Einleitung

Über die Schulhausrevolte allein ist als einem der bedeutenden Ereignisse in Hofheims Geschichte schon oft berichtet worden, natürlich auch von Hofheimer Lokalhistorikern, zum Beispiel von Theodor Schüler, Peter Kunz, Martin Nix, Günther Rühl, Petra Hoffmann und Manfred Becht. In diesem Buch wird die Schulhausrevolte in den Zeitzusammenhang gestellt, d. h. die historischen Bedingungen werden dargestellt, unter denen sie stattfand und es wird gezeigt, was sich daraus auch in Hofheim entwickelt hat. Deshalb ist der Zeitrahmen für diese Publikation von der französischen Revolution 1789 bis zur deutschen Revolution 1848/49 gewählt worden.

Vor allem zwei Gründe sprechen dafür, den Zeitrahmen mit der französischen Revolution zu beginnen:

1. Der Sturz der Feudalherrschaft in Frankreich und die Durchsetzung einer republikanischen Staatsform mit den durch die Verfassung garantierten Menschenrechten förderte auch in Deutschland das Streben nach einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung und veränderte das Selbstbewußtsein der unterprivilegierten Bevölkerung.

2. Die Revolution hatte im Rhein-Main-Gebiet durch die von 1792 bis 1815 dauernden Koalitions- und Befreiungskriege eine fast 23-jährige Kriegszeit zur Folge, die der Bevölkerung Not und Entbehrungen aufbürdeten und die Gemeinden auf lange Zeit mit hohen Schulden belasteten. Die daraus entstandenen sozialen Spannungen beeinflußten auch die Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse.

 

Die mittelbaren Auswirkungen der französischen Revolution von 1789 bekam Hofheim schon 1792 durch das Eintreffen französischer Emigranten und danach durch den Einmarsch französischer Revolutionstruppen zu spüren. Bis zum Jahr 1814 war das Rhein-Main-Gebiet dann immer wieder Schauplatz der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und seinen Gegnern. Dreiundzwanzig Jahre Krieg bedeuteten für die Bevölkerung, die die durchziehenden Truppen versorgen mußte, heute kaum vorstellbare Entbehrungen durch Plünderungen, Zerstörungen, Hunger und Seuchen sowie oft hohe finanzielle Belastungen. Es wird hier versucht, dies an Hand von Dokumenten aus Hofheim darzustellen.

Viele junge Bürger Hofheims mußten in den napoleonischen Kriegen und in den Befreiungskriegen Kriegsdienst leisten. Was dazu in Berichten und Akten zu finden war, wurde hier ebenfalls zusammen gefaßt.

Durch die Neuordnung der deutschen Staaten unter dem Einfluß Napoleons wurde das Kurfürstentum Mainz aufgelöst und Hofheim kam zum Herzogtum Nassau. In dem 1802 bis 1806 neu gebildeten Staat wurden eine Reihe fortschrittlicher Reformen durchgeführt wie die Einführung einer ständischen Verfassung und der Simultanschule sowie eine umfassende Verwaltungsreform. Die Entscheidungsrechte des Herzogs blieben aber weitgehend uneingeschränkt und das Ständeparlament mußte um seine wenigen verfassungsmäßigen Rechte kämpfen. Ein solcher Konflikt, die sogenannte Domänenfrage, wurde auch zum Auslöser für die Schulhausrevolte am 3. Mai 1831.

In den bewegten Zeiten nach der französischen Julirevolution von 1830 war die Hofheimer Schulhausrevolte eine von vielen gewalttätigen Protesten gegen die autoritären Regierungen dieser Zeit, für den Kleinstaat Nassau war sie die größte innenpolitische Herausforderung.

Entsprechend heftig reagierte die Staatsmacht, bis hin zum Militäreinsatz, um für möglich gehaltene revolutionäre Entwicklungen im Keim zu ersticken. Die Bewältigung der Hofheimer Ereignisse war aber auch eine Herausforderung an die Nassauische Justiz, die einen politischen Prozeß mit 30 Angeklagten durchführen mußte. In diesem Buch wird erstmals versucht, alle noch zugänglichen Akten über die Hofheimer Revolte und ihre Folgen auszuwerten.

Es wird auch versucht, die Personen näher zu beschreiben, die mit den damaligen Ereignissen in Hofheim verbunden waren, soweit dies für die lange zurück liegende Zeit noch möglich ist. Dabei treten Familiennamen wie Weiler, Seelig, Westenberger, Kippert, Messer, Krebs, Leicher, Brendel, Weigand, Welk, Hammel und andere hervor, die auch heute noch in Hofheim geläufig sind.

Die Niederschlagung der Revolte führte in Hofheim nicht dazu, daß das Ringen um demokratische Rechte im Volk aufgegeben wurde. Auch nach 1831 wurden eine Reihe von Hofheimer Bürgern wegen der „Teilnahme an politischen Verbindungen und Verbreitung revolutionärer Schriften“ verfolgt und zu Haftstrafen verurteilt. Schließlich lassen sich auch in der Zeit der deutschen Revolution von 1848/49 einige politische Aktivitäten in Hofheim nachweisen.

Bisher unbeachtet blieb z. B., daß das bekannteste Opfer dieser Revolution, der linke Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Robert Blum, nach seinem Bericht Anfang Oktober 1848 in Hofheim Station machte und hier begeistert gefeiert wurde. Der Zeitrahmen des Buches endet mit der Auflösung des Rumpfparlamentes der Nationalversammlung im Juni 1849 in Stuttgart, die das Ende der Revolution besiegelte.