„Arbeitnehmer germanischer Abstammung" und „fremdvölkische Arbeitnehmer"

Ausgehend von der Nazi-Ideologie von der „völkischen Überlegenheit" wurden Maßnahmen zur Unterscheidung zwischen deutschen Arbeitern und Fremdarbeitern getroffen.

Zur Differenzierung der Lohnhöhe wurde im Januar 1940 eine „Reichstarifordnung für polnische landwirtschaftliche Arbeiter" erlassen, die deren Verdienste drastisch senkte. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der polnischen Zivilarbeiter wurden in den umfangreichen „Polenerlassen" vom 8. März 1940 geregelt; auf dieses Sonderrecht zur Beaufsichtigung und Repression polnischer Arbeiter wird anhand der Quellen aus unserer Region später im Kapitel Lebenssituation näher eingegangen. Am 5. August 1940 wurde im Reichsarbeitsblatt die Einführung einer „Sozialausgleichsabgabe" für Polen verkündet; damit war der Lohn formal wieder gleich hoch (für den Arbeitgeber), aber durch die 15-prozentige Sondersteuer eine Unterscheidung zwischen Polen und Deutschen geschaffen.

Zur gleichen Zeit legte das Reichsarbeitsministerium zur Anwerbeaktion freiwilliger ziviler Arbeitskräfte in Frankreich, Holland und Belgien in einem Erlaß vom 2. August 1940 fest, dass diesen Arbeitern „die gleichen Löhne, Gehälter und sonstigen Arbeitsbedingungen" zuständen wie den entsprechenden deutschen Arbeitern. Damit war einerseits eine Unterscheidung zu den Polen geschaffen, andererseits verdiente nun der französische freiwillige Facharbeiter mehr als der deutsche Hilfsarbeiter. Zur nationalen Differenzierung wurde in der Folgezeit im politischen System des Dritten Reiches ein Regelungskanon entwickelt; u.a. wurden private Kontakte der Bevölkerung zu den Fremden verboten. Das Reichssicherheitshauptamt (RSHA) erarbeitete einen Erlaß, der am 14. Januar 1941 vom „Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei" herausgegeben wurde. Ausgehend von der absurden Rassetheorie der Nationalsozialisten unterschied er „Arbeitnehmer germanischer Abstammung" (Niederländer, Dänen, Norweger, Flamen) und „fremdvölkische Arbeitnehmer" (Franzosen, Wallonen und Arbeiter verschiedener Nationalitäten, die vorher in Nordfrankreich gearbeitet hatten, darunter Polen, Jugoslawen, Italiener u.a.). Der Erlaß bestimmte, dass „germanische" und „fremdvölkische" Arbeiter getrennt untergebracht werden sollten. Bei Disziplinproblemen seien die „germanischen" in „vorsichtiger, aber eindringlicher Form" zu belehren oder zu verwarnen, Höchststrafe 21 Tage Arbeitserziehungslager. Bei den „fremdvölkischen" sei mit den „üblichen staatspolizeilichen Mitteln" bis zur Einweisung in ein Konzentrationslager vorzugehen.

Für die Beschäftigung von Arbeitern aus der Sowjetunion wurden im politischen System des Dritten Reiches im Winter 1941/42 Regelungen diskutiert. Das Auswärtige Amt notierte aus den Beratungen: „Die russischen Arbeiter werden im Reich als Zivilgefangene unter Bewachung in Lagern gehalten, sie werden auch nicht in Rußland angeworben, sondern zwangsmäßig ins Reich überführt." Am 20. Februar 1942 wurden dann die „Ostarbeiter-Erlasse" veröffentlicht; auf dieses Sonderrecht wird später anhand der Quellen aus unserer Region im Kapitel Lebenssituation eingegangen.

Als der geplante „Blitzkrieg" gegen die Sowjetunion scheiterte und in einen Abnutzungskrieg überging, änderten die Nationalsozialisten ihre Anweisungen zum Verhalten gegenüber „Ostarbeitern"/„Ostländern", indem sie nach „Volkszugehörigkeit" differenzierten, um „Litauer", „Weißruthenen" und „Ukrainer" als Verbündete gegen die Sowjetunion zu gewinnen. Die „Russen" wurden weiterhin massiv diskriminiert. Aus den Unterlagen des Standesamtes Hanau ist ersichtlich, dass nun „Ukrainer" heiraten durften und Kinder bekamen. Von „Russinnen" ist keine einzige Geburt belegt; aus anderen Lokalstudien gibt es Hinweise, dass sie zur Abtreibung gezwungen wurden (näheres im Kapitel Familie, Geburt, Tod).
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Kriegsgefangene beim Brunnenbau auf dem Neustädter Marktplatz, April 1943 (Bildstelle Hanau).