wechsel, der mit einiger Sicherheit auf die spärliche Dotierung zurückzuführen ist. Gute Lehrer waren gefragte Leute, die sich leicht durch ein höheres Gehalt abwerben ließen.

Die Hebammen

Am 16. Dez. 1713 wurde die Hebamme Barbara Jungmann in Niederhöchstadt begraben. Der Name kommt sonst nicht vor; sie könnte eine nach auswärts verheiratete Niederhöchstädterin gewesen sein, die als Witwe in die Ortsgemeinschaft zurückkehrte, denn Ansehen und Vertrauen waren neben der vom Landphysicus überprüften und approbierten Geschicklichkeit Voraussetzungen für die Wahrnehmung ihrer Aufgabe. Selbst ein kleines Dorf konnte auf eine Geburtshelferin nicht verzichten, die zu jeder Tages- und Jahreszeit in greifbarer Nähe sein mußte. In Niederhöchstadt konnte eine Frau wohl kaum ihren Unterhalt mit den geringen Gebühren bestreiten, die sie von den Wöchnerinnen erhielt. Oft genug werden sie nur in Naturalien entrichtet worden sein. Im Zusammenhang mit Nottaufen ist im Kirchenbuch öfter von der Hebamme die Rede, die für solche Fälle besondere Anweisungen des Pfarrers zu befolgen hatte.

Die Schäfer und Hirten

Das Recht, eine Schafherde in der Gemarkung von Niederhöchstadt hüten zu lassen, lag bei der Herrschaft. Das pflegt so zu sein, üblich ist aber auch, daß dieses Recht — mit gelegentlichen Auflagen und Einschränkungen — der Gemeinde gegen eine pauschale Vergütung in Geld oder Naturalien überlassen wurde. Ein wichtiges Nebenprodukt der Schäferei für die Obrigkeit bestand in der Möglichkeit, durch das nächtliche Schlagen des Pferchs die Herrenländer in der Gemarkung zu düngen. Da es im Niederhöchstädter Feld kein Herrenland gab, das in Eigenwirtschaft bebaut wurde, kam das wertvolle Nebenprodukt dem Gartenland der Einwohner zugute.

Die nach der üblichen Handhabung des zugegebenen Herrenrechts auf die Schäferei Befragten hielten sich mit ihren Antworten auf präzise Fragen auffällig zurück. Daraus geht hervor, daß die Kronberger von ihrem Recht keinen Gebrauch gemacht haben, und eine Gegenleistung der Gemeinde in Vergessenheit geraten war. Man sprach von einer vertretbaren Schafherde von 300 Stück; im Augenblick gebe es 200, „welche aber den Untertanen allein zuständen". Der Trieb gehe in die Gemarkung. Über den Anspruch auf den Pferch schwieg man sich bewußt aus. Gerade der interessierte die kurmainzische Hofkammer besonders. Aus einer erneuten Anfrage und wiederum unvollständigen Antwort kristallisierte sich eine Bemerkung am Rande des Befragungsprotokolls heraus, die definitiv feststellte, daß es nie eine gesonderte herrschaftliche Schäferei neben einer der Gemeinde gegeben habe. Der behauptete Anspruch der Niederhöchstädter, eine Herde halten zu dürfen und den Pferch zu nutzen, sei unbegründet und könne von der Herrschaft jederzeit widerrufen werden. Danach wird sich in der Praxis nichts geändert haben, aber die Hofkammer ließ sich die Überlassung des festgestellten Herrenrechts in irgendeiner Weise vergüten. Der Schäfer war demnach ein Angestellter der Gemeinde. Daneben hielt die Gemeinde einen Rinderhirten. Das Kirchenbuch kennt für diese Stellungen mehrere lateinische Ausdrücke.

Friedrich Meyer und Johann Konrad Weil sind „subulcus" genannt, was meist Schweinehirt bedeutet. Johannes Weidenhöfer dagegen ,,pastor" mit den Erweiterungen ,,pastor pecudum", „utriusque gregis pecudum pastor" und ,,gregis utriusque pastor". Sein Sohn Johann Kaspar und sicher auch Nachfolger in derselben Position heißt hingegen „bubulcus" = Rinderhirt, und Wilhelm Brandt firmiert als „opilio" = Schäfer oder Schafhirt. Brandt hatte sogar einen Gehilfen, Nikolaus (ohne Zunamen), der als „famulus opilionis" 1720 bei einem Sohn des Michael Schmitt Pate stand. Die Bezeichnungen sind unpräzise und variieren mit den lateinischen Ausdrucksmöglichkeiten der Pfarrer. Realistisch ist die Annahme eines Gemeindeschäfers (mit Hütejungen) und eines Rinderhirten. Eventuell hatte der ältere Weidenhöfer die Oberaufsicht über beide Herden und der Schäfer unterstand seiner Kontrolle.

Wegen des festen Dienstverhältnisses war die Stellung des Schäfers und des Hirten innerhalb der Gemeinde nicht ungünstig, obwohl die Vergütung fast ausschließlich in freier Wohnung, der Nutzung von Stücken des Gemeindelandes und der Erlaubnis bestand, eine Anzahl von eigenen Tieren mit der öffentlichen Herde gehen zu lassen. Sie hatten ihr gutes Auskommen. Die soziale Einschätzung hingegen war gering; man unterstellte generell Unterschlagung von Vieh und andere Betrügereien. Das nötigte die Hirten zu ehelichen und gesellschaftlichen Verbindungen untereinander, die auch durch das Niederhöchstädter Kirchenbuch bestätigt werden.

Die Müller

Drei Namen von Müllern und ihren Familien sind für Niederhöchstadt im Kirchenbuch überliefert: 1692 lassen der Müller Philipp Leineweber und seine Ehefrau Marie Magdalene, deren Herkunftsangabe leider nicht lesbar ist, da sie mit verblaßter Tinte nachgetragen wurde, einen Sohn taufen. 1705 und 1708 werden zwei Töchter des Müllers Johann Konrad Bindinger getauft, von denen die jüngere Anna Margarethe als Zweijährige im Mühlengraben ertrank. Bindinger ist ausdrücklich als Lutheraner bezeichnet, dennoch war er als Pate in der Gemeinde beliebt. Weiter heißt es von ihm, er lebe „extra pagum", also außerhalb des Dorfes, so als könne die Wohnlage die Zugehörigkeit eines Nichtkatholiken zur Pfarrei rechtfertigen. Ihm folgte Johann Nikolaus Kreiner, wahrscheinlich ein Sohn des Schwalbacher Nachbarn Friedrich Kreiner, der zwischen 1714 und 1724 als Müller in Niederhöchstadt nachweisbar ist.

Der relativ schnelle Wechsel unter den sicher nicht miteinander verwandten Inhabern der Mühle erklärt sich aus dem unüblichen Rechtsverhältnis, in dem sie zur Herrschaft stand: sie war Eigentum. Gebäude und Einrichtungen gehörten also dem Müller, der sie durch Verkauf in andere Hände weitergeben konnte. Der Herrschaft waren nur jährlich vier Malter Korn für die Nutzung des Wassers zu entrichten. Da der Müller seinen Betrieb auf eigenes Risiko führte, gab es auch keinen Mühlenbann, der ihm etwa die gesamte Einwohnerschaft des Ortes als Kundschaft gesichert hätte. Da weiter mit einer das ganze Jahr über ausreichenden Wassermenge des Westerbachs zum ununterbrochenen Mühlenbetrieb nicht zu rechnen ist, kann er nicht sehr ertragreich gewesen sein. Das hatte einen häufigen Besitzerwechsel zur Folge.

Die Bäcker

1715 treten Johann Peter Flemming und eine Marie Margarethe Flemming — vermutlich seine Ehefrau — als Paten auf; Johann Peter unter der Bezeichnung „communis pistor", die ihn deutlich in seiner Funktion von den sonst genannten Bäckern abhebt, „communis pistor" steht für Gemeindebäcker. Es gab ein öffentliches Backhaus für die Bürger des Ortes, zu dessen Besorgung und Beaufsichtigung die Gemeinde einen Angestellten besoldete. Er mußte selbstredend etwas vom Backen verstehen, war aber nicht Bäcker im üblichen Sinne, sondern eher ein Backhausaufseher, der Brennmaterial vorbereitete, anheizte, den ausgeformten, von den Backberechtigten angelieferten Brotteig ausbackte, die fertigen Brote zur Abholung bereit legte und schließlich seine Arbeitsstätte wieder in einen backbereiten Zustand versetzte.

Außerdem sind seit 1710 in Niederhöchstadt drei Angehörige der aus Niederselters bei Camberg kommenden Familie Müsing (Missing), Simon, Ludwig und Johannes, als Bäcker (pistor) nachweisbar. Dem Alter nach könnten sie Brüder gewesen sein, die gemeinsam einen Betrieb führten. Etwa gleichzeitig kommt ebenfalls als Bäcker Johann Philipp Reul vor, dessen Familie ursprünglich aus Eschborn stammte. Er blieb auch in Niederhöchstadt lutherisch und ließ seine Kinder als „accatholicus" taufen.

Die Tätigkeit solcher Bäcker ,,von Profession" in Niederhöchstadt überrascht zunächst. Die geläufige Vorstellung von der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit Backwaren, die von bis weit in das 20. Jahrhundert hineinreichenden Erfahrungen bestätigt wird, ist die, daß im Ort ein oder mehrere Gemeinschaftsbackhäuser den ihnen zugeordneten Haushalten in einem bestimmten Turnus zur Herstellung ihrer Brot Vorräte zur Verfügung standen. Samstags wurde zusätzlich eingeheizt, um jedem Gelegenheit zum Backen von Kuchen und Weißbrot für den Sonntag zu geben.

Wer das Backhaus nicht in Anspruch nehmen wollte oder konnte, ließ gegen Lieferung von Mehl aus der eigenen landwirtschaftlichen Produktion gegen Lohn beim Bäcker backen. Der erhielt für Zutaten und Arbeitsaufwand entweder eine geringe Geldsumme oder einen bestimmten Prozentsatz des eingelieferten Mehls, den er wiederum dazu verwendete, die wenigen Bewohner, die keinen Getreideanbau betrieben, mit Brot zu versorgen. Die Anfertigung von Feinbackwaren aus auswärts angekauftem Weizenmehl wird hinzugekommen sein. Der Kreis der Kunden Niederhöchstädter Bäcker hat möglicherweise über den Ort hinaus gereicht.

Lohnend muß diese Art des Backens gewesen sein, denn sie erforderte einen relativ hohen Investitionsaufwand für den Backofen in einem feuerfesten Gebäude, einen trockenen Lagerraum für das Mehl und einen gleichmäßig temperierten für den Sauerteig. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die Ertragslage gewandelt. 1786 erwog man im Gemeinderat, ob das Backhaus an einen gelernten Bäcker zu verkaufen sei. Man entschied sich dagegen, da ein Bäcker von Profession im Ort kein Auskommen habe und der Gemeindebäcker, der in Niederhöchstadt begütert sei, von der Gemeinde abhängig wäre. (Festschrift zur Einweihung der St. Nikolauskirche, Niederhöchstadt, 1952, Seite 10)

Andere Handwerker

Eher als einen Bäcker hätte man in Niederhöchstadt einen Schmied erwartet. Für einen reinen Hufschmied gab es wohl kaum eine Beschäftigung, da nicht sicher ist, ob es überhaupt ein Pferd im Orte gab. Der Verkehr auf der Straße zwischen Eschborn und Kronberg war nur gering, so daß ein Durchreisender zu Pferd oder Wagen hier keinen Schmied brauchte, den es in den genannten Orten gab. Zur Reparatur von landwirtschaftlichen Geräten aus Eisen mußte man, wie bei allen anderen Notwendigkeiten, die entsprechenden Handwerker in der Nachbarschaft, vornehmlich in Kronberg und Eschborn, in Anspruch nehmen. Als nach dem Anfall des Kronberger Gebietes an Kurmainz ein stärkerer Zuzug eintrat, siedelten sich in geringem Maße auch Hausgewerbetreibende an. 1707 heiratete Andreas Wolfgang, ein aus Hildesheim stammender Leineweber, eine Witwe aus Altenhain und ließ sich in Niederhöchstadt nieder. Als Pate ist zudem ein Wollenspinner Hüll belegt, der ausdrücklich als Niederhöchstädter bezeichnet ist. Trotz des Anwachsens der Gemeinde bis 1723 werden weitere Handwerke nicht genannt.

Die „Ausländer"

Das Bild der Einwohnerschaft eines Dorfes wäre unvollständig, wollte man die nur vorübergehend Anwesenden und die Durchziehenden unberücksichtigt lassen. Auch ihre Spuren finden sich im Kirchenbuch. Fremde Kinder werden in Niederhöchstadt getauft, plötzlich Verstorbene auf dem Kirchhof beigesetzt. Überraschende Geburten sind relativ häufig. Man konnte damals den Zeitpunkt der Niederkunft in den seltensten Fällen genau bestimmen oder auch nur mit einiger Sicherheit schätzen. Gelegentlich wurden auch Schwangere durch Krankheit oder ungünstige Witterung an der Fortsetzung ihres Weges gehindert.

Katholische kurmainzische Untertanen aus Mardorf bei Amöneburg und aus Niederjosbach ließen ebenso ihre in Niederhöchstadt unversehens geborenen Kinder vom örtlichen Pfarrer taufen wie unkatholische „Ausländer" aus Butzbach, Rod an der Weil, Kirchhain, Bauschheim bei Rüsselsheim und Münchholzhausen bei Wetzlar; desgleichen ein hessen-darmstädtischer Soldat, zwei Durchreisende und ein Landstreicher. Alle diese waren mit ihren Ehefrauen unterwegs, konnten zumindest glaubhafte Angaben über ihren Familien- und Konfessionsstand machen und scheuten sich, mit einem ungetauften Neugeborenen den Weg fortzusetzen, der zusätzliche Lebensgefahr für einen Säugling mit sich bringen mußte.

Außerdem kamen zwei Frauen in Niederhöchstadt nieder und ließen ihre Kinder taufen, die zwar vorgaben, verehelicht zu sein, denen der Pfarrer aber nicht recht glaubte. Beider Namen sind nicht protokolliert — es ist nur von fremden Frauen die Rede —, beider Aussagen über den Vater des Kindes mit Vorbehalt aufgenommen und wiedergegeben. Vermutlich handelte es sich um verschleierte uneheliche Geburten. Zwei uneheliche Mütter kamen nach Niederhöchstadt, um dort ihre Kinder zur Welt zu bringen. Die eine aus Hattenheim im Rheingau machte sehr präzise Angaben über den Kindesvater, einen Junggesellen aus Oberhöchstadt, eventuell in der Hoffnung, daß aufgrund ihrer Aussage vom Vikariat in Mainz eine Zwangsehe gestiftet würde. Die andere, offenbar eine Magd, die in Frankfurt in Diensten stand, war nur undeutlich über den angeblichen Vater ihres Kindes informiert. Ein dritter Eintrag über eine uneheliche Geburt könnte sich auch auf ein Niederhöchstädter Mädchen beziehen; ihr Zuname ist nicht lesbar.

Es war eine häufig geübte Praxis, daß geschwängerte Unverheiratete zur Geburt ihre häusliche Umgebung verließen, um anderswo zu gebären, speziell, wenn sie das Kind weggeben wollten. Die relativ geringe Anzahl unehelicher Geburten läßt nicht den Schluß zu, sie seien in Niederhöchstadt nur selten vorgekommen; sie stehen nur nicht im hiesigen Kirchenbuch.

1691 wurde in Niederhöchstadt ein vierzigjähriger Mann aus der Diözese Köln und 1716 der vier Jahre alte Sohn eines Mannes begraben, der sich auf dem Weg aus dem Frankenland nach Worms befand.

Aus: 1200 Jahre Niederhöchstadt - Festschrift zur 1200 Jahr-Feier 1982