2. Die Lebenssituation der ausländischen Arbeitskräfte
2.1. Bestimmungen für Kriegsgefangene

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Kriegsgefangene aus der Sowjetunion als Helfer bei der Flak, 13.8.1943 (Bildstelle Hanau).

Kriegsgefangene wurden „für kriegswichtige Arbeiten zugeteilt, insbesondere für landwirtschaftliche Arbeiten. Auch kriegswichtige gemeindliche Arbeiten kommen in Betracht". Anträge auf Zuteilung waren beim Arbeitsamt zu stellen, antragsberechtigt waren „Betriebsinhaber, Bürgermeister, Ortsbauernführer". Für die Kriegsgefangenen war an das Kriegsgefangenenstammlager eine Vergütung zu zahlen, für Verpflegung und Unterbringung hatte in der Regel der Betriebsinhaber zu sorgen.

Der Reichsminister des Innern erließ mit Wirkung vom 20. Mai 1940 eine Verordnung über den Umgang mit Kriegsgefangenen.

Sie bestimmte: „Sofern nicht ein Umgang mit Kriegsgefangenen durch die Ausübung einer Dienst- oder Berufspflicht oder durch ein Arbeitsverhältnis der Kriegsgefangenen zwangsläufig bedingt ist, ist jedermann jeglicher Umgang mit Kriegsgefangenen und jede Beziehung zu ihnen untersagt."  Schon ein paar Tage später wurde die Presse als Transporteur von Ermahnungen genutzt - Überschrift: „Kein falsch angebrachtes Mitleid!" -, insbesondere wurde vor der Beteiligung an Versuchen gewarnt, die Briefüberwachung zu umgehen. Wohl aus gegebenem Anlaß wurde später darauf hingewiesen, nichts an Kriegsgefangene zu verkaufen - Überschrift: „Kein Warenverkauf an Kriegsgefangene". Es wurde darauf verwiesen, daß der Landwirt dem leicht erkrankten Kriegsgefangenen Unterkunft und freie Verpflegung zu gewähren hat, daß er ohne Anmeldung „bei der zuständigen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gegen Unfall versichert" sei, wie der Arbeitseinsatz zu erfolgen hatte und daß kein arbeitsrechtliches Verhältnis zwischen Unternehmer und Kriegsgefangenen, sondern Rechtsbeziehung nur zwischen Sammellager und Unternehmer bestehe.

Stammlager und Lager der Arbeitskommandos unterstanden der Wehrmacht, die Arbeitskommandos wurden von „Landesschützen" bewacht. Bereits im Oktober 1941 wurde die Bewachung französischer Kriegsgefangener gelockert. Auf dem Weg von und zur Arbeit wurden sie nicht mehr militärisch bewacht: „Die Kriegsgefangenen haben diesen Weg unter Führung eines französischen Unteroffiziers oder sonst geeigneten Kriegsgefangenen zurückzulegen". Beim Einzeleinsatz in der Landwirtschaft oder im Handwerk war auch dies nicht möglich; Zeitzeugen berichten, daß sie als Zwölfjährige den Kriegsgefangenen im Lager abholten und zum elterlichen Betrieb begleiteten. Ein Zeitzeuge erinnert sich: Der Gefangene durfte nicht auf dem Bürgersteig gehen, sondern am Rand der Fahrbahn in der Gosse. Weil offenbar in der Bevölkerung der Eindruck entstand, daß in den Lagern „die bei der Bewachung der  Kriegsgefangenen  eingesetzten  Mannschaften überflüssig seien ",  veröffentlichte die Parteizeitung eine vierteilige Serie über den Einsatz der Landesschützen bei der Überwachung von Kriegsgefangenen. Bald darauf verwies die Parteizeitung darauf, daß den „französischen Kriegsgefangenen im Ausnahmefall freier Spaziergang, zu dem ein Ausweis ausgestellt wird, gestattet" werde, daß aber die Vorschriften zum Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen nicht gelockert seien: „Jede überflüssige Unterhaltung mit französischen Kriegsgefangenen hat also nach wie vor zu unterbleiben."

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Ausländer vom Salisweglager arbeiten am Splitterschutzgraben auf dem Paradeplatz, November 1943 (Bildstelle Hanau).

Obwohl   immer  wieder  daran  erinnert wurde, daß der Verstoß gegen die Regeln zum Umgang mit Kriegsgefangenen „eine strafbare Handlung" sei, kam es zu zahlreichen  Gerichtsverfahren.  Allein  aus  der kleinen Gemeinde Klein-Auheim - dort arbeiteten französische Kriegsgefangene bei Gummi-Peter, s.o. - sind drei Fälle belegt; die Gerichtsentscheidungen wurden über das Landratsamt der Ortspolizeibehörde „für polizeiliche Liste" übermittelt:

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Arbeitseinsatz am Splitterschutzgraben am Paradeplatz, rechts das Zeughaus, November 1943 (Bildstelle Hanau).

1. Das Landgericht, Strafkammer in Hanau, verurteilte am 24. Oktober 1941 die 31- jährige Köchin M. F. „wegen verbotenen Umgangs mit einem Kriegsgefangenen zu einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten".

2. Das Amtsgericht Hanau verurteilte am 12. Februar 1942 die 45-jährige Werkstattschreiberin F. F. „wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen zu einer Gefängnisstrafe von 2 Monaten unter Anrechnung von l Monat Schutzhaft". Im März beschloß das Amtsgericht Hanau, die Reststrafe von zwei Wochen Gefängnis bedingt auszusetzen.

3. Die Jugendkammer des Landgerichts Hanau verurteilte am 4. April 1944 die ledige 19- jährige Arbeiterin E. R. „wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen" zu acht Monaten Gefängnis. Nach Verbüßung einer Teilstrafe von zweieinhalb Monaten erhielt sie Bewährungsfrist.

Der erstgenannte Fall wurde in der Tageszeitung in Hanau veröffentlicht, die beiden anderen nicht. Verhaftungen und Verurteilungen wurden auch aus anderen Regionen veröffentlicht, in der Regel mit Überschriften, die offenbar eine abschreckende Wirkung haben sollten. In nachfolgender Aufstellung sind die Berichte aus Hanau hervorgehoben:

- 4. Oktober 1940: „Unterhaltung mit Kriegsgefangenen ist strafbar"

Das Landgericht Marburg verwarf die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts, das einen Mann verurteilt hatte, weil er am Zaun eines Gefangenenlagers Gespräche geführt und sich mit „Macht's gut!" verabschiedet hatte: drei Monate und zwei Wochen Gefängnis.

- 22. November 1940: „Unwürdiges Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen"

Das Amtsgericht Wiesbaden verurteilte eine Frau zu zwei Monaten Gefängnis, weil sie beim Besuch auf einem Gutshof polnische Kriegsgefangene „beschenkt" hatte.

- 6. Dezember 1940: „Unwürdige Hanauer Frauen"

„Kürzlich wurde eine 44-jährige Ehefrau aus der Lothringer Straße - eine geborene Belgierin - festgenommen, weil sie französischen Kriegsgefangenen in der Kleinsiedlung am Hafen mehrere Päckchen Zigaretten und Tabak zugeworfen hatte, als die Gefangenen auf einem Lastkraftwagen die Siedlung passierten." „Sie hat nun in einem Sondergerichtsverfahren eine empfindliche Strafe zu erwarten." (Ein Bericht über das Urteil erschien am  15. Februar 1941.)
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Strafgefangene Polen arbeiten an der Ferngasleitung, Mai 1943 (Bildstelle Hanau).
 

- 13. Dezember 1940: „Der Kriegsgefangene im Kleiderschrank / 2 l/2 Jahre Zuchthaus für ehrvergessenes Mädchen"

Das Sondergericht Berlin verurteilte eine 20-jährige aus einem Dorf zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus, weil sie einen entlaufenen polnischen Kriegsgefangenen versteckt und mit Essen und Trinken versorgt hatte.

- 17. Dezember 1940: „Wider die völkische Ehre vergangen"

Die Geheime Staatspolizei in Kassel nahm „in der zweiten Hälfte des Monats November" einen Kraftfahrer in Haft, weil er mit französischen Kriegsgefangenen eine Gaststätte aufgesucht hatte; eine Gastwirts-Ehefrau, weil sie französischen Kriegsgefangenen „in gewinnsüchtiger Absicht in größeren Mengen Alkohol verabreichte"; eine Frau, weil sie sich mit französischen Kriegsgefangenen „in französischer Sprache unterhielt und ihnen eine Schachtel Zigaretten zuwarf".

- 7. Januar 1941: „Das Kaffeekränzchen mit kriegsgefangenen Franzosen"

„Bei einem Kaffeekränzchen in einem Dorf in der Nähe von Heidelberg war auch ein kriegsgefangener Franzose zugezogen worden, der sich Kaffee und Kuchen recht gut schmecken ließ", ein Gericht verurteilte die Frauen zu acht bzw. sechs Monaten Gefängnis.

- 25. Januar 1941: „Eine ehrvergessene Frau"

Das Sondergericht Darmstadt, das in Mainz tagte, verurteilte eine Ehefrau aus einem Dorf bei Bad Kreuznach zu zwei Jahren Zuchthaus, weil sie mit einem französischen Kriegsgefangenen „ein schamloses Verhältnis" hatte.

- 27. Januar 1941: „Die ganze Strenge des Gesetzes / Zwei Jahre Zuchthaus für ehrvergessene Frau und Mutter"

Die Erste Koblenzer Strafkammer verurteilte eine Mutter von vier Kindern aus dem Kreis Birkenfeld-Baumholder zu zwei Jahren Zuchthaus. Sie hatte mit einem französischen Kriegsgefangenen, der „dem landwirtschaftlichen Betrieb ihres Mannes zugeteilt worden war", ein „Liebesverhältnis", das „sich auf dem Felde abspielte" und von Bauern angezeigt worden war (Der Bericht enthält die volle Namensnennung).

- 15. Februar 1941: „Kriegsgefangene bleiben Feindangehörige! / Hanauer Einwohner machten sträfliche Zuwendungen an Kriegsgefangene - Schlimme Folgen eines völlig unangebrachten Mitleids"
Die „hiesige Strafkammer" verurteilte eine geborene Belgierin, seit 1918 durch Heirat deutsche Staatsbürgerin, weil sie „fortgesetzt Zuwendungen in Gestalt von Lebensmitteln, Genußmitteln und zuletzt auch Kleidungsstücken an französische Kriegsgefangene gemacht hatte", zu acht Monaten Gefängnis, den beteiligten Ehemann zu sechs Monaten und eine Mitangeklagte zu zwei Monaten Gefängnis (Vollständiger Bericht aus dem Hanauer Anzeiger auf der nächsten Seite).

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Hanauer Anzeiger vom 15. Fwbruar 1941 (Stadtarchiv Hanau)

- 15. Februar 1941: „Ein ehrvergessenes Mädchen"

Die „hiesige Strafkammer" verurteilte eine 23-jährige aus Gelnhausen zu acht Monaten Gefängnis für „ein Techtelmechtel mit einem französischen Kriegsgefangenen" (Der Bericht steht neben dem zuvor genannten).

- 1. März 1941: „Ein würdeloses Mädchen"

Die „hiesige Große Strafkammer" verurteilte die 20jährige E. J. aus Klein-Auheim, die „auf dem Büro eines großen Werkes in Großauheim beschäftigt" war, zu neun Monaten Gefängnis, weil sie einem französischen Kriegsgefangenen nacheinander ein Stück Seife, eine Tube Zahnpasta und eine  Zahnbürste  mitgebracht hatte  und sich „bei der Übergabe" von ihm „umarmen und küssen" ließ.

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Strafgefangene Polen unter Aufsicht beim Bau der Ferngasleitung, Mai 1943 (Bildstelle Hanau)

- 6. März 1941: „Französische Kriegsgefangene zum Holzdiebstahl angestiftet"

Die Geheime Staatspolizei in Kassel nahm einen Landwirt aus Aufenau, Kreis Gelnhausen, in Haft, weil er zwei bei ihm beschäftigte französische Kriegsgefangene zum fortgesetzten Holzdiebstahl im Gemeindewald veranlaßt hatte (siehe auch Hanauer Amtsgericht 14. Mai 1941).

- 19. März 1941: „Keine Geldgeschenke an feindliche Kriegsgefangene!"

„Ein junges Mädchen, das auf dem Büro eines hiesigen Betriebes tätig war", schrieb „zwecks Vervollkommnung ihres Schulfranzösisch" drei Briefe an einen Kriegsgefangenen in französische Sprache, die dieser beantwortete, und gab ihm als Dank Zigaretten und zwei Äpfel. Das Amtsgericht Hanau verurteilte sie „gestern" zu einem Monat Gefängnis: „Die Strafe gilt durch die seit dem 17. Februar währende Untersuchung als verbüßt". Eine 25-jährige hatte einem Kriegsgefangenen „von ihrem Frühstücksbrot abgegeben", auch „Zigaretten und eine Kindermundharmonika" ließ sie ihm zukommen. Das Amtsgericht Hanau verurteilte sie zu zwei Monaten Gefängnis unter Anrechnung von einem Monat Untersuchungshaft und Aufrechterhaltung des Haftbefehls. Der Bericht vermerkt noch, es habe sich im ersten Fall um „törichtes Verhalten", im zweiten um „falsches Mitleid" gehandelt: „Zu Zärtlichkeiten irgendwelcher Art kam es nicht".

- 20. März 1941: „Eines deutschen Mannes unwürdig"

Ein 54-jähriger aus Naumburg (Bez. Kassel) begegnete abends in einer Gaststätte einem französischen Kriegsgefangenen, den er von der Arbeitsstelle her kannte, plauderte mit ihm und „spendierte ihm auch ein Glas Bier". Der Strafrichter in Kassel verurteilte ihn zu drei Monaten Gefängnis.

- 2. April 1941: Gemütliches Beisammensein mit bösen Nachwehen"

Das „hiesige Amtsgericht" ahndete einen „höchst unwürdigen Vorgang, der sich in den Abendstunden des 29. Januar in einer Kreisgemeinde des Hanauer Landes abspielte". Die Wirtin und mehrere Gäste feierten „in Gegenwart von fünf französischen Kriegsgefangenen..., die mit zahlreichen anderen im nahegelegenen Saale untergebracht waren" und „ihren Teil Bier und einige Zigaretten abbekamen". Die Wirtin und ein Mann wurden zu sechs Wochen Gefängnis, eine weitere Frau zu vier Wochen Gefängnis verurteilt.

- 14. Mai 1941: „Kriegsgefangene als unfreiwillige Forstdiebe"

Das Amtsgericht Hanau sprach einen Einwohner von Aufenau (Kreis Gelnhausen), der sich bei fortgesetzten Forstdiebstählen der „Hilfe von zwei ihm zur Arbeitsleistung in seinem landwirtschaftlichen Betrieb zugewiesenen französischen Kriegsgefangenen bedient" hatte, wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen frei; der Holzfrevel war bereits durch polizeilichen Strafbefehl bestraft, die Gefangenen waren ihm bei der Verhaftung entzogen worden (siehe auch 6. März 1941).

- 12. Juni 1941: „Kriegsgefangene sind keine Hausgenossen / Mit dem Humanitätsdusel ist es endgültig vorbei"

Die „hiesige große Strafkammer als Berufungsinstanz" hob ein Urteil des Amtsgerichts Bad Orb auf, das bei einem Ehepaar lediglich ein fahrlässiges Handeln gesehen hatte: das Paar aus dem Spessartdörfchen Oberndorf hatte es einem französischen Kriegsgefangenen erlaubt, deutsche Radiosendungen mitzuhören und selbst das Rundfunkgerät im Wohnzimmer einzuschalten. Der Ehemann wurde zu einem Monat Gefängnis, die Ehefrau zu „100 Mark Geldstrafe an Stelle von zwanzig Tagen Gefängnis" verurteilt.

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Polnische Strafgefangene bei der Rückkehr von der Arbeit. Mai 1943 (Bildstelle Hanau)

- 4. Juli 1941: „Grundsätzlich nur Freiheitsstrafen / Bei verbotenem Umgang mit Kriegsgefangenen"

Das Amtsgericht Schlüchtern hatte mehrere Einwohner von Altengronau (Kreis Schlüchtern) zu Geldstrafen verurteilt, u.a. weil einer sich zusammen mit zwei französischen Kriegsgefangenen hatte fotografieren lassen und ihnen Abzüge mit seiner Anschrift geschenkt hatte, andere hatten mit Kriegsgefangenen im Wartesaal des Bahnhofs Jossa „an einem Tisch gefrühstückt" oder in einer Gaststätte Bier getrunken. Die Große Strafkammer Hanau als Berufungsinstanz verschärfte die Urteile gegen die vier Männer zu jeweils drei bzw. zwei Wochen Gefängnis.

- 30. Oktober 1941: „Zu späte Einsicht / So handelt kein deutsches Mädchen"

Die Große Strafkammer verurteilte „eine 31-jährige Angeklagte aus der näheren Umgebung Hanaus", weil sie an der Arbeitsstelle mit einem französischen Kriegsgefangenen „sechs bis sieben Zettel mehr oder weniger zärtlichen Inhalts" ausgetauscht und ihm „auch dreimal Zigaretten und Streichhölzer geschenkt" hatte, zu sechs Monaten Gefängnis.

11. November 1941: „Ein gestörtes Schäferstündchen / 9 Monate Gefängnis für unwürdiges Mädchen"

Die Große Strafkammer Hanau verurteilte „ein betriebsangehöriges Mädchen" eines Gutes in Mansbach (Kreis Hünfeld) nach Anzeige des Gutsinspektors zu neun Monaten Gefängnis, weil sie „am 22. September ... sich auf dem Hof mit einem französischen Kriegsgefangenen unterhielt und ihm schließlich lachend einen Apfel zuwarf ... und später auf dem Futterboden des Gehöfts ... von dem Kriegsgefangenen „umarmt und geküßt worden" war.

- 21. November 1941: „Sich bös den Mund verbrannt"

Das Amtsgericht Hanau hatte einen Hochstädter Einwohner zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sich „in beleidigenden Äußerungen" gegen einen Offizier gewandt hatte, nachdem dieser „am Ortsausgang einen mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigten französischen Kriegsgefangenen wegen Nichtgrüßens zur Rede gestellt" hatte. Die Große Strafkammer änderte das Urteil angesichts „bisheriger einwandfreier Führung und guten Leumunds" in 300 Mark Geldstrafe.

- 13. Februar 1942: „So geht es Volksschädlingen / Schwere Zuchthausstrafen für ehrlose Weiber"

Das Frankfurter Sondergericht verurteilte zwei verheiratete Frauen, die ihre Silvesterfeier mit zwei französischen Kriegsgefangenen begingen, zu sechs Jahren Zuchthaus (Bericht mit voller Namensnennung).

- 28. März 1942: „Drei Frauen vor dem Sondergericht"

Das Sondergericht Frankfurt verurteilte eine Frau aus dem Unterlahnkreis, die auf dem Bauernhof, auf dem sie arbeitete, „in nähere Beziehung" zu drei französischen Kriegsgefangenen getreten war, zu drei Jahren Zuchthaus (Bericht mit voller Namensnennung). Die beiden anderen Frauen wurden wegen Postunterschlagung zu 16 und 15 Monaten Zuchthaus verurteilt.

- 29. Oktober 1942: „Kriegsgefangener als ,Vetter' / Sechs Jahre Zuchthaus für ehrvergessene Frau"

Das Sondergericht in Kassel verurteilte eine 27-jährige Ehefrau aus Dortmund, die dort einen französischen Kriegsgefangenen kennengelernt hatte und ihm nach seiner Versetzung nach Kassel nachgefahren war, zu sechs Jahren Zuchthaus.

- 6. November 1942: „Sünder vor Gericht / Erlauschtes beim Amtsgericht Hanau"

Drei Fälle unterschiedlicher Art (Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen, Arbeitsbummelei, Obstdiebstahl) werden mit der offensichtlichen Absicht der Abschreckung nacheinander abgehandelt, beginnend mit dem Satz: „Deutsche Mädchen, die mit Kriegsgefangenen in Verbindung treten, handeln schäm- und würdelos". Eine „21jährige Angeklagte aus Bergen", die mit einem französischen Kriegsgefangenen „Liebesbriefe ausgetauscht" hatte, wurde zu vier Monaten Gefängnis verurteilt.

- 12. Juni 1943: „Ehrvergessene Frauen / Schwere Zuchthausstrafen verhängt"

Das Sondergericht in Darmstadt verurteilte vier Frauen aus Groß-Gerau, die in einem „kriegswichtigen Fabrikbetrieb" arbeiteten, wegen Beziehungen zu französischen Kriegsgefangenen und Beihilfe zur Flucht eines der Gefangenen zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus bzw. fünf Jahren Zuchthaus bzw. drei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus bzw. zwei Jahren Zuchthaus (Bericht mit voller Namensnennung).

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Strafgefangene Polen beim Ferngasleitungsbau, Mai 1943 (Bildstelle Hanau).
 

- 3. August 1943: „Verbotener Umgang mit Kriegsgefangenen"

Das Sondergericht Frankfurt verurteilte eine 43jährige Frau aus Frankfurt, die einen französischen Kriegsgefangenen „in ihre eheliche Wohnung mitnahm, ihn mit einer Flasche Wein bewirtete und sogar mit ihm intim wurde", zu „1 1/2 Jahren Zuchthaus" (Bericht mit voller Namensnennung).

- Jahreswechsel 1944/45: „Ehrvergessene Frauen"

Das Frankfurter Sondergericht verurteilte in Hadamar vier Frauen, die „sich in schwerster Weise mit französischen Kriegsgefangenen abgegeben hatten" zu zweieinhalb Jahren bzw. zwei Jahren Zuchthaus (Bericht mit voller Namensnennung).

- 18. Januar 1945: „Zuchthaus für ehrvergessene Frauen"

Das Frankfurter Sondergericht verurteilte „kurz nach Neujahr" fünf Frauen aus Herschbach, Mudersbach und Waldernbach, die „sich mit Kriegsgefangenen einlassen", zu Zuchthausstrafen zwischen einem Jahr und drei Jahren (Bericht mit voller Namensnennung).

- 25. Januar 1945: „Schändliches Verhalten eines Mädchens"

Eine 22-jährige aus Limburg wurde vom Sondergericht zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, weil „sie sich mit einem französischen Kriegsgefangenen" eingelassen habe (Bericht mit voller Namensnennung).

- 10. März 1945: „Jeder muß daran denken! Verhalten gegenüber Kriegsgefangenen"

Der Text erläutert noch einmal das Verbot über den Umgang mit Kriegsgefangenen und fügt an: „Nach den Landesverratsgesetzen wird bestraft: Jede Hilfeleistung zur Flucht, jedes Unterlassen der Anzeige ..." usw.

Wie man sieht, sind die Zeitungsberichte ab 1943 rar. Dies mag an der allgemein immer spärlicher werdenden regionalen Berichterstattung liegen - es standen nunmehr aufmunternde Parolen im Vordergrund - und wird wohl dadurch verstärkt, daß uns Zeitungsberichte entgehen, weil die Archivbestände ab Ende 1943 sehr lückenhaft sind. Jedenfalls gab es in Hanau und Umgebung weitere Fälle: Drei Zeitzeugen haben unabhängig voneinander berichtet, daß - erinnerlich etwa 1943 - mehrere Frauen, die in Hanau in der Eisengießerei Wilhelma arbeiteten, wegen „verbotenen Umgangs mit französischen Kriegsgefangenen" vor Gericht gestellt wurden. Auch aus Großauheim verwies ein Zeitzeuge auf einen Fall aus einem dortigen Unternehmen.

Ein Bericht des nationalsozialistischen Sicherheitsdienstes SD vom Juli 1943 nennt einen Fall aus der Firma W. C. Heraeus Platinschmelze in Hanau: wo „... fünf weibliche Gefolgschaftsmitglieder festgestellt werden konnten, die verbotenen Umgang mit russischen Kriegsgefangenen unterhielten. So wurde die 17-jährige L. S. (im SD-Bericht volle Namensnennung) durch die Staatspolizei in Haft genommen, während die übrigen vier weiblichen Gefolgschaftsmitglieder z. Zt. sich noch auf freiem Fuß befinden. Drei Kriegsgefangene wurden inzwischen von dem Stalag aus dem Lager entfernt und ein entsprechendes Verfahren eingeleitet".

Kriegsgefangene erhielten über das Rote Kreuz Briefe und Päckchen aus ihrer Heimat. Ein Hanauer Zeitzeuge, damals französischer Kriegsgefangener, berichtete (siehe Einführung), daß er Schokolade, die ihm geschickt worden war, an das Kind eines deutschen Arbeitskollegen weitergab. Als das amerikanische Rote Kreuz Pakete mit „Rauchwaren, Delikatessen und Nahrungsmitteln" an französische Kriegsgefangene verteilte, waren Irritationen im NSDAP-Apparat die Folge.

Ein zehnseitiger Bericht des Sicherheitsdienstes, „SD-Abschnitt Frankfurt/Main", vom 3. Juli 1944 trägt den Titel: „Unzulängliche Bewachung der Kriegsgefangenen. Kritik der Bevölkerung über die dadurch immer stärker in Erscheinung tretende Begünstigung der Arbeitsunlust und aufsässiges Verhalten der Kriegsgefangenen". Darin wird geschildert, daß zur Beseitigung der Schäden der Bombenangriffe in Frankfurt „vorwiegend italienische und sowjetrussische Kriegsgefangene zu Aufräumungsarbeiten eingesetzt" werden, wobei eine „zur Schau getragene Arbeitsunlust festzustellen" sei. Bei W.C. Heraeus in Hanau sei „festgestellt worden, daß die russischen Kriegsgefangenen über die politische Lage genauestens orientiert und daß teilweise deutsche Zeitungen ins Lager gekommen seien. Die Herkunft der Zeitungen könne nicht festgestellt werden. Durch einen russischen Verbindungsmann wurde mitgeteilt, daß die russischen Kriegsgefangenen im Lager in kleinen Gruppen unter Führung von meistens Offizieren stehen würden und von diesen politisch geschult werden. Die Sowjetrussen würden eine große Aktivität entfalten, und es sei der vor kurzem stattgefundene Vortrag eines russischen Offiziers, der in der deutschen Armee kämpft, ohne Eindruck geblieben."

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Polnische Strafgefangene bei der Rückkehr von der Arbeit, Mai 1943 (Bildstelle Hanau).

Daß die französischen Kriegsgefangenen z.T. ihre Rechte einforderten, z.B. auf Verpflegung, macht dieser SD-Bericht ebenfalls deutlich. Folgender Fall aus Hanau wird geschildert: „... daß ein in der orthopädischen Werkstätte Ludwig R. beschäftigter franz. Kgf. in der letzten Zeit mehrfach die Arbeit verweigert habe und auch notwendige Überstunden einfach nicht ausführte. Hinzu kommt noch, daß der Gefangene wiederholt seine Werkstattkarte mit dem Namen des Werkstattleiters unterzeichnet hatte. Auf das Einschreiten des Betriebsführers, der ihm das freiwillig zusätzlich gewährte Mittagessen sperren ließ und entsprechenden Vermerk auf der Arbeitskarte, wurde der Gefangene aufsässig, beschwerte sich auf dem Büro, indem er zweimal mit der Faust auf den Tisch schlug und auf französisch über die Betriebsleitung schimpfte. Daraufhin verständigte der Betriebsführer das zuständige Stalag, worauf ein Oberschütze erschien, in äußerst robustem Ton um Herausgabe der Karte ersuchte und erklärte, der Betriebsführer sollte dem B. das Essen weiter geben oder ihm so viel Zeit, die er benötigt, um im Lager sein Essen einzunehmen."

Der SD beschwert sich in diesem Bericht, daß die Kriegsgefangenen „von dem Stalag noch in Schutz genommen werden". Nach einer Prügelei zwischen einem deutschen Aufseher und einem russischen Kriegsgefangenen in den Dreiturm-Seifenwerken in Steinau/Landkreis Schlüchtern schrieb die Kommandantur des Stalag IX B aus Bad Orb an die Firma, die Aufklärung habe „ergeben, daß R. den sow.russ. Kgf. nicht einfach aus dem Kesselhaus hinausgewiesen oder hinausgestoßen hat, sondern daß er ihm einen heftigen Tritt in das Gesäß versetzt und danach auch noch mit einem etwa l m langen Holzstück geschlagen hat. Was sich dann weiter ereignet hat, war die zwangsläufige Folge dieses unberechtigten Vorgehens gegen einen Kriegsgefangenen. Es wird gebeten, Ihre Gefolgschaftsmitglieder nachdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß sie sich jeder Mißhandlung von Kgf. (in weitestem Sinne) zu enthalten haben."

Die Unterschiede zwischen dem nationalsozialistischen SD und der Lagerkommandantur der Wehrmacht werden im nächsten Satz des SD-Berichts weiter deutlich: „Von den Hanauer Betriebsführern wird darauf hingewiesen, daß Oberst Pfeiffer unbegreiflicherweise auf Beschwerden russischer Kriegsgefangener, und seien sie noch so kleinlich, sofort reagiere und Nachuntersuchungen bei den betreffenden Firmen durchführen ließe. Der zuständige Kreisleiter der NSDAP, der über die ganzen Vorfälle unterrichtet ist, hat bereits wiederholt gegen die Einstellung des Oberst Pfeiffer Stellung genommen und entsprechend an die Gauleitung Frankfurt/Main berichtet."

Aus Hanau enthält der SD-Bericht ebenfalls ein Beispiel, anhand dessen er Klage über „das Verhalten der deutschen Wachmannschaften" führt: „Am 1. Mai ds. Jrs. wurde von vielen Volksgenossen beobachtet, daß ein Trupp von ca. 40 frz. Kgf. in Marschkolonne in Hanau Jahnstr.-Waldstraße unter Wehrmachtsbewachung marschierte und daß neben dem Zuge 2 Zivilisten gingen, die sich in lebhafter Unterhaltung mit dem franz. Kgf. befanden. Der Wachmann ging hinter der Kolonne her und war von ihm eine Beanstandung nicht festzustellen. Es konnte festgestellt werden, daß es sich bei den Zivilisten um zwei russische Zivilarbeiter handelte und wurde erst auf das Eingreifen eines sich auf der Strasse befindlichen Politischen Leiters die Unterhaltung zwischen dem franz. Kgf. und russischen Zivilarbeitern abgestellt."
 

Dreierlei bleibt aus diesem Bericht festzuhalten:

  • 1. Die Kolonne von 40 Kriegsgefangenen wurde von nur einem Mann der Landesschützen begleitet, offenbar auf dem Weg zur Firma Heraeus oder zur Firma Quarzlampengesellschaft.
  • 2. Unterhaltungen wurden vom Wachmann nicht unterbunden, sondern von einem zufällig vorbei kommenden NSDAP-Funktionär.
  • 3. Russische Zivilarbeiter bewegten sich frei in der Stadt.

Die Nazi-Justiz wie auch der Nazi- Partei- Apparat verfolgte alle “Deutschen Volksgenossen /innen”, die es wagten, mit den Fremd- und Zwangsarbeitern und den Kriegsgefangenen menschlich und kameradschaftlich umzugehen.

Das müssen Sie einfach lesen!

Selbstverständlich wurde keiner dieser gefolgschaftstreuen “Rechtswahrer” nach 1945 je zur Verantwortung gezogen.- Sie haben ja alle nur “ihre Pflicht getan”. Dagegen wurde die Rechtsprechung der DDR nach dem Anschluß penibel aufgearbeitet...
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