Bombenkrieg in Eschborn

Nur sechs Jahre dauerte es von der Machtübernahme bis zum neuen Krieg: am 1. September 1939 begann er mit dem Einmarsch in Polen. Hier möchte ich nur einige Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf den Ort Eschborn zur Sprache bringen.

Leider wissen wir bis heute noch nicht sehr viel über die Entstehung des Flugplatzes Eschborn. Er muß bereits früher in die strategische Planung der Führung des Dritten Reiches aufgenommen worden sein, denn nach Aussagen von Eschborner Bürgern war Hermann Göring 1938 hier, um das Gelände zu besichtigen. Der Flughafen wurde als Nachschubbasis für Schleppflugzeuge verwendet. Von den neun Scheinflughäfen rings um Frankfurt bestand einer, nach Auskunft des Eschborner Stadtarchivars Gerhard Raiss, in unserer Gemarkung auf der Steinbacher Höhe.
Eschborn Arados auf dem Flughafen

Die Abbildung zeigt auf dem Ende der 30er Jahre gebauten Eschborner Militärflugplatz vier Flugzeuge vom Typ "Arado 65". Ihre Aufgabe war es, die hier stationierten Lastensegler in eine bestimmte windgünstige Höhe zu ziehen, damit diese Nachschub zur kämpfenden Truppe an die einzelnen Frontabschnitte bringen konnten.

Daß Eschborn schon aus diesen Gründen und wegen der Großstadtnähe Ziel von alliierten Bombenangriffen war, liegt auf der Hand. In der Nacht des 25. August 1942 ging in der Neugasse eine Luftmine nieder, durch die fünf Häuser total vernichtet wurden und fünf Personen mußten dabei ihr Leben lassen. Viele Häuser in der unmittelbaren Nähe wurden stark beschädigt und Dächer abgedeckt. Die Mauern der alten Kirche bekamen starke Risse. Ein weiterer großer Angriff wurde in der Nacht vom 22. zum 23. März 1944 geflogen. Damals Standen allein 26 Scheunen in Flammen, sieben Wohnhäuser wurden zum Teil sehr stark beschädigt, besonders in der Hauptstraße und in der Oberort- und Unterortstraße. Die Fabrikationshalle der Firma Schiele wurde durch einen Bombeneinschlag auf der Straße schwer beschädigt. Die Ziegeleihallen der Firma Helfmann wurden zerstört. Dabei kam der, wie schon oben erwähnt, Ziegelmeister Wellner ums Leben. Im August 1944 erfolgte ein Angriff auf den Flugplatz Eschborn, der dabei stark beschädigt wurde. Was die Eschborner Bürger in dieser Zeit fühlten und was sie empfanden, bringt ein im Archiv der Historischen Gesellschaft aufbewahrter "Feldpostbrief  vom 26. März 1944 einer Eschborner Mutter an ihren Sohn zum Ausdruck. Wir zitieren daraus einige Zeilen:

    "Mein lieber Erwin,
    heute will ich mir mal die Zeit nehmen, um Dir zu schreiben. Seit dem 15. März bin ich wieder zu Hause. Es war die höchste Zeit. Ich glaube, ich hätte es nicht länger ausgehalten. Ich erhielt von Dir dort vier Briefe. In den ersten Wochen nach Deiner Abfahrt war ich sehr in Sorge um Dich, erhielt ich doch erst Ende Januar die erste Nachricht. Dein Brief vom 27. Dezember 43 aus Nikopol erreichte mich erst Anfang März. Wie ich Dir schon schrieb, war ich von 19. Dezember 43 bis 28. Januar 44 sehr krank. Später wurde es wieder besser. Nun warten wir schon wieder über vier Wochen auf Nachricht von Dir. Hoffentlich bist Du trotz allem noch gesund, und wir sehen uns bald wieder.

    Obwohl ich erst so kurz wieder zu Hause bin, habe ich schon so viel erlebt, aber nichts Erfreuliches. Am Abend des 18. März hatten wir Fliegeralarm und sofort standen wir ringsum in hellen Flammen. Sie warfen viele Brandbomben ab, welche aber bald gelöscht werden konnten. Anders sah es in Frankfurt aus. Bei meinem ersten Besuch am Donnerstag, dem 16. März, Papa hatte noch Urlaub, blieb mir fast die Sprache weg. Denn was ich alles zu sehen bekam, hätte ich nie erwartet. Und nun der Angriff am Sonnabend den 18. März übertraf alles. Die Tönges- und die Fahrgasse gibt es nicht mehr - nur noch ein Trümmerfeld. Wo man geht und steht und wo man hinschaut, nur noch Schutt und Asche. Die Paulskirche und der Dom sind vollständig ausgebrannt.

    Es grenzt schon an ein Wunder, daß man noch schreiben kann. Am Mittwoch, den 22. März abends 9.30 Uhr wurden wir abermals schwer bombardiert. Eine Bombe und viele Brandbomben wurden abgeworfen. Es war schrecklich, als man sah, was sie angerichtet hatten. Zum größten Teil im Unterort und zum Teil im Oberort sind fast sämtliche Scheunen und vier Wohnhäuser eingeäschert. Das Haus von August Straßheimer in der Niederhöchstädter Straße ist auch ausgebrannt. Bei Bernhardts ist der Dachstuhl ausgebrannt. Durch die Bombe, die oben auf dem Sportplatz niederging, wurde das Bahnhofsviertel schwer beschädigt. Der Schlag liegt uns allen noch in den Gliedern. Unseren persönlichen Schaden kann ich Dir fast gar nicht schildern, nur so viel, daß wir seit Sonntag fast Tag und Nacht arbeiten. Du fehlst uns halt sehr bei all dieser Arbeit.
    Bei der Firma Schiele sieht das Büro, die Schlosserei und die Villa sehr böse aus. Überhaupt wird hier im Dorf noch feste geschafft, da die Feuer noch nicht ganz erloschen sind. Papa und ich halfen auch bei Möbel und Wäsche herausschaffen und teilweise zu Verwandten und Bekannten zu tragen. Mir ist es nur gar so schwer ums Herz, da ich dich so ferne weis. Man weis nicht, wie alles noch kommt und ob man sich jemals wiedersieht. Ach hätte dies doch bald mal ein Ende und man könnte wieder frei aufatmen.

    Rödelheim und Frankfurt sind tote Städte. Die Menschen, die noch am Leben geblieben sind, wandern alle hier durch und ziehen in den Taunus. Nur wenige haben ein paar Habseligkeiten gerettet. Auf jeden Fall ist alles ein jammervolles Bild. . ."

 

85 Eschborner haben ihren Heimatort nie wieder gesehen, weitere 10 Tote gab es durch Bombeneinwirkungen.

Zwei Tage vor Kriegsende riefen die örtlichen Parteiführer des Bezirks alle noch einsatzfähigen männlichen Personen auf, sich zu sammeln, und von Lauterbach aus einen Einsatz gegen die Feinde zu starten. Allen Parteigrößen unseres Bezirkes konnte man, nach Aussagen von Zeitzeugen, dort begegnen. Es kam aber anders!

Über diese Situation lesen wir in einem Brief einer Eschborner Frau, den sie an ihren Mann an der Front schrieb und in dem sie in Erwartung der Amerikaner die Ratlosigkeit im Ort in den vorletzten Tagen des Krieges schildert:

    “Samstag, den 24.03.1945.
    Die ganze Woche überschlagen schon die Nachrichten, wo die Amerikaner jetzt sind. Bald sagt einer, sie sind in Mainz, dann sollen sie schon über dem Rhein sein, man weis wirklich nicht, was los ist. Wir holen in aller Eile unser Lebensmittel heim. Jeden Tag bin ich unterwegs. Am Freitag, also gestern, war ich noch mit Martha in Oberhöchstadt und habe eingekauft. Heute früh, um 5 Uhr, sind wir schon wieder fortgefahren, . . .

    Sonntag, den 25.03.1945
    Heute Nacht wurde ich durch großen Lärm auf der Straße wach. Es hieß, alle Einwohner hätten Frankfurt in zwei Stunden zu verlassen. Was das für einen Tumult gegeben hat, das kannst du dir nicht vorstellen. Was soll das geben, wenn wir auch noch fort müssen. Daß wir uns alle Gedanken machten und daß an Schlaf nicht mehr zu denken war, kannst du dir ja vorstellen. Wie wird es mit dir? Mit der Post? Das ist alles so schwer und nicht auszudenken. Es ist auch kein Licht und kein Wasser mehr da. Das wir kein Gas haben, daran haben wir uns gewöhnt.

    Gegen Morgen wird ausgeschellt, daß auch Eschborn geräumt werden soll und daß es gegen Abend mit Trecks fort geht. Also eine Fahrt ins Ungewisse, - eine Fahrt in den Tod? Denn auf der Straße werfen die Jabos Bomben auf uns. Dann die Kleinkinder. Daß unter solchen Umständen keiner mit wollte, ist ja klar. Ich glaube auch, daß diese Parole vor allem von der Partei ausgegeben wurde, daß wir alle mit fort sollten, weil die hohen Parteileute sich ja nicht halten können. Und doch will ich es auch wieder nicht glauben, weil man ja innerlich doch noch immer mit dieser Partei verbunden ist.

    Große Wut hat die Bevölkerung auf Frau N., denn ein Tag vorher hat sie noch gesagt, sie wolle den Panzern mit der Panzerfaust entgegentreten und jetzt ist sie mit der ganzen Familie abgerückt. Ebenso Frau N. mit ihren Kindern, . . . und . . . und die ganze Spitzen unserer Gemeinde. Auch der Volksgenosse N. hat schon den Wagen fertiggepackt im Hof stehen und wartet nur noch die Nacht ab.

    Es heißt, die Amerikaner sind schon in Sindlingen. Wie es wirklich ist, weiß keiner. Es gibt ja kein Radio, und es gibt keine Zeitung und zur Außenwelt haben wir auch keine Verbindung. Viele sagen, wir sind schon eingeschlossen. Ob es stimmt? Andere sagen wieder, sie kämen von Gießen runter!

    Montag, den 26.03.1945
    Heute früh gab es den Befehl zur Zwangsevakuierung. Was das ein Schrecken bei allen ausgelöst hat, kannst Du Dir nicht denken. Ich habe geheult, das glaubst Du mir nicht! Schon in der Nacht hatte Frieda und ich, weil wir es uns gedacht hatten, angefangen zu packen. Was ist das so schwer. In der vorigen Woche hatten wir alles in den Keller geschafft und jetzt holten wir wieder alles rauf und in die Säcke, Koffer u.s.w. Irma und ich hatten heute Nacht im Keller schlafen wollen. Irma tat es ja auch, aber ich bin durch das Packen wieder nicht zum Schlafen gekommen.

    Heute werden wir nach Oberhöchstadt und nach Sossenheim fahren und versuchen, etwas Eßbares einzutauschen. Papa wird, wenn möglich, noch ein Schwein schlachten und dann sollte zurückgefahren und alles geholt werden.

    Mein Gott, ist das eine Aufregung, . ."

An dieser Stelle bricht der Brief leider ab. Ob er weiter geführt wurde und der Text verloren ging, ist uns nicht bekannt. Abgeschickt wurde er jedenfalls nicht.

Eschborn Neugasse

Die Abbildung aus dem Jahre 1930 zeigt vier der fünf durch eine Luftmine 1942 zerstörten Häuser in der Neugasse. Links das Haus des Wilhelm Junghenn, dann das von Johannes Hill - in dem die Familie Hill und ein polnischer Fremdarbeiter ums Leben kamen, im Hintergrund das Haus des Gärtners Heinrich Jung und rechts das von Oskar Wagner. Das Haus des Gärtners Jung war einer der vier Kronberger Höfe in Eschborn. Der letzte Kronberger Besitzer war Frank XII. vom Ohrenstamm mit dem Beiname der "Reiche". Seine Tochter Elisabeth heiratete Johann V. Graf von Solms. Ihr Sohn Kuno von Solms erbte den gesamten Besitz seines Großvaters, der ohne männliche Nachkommen 1461 starb. Durch die Erbschaft wurde er zum Begründer der Linie Solms-Rödelheim-Assenheim. Zur Erbmasse gehörte auch Franks Eschborner Hof, der von nun an "Solmser Hof" oder das "gräflich Rödelheimer Gut" hieß. Denn ersten Privatbesitzer des Hofes, den wir namentlich kennen, war der 1840 geborene Karl Friedrich August Jung.
Eschborn Luftangriff Solmser Hof

Die Abbildung auf dieser Seite zeigt den Solmser Hof nach seiner Zerstörung 1942. Es waren Fachwerkgebäude, die wahrscheinlich noch im 17. Jahrhundert errichtet wurden. Der Mauertorso, rechts in der Mitte des Bildes, soll noch aus fränkischer Zeit stammen, und der Rest des einstigen Kronberger Hofes sein, der 1622 mit dem Dorf zerstört wurde. Die Mauer steht unter Denkmalschutz. Der Torso dürfte - außer der Kirche - das einzige aufgehende Mauerwerk sein, das mit der Zeit unserer Turmburg und mit ihr direkt in Verbindung zu bringen ist. Dies ist auch von der in ihrem Bereich noch vorhandenen Brunnenkammer zu sagen. Ob der auf dem Hof mit Bauschutt aufgefüllte "Römerbrunnen " seinen Namen zu Recht trägt, wurde bis heute nicht untersucht. Bedauerlich ist, daß man bis jetzt versäumt hat, das gesamte Areal archäologisch zu untersuchen!

Kriegsende in Eschborn

Am 29. März, drei Tage vor Ostern, am Gründonnerstag 1945, rollten die ersten amerikanische Panzer in Eschborn ein. "Als die Amis kamen", berichtete eine weitere Augenzeugin, "standen wir auf der Hauptstraße, gegenüber des Hauses Nagel (heute Hauptstraße 36). Der Bürgermeister Noß kam mit einer weißen Fahne, die Amis kamen von Höchst her. Der Schuster Paul hatte ein großes weißes Bettuch aus dem Fenster gehängt. Wir alle haben geweint!"

Zwei Tage später, es war am Ostersamstag, kamen die Truppenteile, die Eschborn endgültig besetzten. Die Proklamation Nr. l von General Eisenhower wurde angeschlagen. Beschlagnahmt wurden sechs Wohnhäuser, z.T. bis in das Jahr 1949, die Turnhalle des TV 1888 und das Bürohaus der Firma Schiele.