Rückblick auf das alte Eschborn

An der Wende zum 20. Jahrhundert zählte die Gemeinde Eschborn 1.086 Einwohner, die sich bis zum Jahre 1910 um 368 auf 1.454 erhöhten, eine Zunahme um fast ein Drittel in zehn Jahren. Im Zeitraum von 1890 bis 1900 nahm die Einwohnerzahl nur um 49 Personen zu. Die Steigerungsrate der Bevölkerung wird in den weiteren Dezennien noch viel höher werden.Eschborn  vor der Neu-Zeit

Zu der Zeit der Jahrhundertwende waren die Straßen des Ortes noch nicht gepflastert, bestenfalls geschottert. Gemütliche Öllampen, die mit Petroleum versorgt wurden, gaben in der Nacht die Richtung der Straßen an. Bei Nebelwetter oder "sonstigem Dunst" konnte es durchaus passieren, daß ein Nachtwanderer im Westerbach landete. Die Eschborner sind der Meinung, daß der, "der nie im Westerbach lag, kein echter Eschborner” sei.

"Die Bach" hatte zu diesem Zeitpunkt noch kein Geländer. An verschiedenen Stellen waren Schöpfstellen zur Wasserentnahme in die Bachmauer eingelassen, die sogenannte "Bachschebb". Hier wurde ein Teil der Wasserversorgung sichergestellt, für das Vieh, zum Gießen usw. Für die Versorgung mit Trinkwasser gab es in der Gemeinde vier öffentliche Pumpen, aus denen jedermann Wasser holen durfte. Dieser Gang zur Schwengelpumpe war eine der Gelegenheiten, sich zum täglichen Plausch - zu einem Schwätzchen - zu treffen. Die Standorte der öffentlichen Pumpen waren im Unterort am Eingang der Götzengasse (in "Straße" wurde sie erst kürzlich, als wir Stadt wurden, umbenannt), im Schulhof (heute: Vereinshaus in der Hauptstraße), unter der Esche, dem Wahrzeichen des Ortes und am Anfang der Mühlstraße (heute: An der Alten Mühle). In vielen alten Häusern finden wir noch Brunnen zum Schöpfen des lebenswichtigen Wassers.

Daß der Eschenplatz früher auch schön war, zeigt dies für eine Dorfidylle charakteristische Bild. Der "Gruß aus Eschborn" kommt aus einer Zeit, als die alte Esche ein von Kraft strotzender Baum, als noch Leben im "Gasthaus zur Krone" und das Wasser des "Eschenbrunnens" noch genießbar war. Die von Krämer Dahlem um die Jahrhundertwende vertriebene Postkarte zeigt links unten eingeblendet sein "Warenhaus" als "Postagentur" und das 1888 zum GedenkGruß aus Eschbornen an den Krieg 1870/71 errichtete "Krieger- und Kaiserdenkmal".

Über den Westerbach führten im Ort sechs Brücken, deren drei letzten im Jahre 1898 gebaut worden sind. Es handelt sich um steinerne Brücken, deren Standorte wohl die gleichen waren, wo sie heute (1986) noch sind: Hansengraben, Rosengasse, Neugasse, Hauptstraße, Götzengasse und Paulstraße. (Die drei letztgenannten wurden bei der "Verbannung des Westerbaches in den Untergrund" 1968 entfernt.) Außer diesen genannten, befahrbaren Brücken waren noch Fußgängerstege an verschiedenen Stellen. Die Brückenenden wurden mit Petroleumlampen beleuchtet.

Der bebaute Teil der Gemeinde war noch gut zu übersehen. Er bestand in der Hauptsache aus Hauptstraße, Ober- und Unterortstraße, geringe Teile der Paulstraße, Götzenstraße und Neugasse. So gravierende Punkte wie Bahnhof, Gehspitze und Mühle sind in dieser Zeit noch außerhalb des Ortsbereichs und als sogenannte Wohnplätze im Gemeindebezirk Eschborn ausgewiesen.Eschborn Unterort

Die Unterortstraße um 1910. Das Haus im Vordergrund ist das ehemalige Wohnhaus des Schultheiß Johann Balthasar Michel, der es 1848 von dem Metzger Peter Nickel im Tausch gegen sein in der Mitte des Dorfes gelegene Haus (heute Metzgerei Schreiber) erwarb. Heute hat die Taunussparkasse hier in einem Neubau ihr Eschborner Domizil.

Im wesentlichem bestimmte die Landwirtschaft das Bild des Ortes. In 156 Höfen wurde Viehhaltung betrieben. Die von den Bauern produzierte Milch schafften täglich 22 Milchhändler nach Frankfurt, Rödelheim, Höchst und Kronberg. Es ist eine Zahl von täglich 4.000 Litern angegeben. Der Liter Milch kostete 12 oder 13 Pfennige. Dabei verdienten sich junge Mädchen, die gerade aus der Schule entlassen wurden, ihr Geld. Sie fuhren mit den Milchhändlern und schenkten die Milch aus. Eine Eschbornerin erzählte mir, daß ihre Mutter dieses Geld sparte und ihr später dafür eine Nähmaschine kaufte.

Feste und Vereine im Dorf Eschborn

Das Leben im Dorf bestand nicht nur aus Arbeiten, es wurden auch Feste gefeiert, in erster Linie nationale Feste. Zum Beispiel: des Kaisers Geburtstag und der Reichsgründungstag. Da waren auch alle Vereine beteiligt. Das gesellschaftliche Leben ging hauptsächlich von den Vereinen aus. Gesungen wurde zu allen Zeiten und so ist es nicht verwunderlich, wenn der kleine Ort Eschborn um die Jahrhundertwende schon mehrere Gesangvereine hatte: den Gesangverein "Vorwärts", der bereits im Jahre 1842 gegründet wurde und noch heute besteht, den Gesangverein "Fortschritt" und den Gesangverein "Hoffnung".

Der 1874 ins Leben gerufene Militärverein "Siegeslust" ist die Folge von Gründungen dieser Art Vereine, die sich aus dem Krieg 1870/71 und der patriotischen Einstellung dieser Zeit ergab.

Dem Zug der allgemeinen körperlichen und sportlichen Betätigung folgend, gründete sich der Turnverein 1888 in Eschborn. Hier kann man davon ausgehen, daß jeder zweite Einwohner deEschborn "Milchwagen"s Dorfes Mitglied in diesem Verein war.

Vor der Abfahrt zu den Milchkunden im Ort.  N. Gauf, Betty Kirchner geb. Weber und Ernst Kirchner mit ihrem von einer Ziege gezogenem "Milchwagen". Der Junge im Vordergrund ist Ernst Sturm aus Neuenhain, das Patenkind von Ernst Kirchner.

Dieses Vereinsspektrum, die ländliche Idylle, die Zufriedenheit und die politische Ruhe ergeben wohl die von vielen Menschen so gerühmte "gute alte Zeit".

Doch der Schein trügt. Jedenfalls was das Vereinsleben im Ort anbelangt. Mit dem Aufkommen der Arbeiterbewegung, d.h. mit dem von der SPD initiiertem und gefördertem Arbeiterbildungsverein und seinen Unterabteilungen: Sänger, Turner, Fußballer und Radfahrer, gab es in Eschborn politisch bedingt zwei Fußballvereine, zwei Radfahrvereine, zwei Turnvereine usw. Es gab die "Deutschen Turner" mit dem Wahlspruch "Frisch - Fromm - Fröhlich - Frei" und es gab die "Freien Turner" mit ihrem Wahlspruch "Froh - Frei - Stark - Treu". Es gab den Radfahrerklub "Solidarität" vom Arbeiterbildungsverein und den Radfahrerklub "Germania" des Deutschen Turnvereins.

Lampenanzünder, Trauerzüge und das liebe Geld im alten Eschborn

Man kann sich auch das idyllische Bild vorstellen, wenn der Nachtwächter durch den stillen, dunklen Ort ging und über die Sicherheit der Menschen wachte, und wie die wichtigsten Bekanntmachungen durch den Ortsdiener noch mit der Schelle ausgeschellt wurden. Letzteres gab es auch noch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg.

Es gab noch keine Feuersirenen, sondern das Feuerhorn. Wenn ein Brand ausbrach, mußte man dies an einer bestimmten Stelle melden und der "Feuermelder" radelte auf dem Fahrrad, mit dem Horn Alarm blasend, durch den Ort.

Es gab noch den Leichenzug vom Trauerhaus bis zum Friedhof auf der Steinbacher Höhe. Bei reichen Leuten mit Trauermärschen einer Kapelle, bei armen "nur" mit Gesang von Chorkindern der Kirchengemeinde begleitet. Es kam auch noch vor, wie es in ganz alter Zeit Brauch war, daß der Tote noch einmal, "abschiednehmend" durch den Ort gefahren wurde.

Wilhelm Böcher erhielt um die Jahrhundertwende für das Anzünden, Ausmachen und Reinigen der Straßenlaternen 103,- Mark für 103 Tage. Wobei nicht ganz klar ist, ob die Lampen jeden Abend gebrannt haben. Nach den "Urkunden der Rechnung der Gemeinde Eschborn 1898/99" war die Rechnung für den Zeitraum vom 1. Dezember 1899 ausgestellt, das sind 32 Tage mehr, als Wilhelm Böcher bezahlt bekam.

Das Geld war in dieser Zeit sehr knapp. Es gab nur begrenzte Arbeitsmöglichkeiten. Bei den Bauern gab es Arbeitsstellen für Mägde und Knechte, im Wald konnte man arbeiten, die Fettschmelze in der Hauptstraße benötigte Arbeitskräfte und die Farbwerke Höchst. Die Backsteinfabriken waren ebenfalls begehrte Arbeitsplätze.

Ein Waldarbeiter erhielt für einen Tag Arbeit im Walde 2,20 bis 2,70 Mark, wobei etwa 50 Stunden in der Woche gearbeitet wurden. Frauen erhielten für die gleiche Zeit 1,50 Mark. Für Wegearbeiten wurden pro Stunde 30 Pfennige ausgezahlt. Für die Altersversorgung, d.h. die Invalidenversicherung, die 1891 eingeführt worden ist, mußten je Arbeiter pro Woche 20 Pfennige abgeführt werden. Davon trugen Arbeitnehmer und Arbeitgeber je 10 Pfennige.

Einen Begriff vom Wert des Geldes in diesem Zeitraum können wir uns machen, wenn man in den alten Urkunden der Gemeinde liest. Danach berechnete der Schreinermeister Peter Kirchner für das Einziehen mehrerer Fensterscheiben im Schulhaus 1,20 Mark, für die Reparatur von vier Schiefertafeln für die "Abendschule" - in der an ein oder zwei Abenden männliche Jungendliche, die bereits in der Berufsausbildung waren und der allgemeinen Schulpflicht nicht mehr unterstanden, unterrichtet wurden - 20 Pfennige, also 5 Pfennige pro Tafel. Der Buchbinder Diehl in Eschborn bekam für das Einbinden des Amtsblattes 1,80 und für das Reichsgesetzblatt 2,00 Mark. Eine Anzeige der Gemeinde Eschborn im "Cronberger Anzeiger" mußte mit 3,40 Mark - je Zeile 10 Pfennige - bezahlt werden.

Die Schulen

Die Entwicklung eines Ortes kann man auf verschiedenen Gebieten beobachten und ablesen. So z.B. die Erweiterung der Baugebiete, der Ausbau der Straßen, Weiterentwicklung der Infrastruktur - wie wir es heute nennen -, die Einrichtung der Schule usw.

Die schulische Entwicklung müssen wir aus zwei Blickrichtungen betrachten: einmal die Lehrer und deren Bezahlung, zum anderen die Schulbauentwicklung an Hand der Kinderzahlen, aber auch in bezug auf die Zahl und Ausstattung der Klassen und der Schulgebäude.

Um die Jahrhundertwende war die, in nassauischer Zeit von Schultheiß Michel um 1840 gebaute, Schule allein im Hause des heutigen Vereinshauses in der Hauptstraße untergebracht. Da sich die Zahl der Kinder stark steigerte, war man gezwungen, in der Jahnstraße ein neues Schulgebäude zu errichten. So wurde am 9. November 1902 diese Schule, in der zwei Klassenräume und eine Lehrerwohnung untergebracht waren, ihrer Bestimmung übergeben. Im gleichen Jahr wurde die dritte Lehrerstelle in Eschborn eingerichtet.

Sehen wir uns einmal die finanzielle Situation eines Lehrers an. Um die Jahrhundertwende erhielt ein Lehrer ein Grundgehalt von 1.200 Mark, ein Hauptlehrer 1.300 Mark und ein einstweilig angestellter Lehrer, der unter 4 Jahre im Schuldienst war, 960,- Mark pro Jahr. Dazu kam nach 7 Jahren Schuldienst eine Zulage von 150,- Mark, die sich alle 7 Jahre um diesen Betrag erhöhte. Für verheiratete Lehrer und ledige mit eigenem Hausstand gab es pro Jahr eine Mietentschädigung von 250,- Mark, für Lehrer unter 4 Jahre Schuldienst betrug diese Zulage 140,- Mark. Lehrer, die nebenbei Organisten waren oder gar den gesamten Kantoreidienst versahen, erhielten eine weitere Zulage. Die Alterszulage wurde erstmals im Jahre 1907 von 150,- auf 175,- Mark erhöht.

Die baulichen schulischen Verhältnisse waren auch den damalig Verantwortlichen in der Gemeinde eine wichtige Aufgabe. So wurde 1907 in der Jahnstraße eine Bedürfnisanstalt gebaut und der Schulhof zum Teil mit Pflaster versehen. Aber erst im Jahre 1911 erhielten beide Schulhäuser - in der Hauptstraße und in der Jahnstraße - elektrisches Licht und fließendes Wasser. Das Gebäude in der Jahnstraße bekam auch einen Gasanschluß.

Der Anbau weiterer zweier Schulsäle in der Jahnstraße wurde im Jahre 1914 durchgeführt, wobei im Keller des Schulgebäudes auch ein Volksbad - Duschen und Wannenbäder - entstand.

Die Erweiterung der Schule war sicher notwendig, wenn man sich die Schülerzahlen betrachtet:

1909       1911      1912      1913      1914      1915

  204         211        251       285*)     292        299 Kinder

*) davon 140 Knaben und 145 MädchenEschborn Schulgebäude

 

Das Schulgebäude mit zwei Schulsälen im Obergeschoß, einer Lehrerwohnung und der Gemeinderegistratur im Untergeschoß - um 1920. Nach dem Bau der Schule in der Jahnstraße, bis zum Bau des Rathauses im Unterort 1968, wurde es als Rathaus genutzt. Die Eingangstreppe hatte die Breite des Bürgersteiges. Wer nicht auf die Straße ausreichen wollte, mußte über die Treppe laufen.

 

Eschborns Schulgebäude in der Jahnstraße (heute Vereinshaus) - Anfang der 20er Jahre. Auf der an dem Gebäude angebrachten Bronzetafel ist über seine Geschichte folgendes zu lesen: "Erbaut 1902, da die Schule an der Linde zu klein geworden war. Sie bestand zunächst aus zwei Schulräumen und zwei Lehrerwohnungen. 1914 wurden an das Gebäude zwei weitere Schulräume angebaut und im Keller ein Volksbad eingerichtet. 1951-1953 erfolgten weitere Umbauten. Heute wird das Gebäude als Jugendzentrum und Vereinshaus genutzt."Eschborn Jahnschule

 

Die vierte Lehrerstelle mußte am 1. April 1911 eingerichtet werden. Sie wurde mit Lehrer Hermann Schmidt besetzt, der in die Schulchronik schrieb, daß die Klasse mit "46 Kindern" besetzt war. Es waren 21 Knaben und 25 Mädchen.

Vielleicht kann man sich damit ein Bild über die damalige Schüler-Lehrer-Relation machen, die heute beachtlich anders ist.

Der Pfarrer als Schulinspektor

Der Pfarrer des Ortes war der Ortsschulinspektor, da Schule und Kirche eine enge Zusammenarbeit im Sinne geistiger und seelischer Erziehung zu gewährleisten hatten. Seit 1906 versah Pfarrer Adolf Paul, der Vater unseres Ehrenbürgers Pfarrer Adolf Paul, die Funktion des Schulinspektors. Den Religionsunterricht mußten die Lehrer geben, auch im Nachbarort, für "religiöse Minderheiten". In Eschborn war die evangelische Konfession vorwiegend, in Niederhöchstadt die katholische. Dementsprechend waren die Eschborner Lehrer evangelisch und die Niederhöchstädter katholisch. 1901 wurde durch "Verfügung der Königlichen Regierung zu Wiesbaden" der Eschborner Lehrer Dietrich verpflichtet, den evangelischen Religionsunterricht den Kindern in Niederhöchstadt und Sulzbach zu erteilen. Die Vergütung dafür betrug im Jahr 100,- Mark.

Die geistliche Ortsschulaufsicht durch den "Königlichen Ortsschulinspektor" wurde in Preußen Ende 1918 aufgehoben.

Seit dem 1. November 1914 bestand an der Eschborner Volksschule eine Stelle für eine katholische Lehrkraft. Im Schuljahr 1913/14 gehörten von 185 Schülern 17 der katholischen Religion an.

Dieser ländlichen Gemeinde stand seit dem Jahre 1894 der Landwirt Johannes Kerber als Bürgermeister vor. Ihm zur Seite zwei Schöffen. Er wurde am 29. September 1894 mit einer knappen Mehrheit gewählt. Daß er bis in das Jahr 1913 dieses Amt bekleidete, ist sicher seiner Tüchtigkeit zuzuschreiben. Während seiner Amtszeit wuchs sowohl die mit Wohnhäusern bebaute Fläche, als auch die der Industrieansiedlung und die Zahl der Bevölkerung.

Das Drei-Klassen-Wahlrecht

Wir Heutigen haben kaum eine Vorstellung von den politischen Rechten der Menschen in dieser Zeit, die vor allem durch das "Drei-Klassen-Wahlrecht" gekennzeichnet sind. Es wurde für das preußische Abgeordnetenhaus im Jahre 1849/50 eingeführt. Für das Königreich Sachsen erst im Jahre 1896.

Die Urwähler waren in drei Klassen eingeteilt, die sich aus den aufgebrachten Steuern ergeben. Jede Klasse hatte die gleiche Anzahl von Wahlmännern, die erst ihren Abgeordneten wählen konnten. Für Eschborn gab es z. B. 1903 vier Wahlmänner.

Interessant, wie ein Polit-Krimi, sind die Bestimmungen der "Landgemeindeordnung für die Provinz Hessen Nassau" vom 4. August 1897. In der 3. Auflage vom September 1904 lesen wir wörtlich:

    "Wir WILHELM,
    von Gottes Gnaden König von Preußen etc. etc. verordnen unter Zustimmung beider Häuser des Landtages für die Provinz Hessen-Nassau, was folgt:..."

Es folgt der Gesetzestext.. . mit der Schlußbemerkung:

    "Urkundlich unter Unserer Höchsteigenen Unterschrift und beigedrucktem Königlichem Insiegel. Gegeben an Bord M. Y. Hohenzollern Kiel, den 4. August 1897."

Das Gemeinderecht - und damit das Wahlrecht - mußte von jedem männlichen selbständigen Gemeindeangehörigen erworben werden, was ihm nur gewährt wurde, wenn er bestimmte Voraussetzungen erfüllte.

Er durfte z.B. keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln beziehen und keine Gemeindeabgaben schulden, er mußte für seinen Grundbesitz mindestens mit 3,- Mark zur Grund- und Gebäudesteuer oder zur Staatseinkommenssteuer von mindestens 4,- Mark veranlagt sein oder mehr als 600,- Mark Einkommen haben. Dazu die Wohnsitzbestimmung, mindestens zwei Jahre am Ort zu wohnen etc., wie sie auch heute noch z.T. üblich sind.

Hat er alle diese Voraussetzungen erfüllt, wird er in die betreffende Wählerklasse eingeteilt.

1. Abteilung = 3. Klasse = 2 Stimmen
20,- bis 50,- Mark Grund- und Gebäudesteuer oder 3,- Mark Steuer als Miteigentümer oder 4.000 Mark Staatssteuer oder mehr als 600 Mark Einkommen oder als Gewerbetreibender in der 3. Steuerklasse einen Ertrag von 4.000 Mark im Jahr auf weisen

2. Abteilung = 2. Klasse = 3 Stimmen
50,- bis 100,- Mark Gemeindesteuer
oder als Gewerbetreibender 20.000 Mark nachweisen

3. Abteilung = 1. Klasse = 4 Stimmen
über 100,- Mark Gemeindesteuer zahlen
oder 50.000 Mark Jahresertrag als Gewerbetreibender nachweisen

Zur 1. Klasse gehörten 4 %,
zur 2. Klasse 16 % und
zur 3.Klasse 80 % der wahlberechtigten, männlichen Bevölkerung.

Jeder Wähler mußte laut zu Protokoll geben, wem er seine Stimme geben wollte.

 

Für die Nationalversammlung abgegebene Stimmen im preußischen Eschborn:

Jahr 1884

insgesamt
127

Bürgerliche
101

Sozialistische
26

1890

191

131

60

1893

 

 

88

1898

232

128

104

1903

 

 

203

1912

304

108

196

1919

 

333

540

Nicht aber so im Gemeidewahlrecht, z.B. für die Bürgermeisterwahl und für die Gemeindeverordneten (Gemeindevertretung). Hier gab jeder seinen verschlossenen Umschlag ab, wobei natürlich die Wahlklassen beibehalten wurden.
Eschborn Bahnhof

Am 19. August 1874 fuhr erstmals ein Zug auf der Strecke Kronberg-Rödelheim. Es waren 14 Materialwagen, von der mit Blumen geschmückten Lokomotive "Feldberg" gezogen. 25 Minuten brauchte er für die Strecke. Am 1. November desselben Jahres wurde der Personenverkehr aufgenommen. Für Eschborn soll damals "die neue Zeit" begonnen haben. Die Abbildung zeigt den ersten Eschborner Bahnhof, der sich um die Jahrhundertwende als zu klein erwies. 1904 wurde er abgerissen und ein größerer gebaut, der wiederum 1978 einem modernerem Bau weichen mußte.

Der Bürgermeister

Die Gemeinde wurde vom Bürgermeister verwaltet und repräsentiert. Er stand auch der Gemeindevertretung und dem Gemeinderat vor. Bei einer Einwohnerzahl bis zu 2.000 standen ihm 2 Schöffen zur Seite, darüber mußten es 5 Schöffen sein. Die Gemeindeverordneten mußten die dreifache Zahl des Gemeinderates aufweisen. Mindestens aber 12, ausschließlich des Gemeinderates. Dies trifft auf Eschborn seit 1908 zu.

Der Bürgermeister wird für 8 Jahre, die Gemeindeverordneten für 6 Jahre gewählt. In den Fällen, in denen kein Ehemann als Eigentümer oder als Steuerzahler bei Gewerbeunternehmen vorhanden ist, hat die Frau ein Stimmrecht. Ansonsten sind Frauen nicht stimmberechtigt.

Der Bürgermeister
- ist die Obrigkeit der Gemeinde hat die Befugnis zur Aufnahme von Nottestamenten,
- ist Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft,
- handhabt die Ortspolizeibehörde,
- hat die Verrichtung des Amtsanwaltes zu besorgen,
- hat den Vorsitz in der Gemeindevertretung und im Gemeinderat.

Nach dem Gesetz besitzt er eine große Machtfülle, die er zum Wohle der Gemeinde anzuwenden hat.

 

Die Einführung der direkten und geheimen Wahl stellte Kaiser Wilhelm II. 1917 in Aussicht, wozu es aber, durch den Ausgang des Krieges bedingt, der zu seiner Abdankung 1918 führte, nicht mehr kam. Das Verhältniswahlrecht - nicht Mehrheitswahlrecht wie in Frankreich, England und USA - wurde erst mit der Ausrufung der Republik verwirklicht und freie und geheime Wahlen durchgeführt.
 

Eschborn Wurche574

Der 1895 verschickte "Gruß aus Eschborn" ist die älteste bisher bekannte Bildpostkarte unseres Ortes. Von den drei mit Jugendstilornamenten gerahmten Aufnahmen zeigt - die links oben, den Blick vom "Bellberg" in die "Bahnhofstraße". In der Bildmitte ist das ehemalige Gasthaus "Zum deutschen Kaiser" - heute Arztpraxis - und rechts das Haus Christoph zu sehen. Links unten das Gasthaus "Zum Nassauer Hof" mit einem Kerbebaum davor. Die Namen beider Hauser weisen in die Zeit, in der sie erbaut wurden. Die Abbildung oben zeigt uns, wie es um die Jahrhundertwende "Hinter der Heck" ausgesehen hat. Häuser gab es noch keine. Rechts ist die zum Nassauischen Hof gehörende Kegelbahn und links, etwa in Bildmitte, sind aufgeschichtete. im Feldbrand" hergestellte Backsteine zu sehen.

Im Jahre 1900 wurde der seit 1894 im Amt stehende Bürgermeister Johannes Kerber fast einstimmig wiedergewählt und 1908 mit großer Mehrheit. Diese Wiederwahlen haben etwas mit dem Wachstum und dem Beginn der modernen Infrastruktur zu tun, auf die der Bürgermeister großen Einfluß nahm.

Bautätigkeit und Ziegeleien ab 1900

In den Jahren 1901 bis 1904 wurden in der Götzengasse, auf dem "Bellberg", in der Jahnstraße und in der Paulgasse Wohnhäuser gebaut. Der Bauunternehmer Paul aus Schönberg legte mit dem Bau eines Zweifamilienhauses den Grundstock zur Paulgasse. Ab etwa 1906 erfolgte die Bebauung der alten Niederhöchstädter Straße (heute ein Teil der Hauptstraße) und in der Schwalbacher Straße. Die Kronberger Bahn, die seit 1874 besteht, erhielt 1904 ein größeres Stationsgebäude.

Die zum Bauen benötigte Backsteine wurden zum Teil im offenen Feldbrand hergestellt, z.B. im Gebiet "Hinter der Heck". Der Lehmbestand, d.h. die Lößschicht, wurde zur Niederhöchstädter Straße hin "abgestochen" und auf den abgetragenen Flächen wurden Häuser errichtet.

Im Ort gab es zwei Ziegeleien. Beide waren mit Ringöfen ausgestattet. Viele Ortsansässige und auch Auswärtige fanden hier Arbeit.
Eschborn Rübsamensche Ziegelei

Die Rübsamsche Ziegelei Anfang der 30er Jahre. Heute stehen hier die Südwest-Schule, Kindergarten und die Hochhäuser der Berliner Straße. Links ist das Maschinenhaus, rechts der Ringofen und im Vordergrund die Trockenhurden. Letztere waren nach der Einstellung der Produktion 1941 und in den ersten Nachkriegsjahren begehrte "Brennholzlieferanten". Aber nicht nur das Holz, auch die Ziegeln von den Dächern und die Backsteine des Mauerwerks waren begehrtes Baumaterial und auf dem Markt kaum zu bekommen.

Seit 1890 die Ziegelei Rübsamen, deren Produktionsstätte in der Flur "Auf der Sulzbacher Hohl" - im Bereich der heutigen Berliner Straße, Heinrich-Graf-Sportanlage und dem Südpark, lag. Bis 1911 wirkte hier der aus dem Lippischen stammende Ziegelmeister August Junker, der Großvater des heutigen Bäckermeisters Karl Rapp. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Ziegelei geschlossen und später völlig abgebaut. Das "Freie Deutsche Fernsehen" - heute ZDF - strahlte von hier aus am 1. April 1963 seine ersten Sendungen aus.

Im Ostteil unserer Gemarkung, in der Flur "Links dem Rödelheimer Weg", befand sich die Ziegelei "Hoch/Tief". Heute steht hier das "Novotel". Sie wurde 1896, damals eine kleine Feldbrandziegelei des aus Bocum stammenden "Bauern und Backsteinfabrikant" Adolf Ostertag, von den Brüdern Philipp und Balthasar Helfmann erworben und mit einem Ringofen ausgestattet. Die mit Handstrichziegeln aufgenommene Produktion wurde mit dem Einbau einer Strangpresse 1936 auf maschinelle Herstellung umgestellt. Mit ihr konnte die Jahresproduktion von 3 auf 5 Millionen Steine gesteigert werden. Bei dem großen Luftangriff auf Frankfurt in der Nacht vom 22. auf den 23. März 1944 wurde auch die Ziegelei zum Teil zerstört. Bei diesem Angriff fand der Ziegelmeister Wellner den Tod. Nach dem Wiederaufbau 1949, dem Einbau einer Trocknungsanlage und mit einer Belegschaft von 120 Mann konnte die Jahresproduktion auf 12 Millionen Steine erhöht werden. Doch mit dem Aufkommen großformatiger Hohlblocksteine aus Bims und der rationelleren Betonbauweise ging die Nachfrage für die kleinformatigen Backsteine rapide zurück. Im Dezember 1957 wurde die Produktion für immer eingestellt.

Eine andere Ertragsquelle war die "Fettschmelzerei" auf dem Anwesen Hauptstraße 24. Sie war mitten im Ort, dort wo heute der Parkplatz neben dem ev. Gemeindezentrum ist (2006: auch das ist vorbei!). Die Gebrüder Roßwald betrieben hier die Verwertung von Knochen und Tierfetten zur Herstellung von Fetten und Ölen, auch Fettsäure - die eine Erhitzung von 80-100°C erforderte - für die Industrie. Pfarrer Paul sagt in seiner Chronik: "Der böse Geruch brachte Eschborn in der Umgebung in Verruf." Die Gebäude der Fettschmelze wurden im November 1913 von der Gemeinde Eschborn erworben und zum Betrag von 2.000,- Mark jährlich verpachtet. Die Militärverwaltung betrieb während des Ersten Weltkrieges hier eine Schweinemästerei.
Eschborn Lehmstechen

Mit seinen an manchen Stellen bis zu 12 Meter tiefen Lösschichten war die Eschborner Gemarkung ein idealer Standort für die Ziegelherstellung. Trotzdem - oder war der fruchtbare Boden unseren Altvorderen zu Schade dafür - wurde hier verhältnismäßig sehr spät, erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Ziegelherstellung begonnen. Zuerst nur als Feldbrand. 1890 wurde der erste Eschborner Ringofen der "Rübsamschen Backsteinfabrik" in Betrieb genommen. Die Arbeiten an den Ziegeleien waren schwer und witterungsabhängig. Die Abbildung oben zeigt die Ziegeleiarbeiter N. N., Leo Schulz und Georg Milke beim "Lehmstechen" - Anfang der 30er Jahre.
Eschborn - Georg Löffel

Georg Löffel, Fuhrmann bei der Rübsamschen Ziegelei, und drei uns namentlich nichtbekannte Ziegeleiarbeiter beim Verladen der Backsteine auf dem Eschborner Bahnhof - Anfang der 30er Jahre.

Kaiser und Kaiserin in Eschborn!

Als die Kaiserin Auguste Viktoria im Oktober 1917 den "kriegswichtigen" Betrieb besuchte und sich mit den dort beschäftigten Soldaten unterhielt, war das für Eschborn sicher die Sensation des Tages.

Nach Aussagen älterer Eschborner Bürger fuhr der Kaiser oft durch Eschborn, wenn er seine Mutter, die Kaiserin Friedrich, im Schloß Friedrichshof besuchte. Wiederum andere erzählen, daß sie ihn, den Kaiser, nie gesehen hätten, wenn er mit der Bahn nach Kronberg fuhr. Die Vorhänge wären immer zugezogen gewesen. Er soll jedes Jahr einmal über Eschborn nach Kronberg gefahren sein.

Eine andere Aussage lautet: Kurz vor dem Kriege hieß es "der Kaiser kommt!" Wir hatten an diesem Tag schulfrei und standen in Reihen gegenüber der Kirche. Es kam eine Kolonne von etwa zehn Wagen. In einem offenen Wagen stand der Kaiser und winkte uns zu. Als die Wagenkolonne vorbei war, gab es für uns Schulkinder in der "Bauernschänke" je eine "Kaiserbrezel", die vom Kriegerverein gestiftet wurde.

Noch mehr Arbeitsplätze: Schiele  Co.

Dem aufstrebenden Dorf Eschborn wird eine Meldung in der "Sossenheimer Zeitung" gerecht - das entspricht dem Bedürfnis, hier weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Am 12. Juli 1905 steht da u.a., daß eine "Wwe. Michel für 117.000,- Mark Gelände für eine Fabrikanlage der Maschinenfabrik Schiele & Co., Bockenheim, aufkauft". Wir wissen heute, daß es 50.000 qm waren, gelegen an der Bahnlinie Eschborn-Niederhöchstadt. Der Kaufpreis für den Quadratmeter betrug 2,34 Mark. Für die damalige Zeit viel Geld. Das Ackerland wurde Anfang der 20er Jahre mit 1,- Mark pro qm gehandelt.
Eschborn G. Schiele  Co.
Eschborn Wurche579

Mit dem Bau der Maschinenfabrik und der Eisengießerei G. Schiele und Co. kam die Industrie nach Eschborn. Das 1865 in der Frankfurter Biebergasse von Gustav Schiele gegründete Unternehmen erwarb in Eschborn ein Gelände von 50.000 qm, auf dem er die Fabrikanlage baute, in der viele Eschborner eine Arbeitsstätte fanden. Die Abbildung zeigt die 1908 gebaute große Montagehalle mit den beiden Seitengalerien.

Die Firma Schiele & Co, im Jahre 1865 von Ing. Christian Schiele, und seinem Vetter, dem Kaufmann Georg Schiele in Frankfurt am Main, gegründet, befaßte sich mit dem Bau von Ventilatoren für Feldschmieden, mit Grubenventilatoren und mit Zentrifugalpumpen. Bereits im Jahre 1910 war das Absatzgebiet der Firma die ganze Welt.

Auf der Pariser Weltausstellung 1889 war sie mit ihren Produkten präsent. Die Motorspritze der Frankfurter Feuerwehr fertigte die Firma Schiele & Co an.

1908 wurde auf dem Eschborner Gelände neben der Bahn die Eisengießerei und Modellschreinerei fertiggestellt und in Betrieb genommen. Schon 1913 errichtete man den Verwaltungsbau und das private Wohnhaus - heute unter dem Namen "Villa Luce" als Wohnheim für Behinderte bekannt.

Obwohl die Entwicklung der Firma positiv verlief oder gerade deshalb, gab es auch manche "Schwierigkeiten" mit den dort Beschäftigten. Im Oktober 1910 streikten 60 bis 80 Arbeiter im Eschborner Werk, weil sie von dem Werkmeister Ziegler unsanft behandelt wurden. Sie demonstrierten vor dem Hause des Werkmeisters, so daß die Polizei eingesetzt werden "mußte". Vier Wochen dauerte der Streik und endete mit einem Prozeß wegen Beleidigung. Der Formermeister hatte Anzeige wegen Beleidigung seiner Frau und seiner Tochter erstattet. 4 Monate später, am 8. Februar 1911, wurden in dem Prozeß zwei Angeklagte mit je 40,-Mark bestraft, dazu das Recht für den Kläger auf Veröffentlichung. Zwei weitere Angeklagte wurden freigesprochen, da hier Beleidigung gegen Beleidigung stand.

Auf die weitere Entwicklung der Firma kommen wir später nochmals zurück. Lassen Sie uns hier einige Ereignisse, die in den Zeitungen standen und damals das Tagesgespräch in Eschborn bildeten, kurz einfließen. Dazu muß allerdings gesagt werden, daß wir zwar in der glücklichen Lage sind, etliche Zeitungsnotizen aus dieser Zeit zu besitzen, aber leider sind uns oft weder der Name der Zeitung noch Tag, Monat und Jahr des Ereignisses bekannt.

Eschborner Ereignisse, die in Zeitungen standen

- Der Dekan August Menke, seit 1877 Pfarrer in Eschborn, sorgte für die Ausschmückung der alten Kirche und stiftete drei große Kirchenfenster, davon stellt eines den segnenden Christus dar.
- Sein Sohn, Pfarrer Oskar Menke, stiftete im April 1906 der Kirchengemeinde 20.000,- Mark zur Gründung und Unterhaltung einer Krankenschwesterstation, unter dem Namen "Dekan-Menke-Stiftung". Bereits 1907 konnte die Station mit einer Diakonissen-Schwester besetzt werden.
- Der Nachfolger Menkes, Pfarrer Adolf Paul sen., richtete 1907 einen Leseverein ein. - Es war die erste Bücherei in Eschborn.
- Die Volkszählung im Januar 1906 ergab für Eschborn eine Zahl von 1.280 Einwohnern.
Eschborn Ortsausfahrt Rödelheim

Die Abbildung zeigt die ehemalige Ortsausfahrt m Richtung Steinbach - um 1910. Rechts zweigt die Straße nach Rödelheim ab - heute Liebigweg. Im Vordergrund rechts steht der ehemalige Wagenschuppen des Landwirtes Jakob Christoph, in der Mitte das Haus des Schlossers Müller - heute Zaß -und im Hintergrund das Haus des Schreiners Epp - heute Schiebener.

- Am 2. März 1907 meldet die "Sossenheimer Zeitung", daß man in Eschborn auf den Gleisen der Kronberger Bahn an der Elisabethenstraße die Leiche eines unbekannten Mannes fand, dem von der Bahn beide Beine abgefahren waren.
- Weiter weiß sie an demselben Tag zu berichten, daß man einen 19 Jahre alten Dreher im Abort der elterlichen Wohnung erhängt aufgefunden hat. Was den jungen Mann zu diesem unseligen Schritt getrieben hat, sei ihr nicht bekannt.
- Am 19. Juni 1907 meldet dieselbe Zeitung, daß sich am Samstag-Abend gegen 11 Uhr bei Eschborn ein schweres Automobil-Unglück ereignete. Der Chauffeur Josef Bitterlin, der im Dienst des Rittergutsbesitzers Mummy von Burg Herrenhausen bei Hannover ist, und zur Zeit in Frankfurt im "Englischen Hof" wohnt, machte mit einem Freund und der 20jährigen Wirtstochter Johanna Knoth aus Bockenheim sowie deren Bräutigam eine Spazierfahrt nach Eschborn. Mit einer Geschwindigkeit von 80 Kilometer in der Stunde ließ er seinen 60-pferdigen Opelwagen auf der Landstraße zwischen Rödelheim und Eschborn sausen. In der Dunkelheit kam er in der Nähe von Eschborn an einer Kurve in den Chausseegraben. Der Wagen überschlug sich und der Chauffeur und das Mädchen gerieten unter den Wagen und wurden lebensgefährlich verletzt. Die beiden anderen Insassen kamen mit dem Schrecken davon.
- 17. Juli 1907: Das dreijährige Kind der Susanne Eck ist in die Jauchegrube gefallen. Herr Bonn von der Freiwilligen Sanitätskolonne Kronberg und der Arbeiter Zickwolf retteten das Kind. Künstliche Beatmung durch Herrn Bonn.
- Als die Eheleute Philipp Jakob Junghenn und Apollonia Kerber am 11. März 1908 ihre Goldene Hochzeit feierten, verlieh ihnen der Kaiser die Ehejubiläumsmedaille.
- Vor zwei Jahren wurde in Eschborn das Verbandsfest des Kreis-Kriegervereins Höchst mit einem Festessen im "Goldenen Hirsch" mit 100 Personen gefeiert. Am Nachmittag fand ein großer Umzug mit Fahnen statt, an dem 30 Vereine teilnahmen.
- Am gleichen Abend dieses Tages hatte die Freiwillige Feuerwehr von Sossenheim im Eschborner "Nassauer Hof" ein Gartenfest. Gegen 11.00 Uhr abends gab es Feueralarm. Es brannte an zwei Stellen gleichzeitig. Eine Scheune im Unterort und eine am Dörnweg. Es war Brandstiftung, zu der Erzählungen kursierten, daß der erste Brand zu früh angelegt worden sei. Die Wiesbadener Staatsanwaltschaft untersuchte die Brände. Da man kein Ergebnis aufweisen konnte, wurden 300,- Mark Belohnung ausgesetzt.

Die Konsequenz aus diesen Bränden zogen 20 Männer, mit dem Bürgermeister und dem Pfarrer an der Spitze. Sie bereiteten die Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr Eschborn vor, die dann am 26. Juli 1910 gegründet wurde. In dieser Woche bekam die Wehr die erste Schiebeleiter.

Die Aufwärtsentwicklung: öffentliche Wasserversorgung

Auf dem Gebiet der Modernisierung des Ortes begann im 1. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts eine große Betriebsamkeit, wie in vielen Orten Deutschlands. Bereits 1909 wurde ein "Zweckverband für Wasserversorgung" gegründet, in dem sich die Gemeinden Sossenheim (Sossenheim war bis 1928 eine selbständige Gemeinde), Unterliederbach, Eschborn und Sulzbach zusammenschlossen. Schon 1911 konnte der Betrieb aufgenommen werden. Bis es zu diesem Betrieb kam, waren viele Verhandlungen, Beratungen und sogar Enteignungsverfahren erforderlich.

Zum Bau des Eschborner Hochbehälters in der Flur "Unter dem Schwalbacher Weg", dicht an der Schwalbacher Gemarkungsgrenze - wurde im Enteignungsverfahren der Geländepreis von damals üblichen 1,50 Mark pro Quadratmeter auf 6,- Mark hochgepokert. Der dort angelegte Hochbehälter faßte 450 cbm Wasser und hatte eine Höhe von 80 Metern zu überwinden.

In dieser "Entwicklungszeit" löste auch der Wasserpreis heftige Diskussionen aus, der in politischen Versammlungen genügend Zündstoff bot. Über das Thema "Gruppenwasserwerk und Wasserpreis" sprach in einer Versammlung am 27. Februar 1911 im "Nassauer Hof ein Dr. Quark aus Frankfurt, an der über 300 Personen teilnahmen. Auf der Versammlung wurde die Forderung gestellt, entweder einen Mindestverbrauch von 40 cbm Wasser festzulegen oder Wassermesser einzuführen. Der Wasserpreis sollte nicht auf den Mietwert geschlagen werden, da er große Familien dadurch benachteiligt.

Die Eschborner öffentliche Wasserleitung wurde im Jahr 1911 gebaut. Nachstehend die wichtigsten Paragraphen aus der "Wasserbezugs-Ordnung des Zweckverbandes der Gemeinden Eschborn, Sossenheim, Sulzbach und Unterliederbach für den Bau und Betrieb einer Wasserversorgungsanlage - genannt Gruppenwasserwerk Sossenheim".

Eschborn Wasserwerk

Die Abbildung zeigt das ehemalige "Eschborner Wasserwerk" - ein schöner Jugendstilbau - Mitte der 1880er Jahre. Anstatt ihn unter Denkmalschutz zu stellen, läßt man ihn mehr und mehr verkommen. Der Verfall ist an der von dem Kunstschlosser Nikolaus Müller hergestellten "schönsten Eschborner Tür" am weitesten fortgeschritten und nicht mehr aufzuhalten. Der 1910 von dem "Zweckverband für Wasserversorgung" gebaute Hochbehälter, in den das Wasser von dem "Gruppenwasserwerk" in Sossenheim hochgepumpt wurde, hat bis Mitte der 1960er Jahre Eschborn mit fließendem Wasser versorgt.

Mit dem § 34 wird die Höhe des Wassergeldes wie folgt festgelegt:
Für jede Wohnung in einem an die Verbands-Wasserleitung angeschlossen Hause ist eine Mindestabgabe zu entrichten. Zur Berechnung derselben werden die Wohnungen in folgende Klassen eingeteilt.

    Klasse 5 - Wohnungen mit 2 Räumen.
    Klasse 4 - Wohnungen mit 3 Räumen.
    Klasse 3 - Wohnungen mit 4 Räumen.
    Klasse 2 - Wohnungen mit 5 und 6 Räumen.
    Klasse l - Wohnungen mit mehr als 6 Räumen.

    Als Wohnräume galten auch Küchen, Ladenräume, sowie Kammern, wenn dieselben als Wohn- oder Schlafräume und nicht lediglich als Speicher- oder Lagerräume genutzt wurden. In zweifelhaften Fällen entschied darüber der Verbandsausschuß des Gruppenwasserwerkes.

In Fällen, in denen, wie dies zumal in alten kleinen Häusern oft vorkam, Wohnungen mit 3, 4 oder mehr kleinen Räumlichkeiten nicht annähernd dem Mietwert von Wohnungen mit den gleichen Anzahl Räumen in neueren, größeren Häusern entsprach und demgemäß auch ein geringerer Wasserverbrauch zu erwarten war, als für die betreffende Klasse vorgesehen war, konnte der Verbandsausschuß des Grundwasserwerkes die dauernde oder vorübergehende Versetzung einer solchen Wohnung in eine geringere Klasse zulassen.

Die festgesetzten Mindestsätze an Wassergeld, die für die jeweilige Klasse zu entrichten waren, waren in § 35 festgeschrieben. Danach war zu entrichten:

    - in Klasse l - monatlich 2,50 Mark,
    - in Klasse 2 - monatlich 2,00 Mark,
    - in Klasse 3 - monatlich 1,50 Mark,
    - in Klasse 4 - monatlich 1,00 Mark,
    - in Klasse 5 - monatlich 0,50 Mark.
    Eschborn Straßenbauarbeiten

Straßenbauarbeiten am "Dalles" im Jahre 1912. Im Hintergrund das Gasthaus "Zum goldenen Hirsch". Links stehen, mit ihrem sich auf den Hammer stützenden Boss in der Mitte, die daran beteiligten italienischen und rechts die deutschen Straßenbauarbeiter.

Jeder angefangene Monat wurde vollberechnet. Diese Preise setzten eine bestimmte Menge an Wasser fest, die für die betreffende Klasse verbraucht werden durfte.

    Klasse l - monatlich  10 Kubikmeter
    Klasse 2 - monatlich   8 Kubikmeter
    Klasse 3 - monatlich   6 Kubikmeter
    Klasse 4 - monatlich   4 Kubikmeter
    Klasse 5 - monatlich   2 Kubikmeter

Zeigte der "Wassermesser", wie die Wasserruhr damals genannt wurde, einen höheren Verbrauch an, als derselbe für die angesetzte Mindestmenge vorgegeben war, dann wurden für jeden weiteren Kubikmeter mehr verbrauchten Wassers 20 Pfennige berechnet. Wogegen für einen Minderverbrauch keine Rückvergütung gewährt wurde.

Das Wassergeld wurde von den Haus- und Grundstückseigentümern monatlich durch einen hierzu von der Verbandskasse des Gruppenwasserwerkes Beauftragten gegen Übergabe einer Quittung erhoben.

Strom- und Gas-Versorgung, Straßenbau

In diesen Jahren - und zwar 1910 - kam auch der elektrische Strom in das Westerbachdorf. 1911 begann die Gasversorgung. Der Gaslieferungsvertrag mit dem Höchster Gaswerk sah folgende Preise vor:

    für Gewerbetreibende 12 Pfennige pro cbm,
    für Privat 15 Pfennige pro cbm,
    zu Beleuchtungszwecke 18 Pfennige pro cbm.

    Es wurde also zwischen Kraft- und Heizzwecken und für die Beleuchtung unterschieden.

Im Jahre 1912 begann man mit der Pflasterung der innerörtlichen Straßen. Man holte sich dazu italienische Facharbeiter, die ihrem Rufe nach die besten Erfahrungen im Straßenbau hatten. Die Gemeindevertretung beschloß im Juli 1913, für den Straßenbau 50.000 Mark auszugeben. Die Bürgersteige im Oberort wurden hergestellt, in der Götzenstraße nur einseitig. Aus Schlacke wurden im Hansengraben und Hinter der Heck Gehsteige für die Fußgänger aufgeschüttet.
Eschborn Karl Reges mit Gespann

Karl Reges mit seinem Pferdegespann beim "Mistfahren" - 1932. Beim Anblick des Bildes wird mancher von uns heute naserümpfend an die von der Fuhre ausgehende "Landluft" denken. Damals war eine Fuhre Mist ein vertrautes Bild auf den Straßen unseres Dorfes. Mit der Landluft war und ist es wie mit dem Knoblauchduft. Wenn nur einer Knoblauch ißt, dann riecht es abscheulich, wenn sich aber alle dem Genuß hingeben, merkt man den Geruch gar nicht. Über einen Misthaufen rümpfte damals keiner die Nase, höchstens über einen Landwirt, der keinen hatte. Mistfahren, d. h. das Auf- und Abladen, war eine der schwersten körperlichen Arbeiten auf dem Bauernhof. Dies scheint aber Karl Reges nichts weiter auszumachen. Zumal ihn Philipp Diehl mit einem munteren Plausch durch die Oberortstraße begleitet. Daß der Geruch nur mit einer rauchenden Pfeife im Mund zu ertragen war, wie Spötter behaupten, stimmt nicht.

Ein paar kurze statistische Anmerkungen über das schon immer leidlich gewesene Thema "Verkehr":

- 1899 fuhr Heinrich Opel erstmals mit einem zweisitzigen Motorwagen durch Eschborn.
- 1912 wurde eine Polizeiordnung herausgegeben, die besagte, daß Straßen mit Wasser besprengt werden müssen, um die Staubentwicklung zu vermindern.
- 1936 gab Bürgermeister Arthur Hartmann bekannt, daß in der Stunde 280 Pkw und Lkw durch Eschborn fahren.
- 1982 ergab die Verkehrsuntersuchung von Prof. Mensenbach eine Verkehrbelastung von ca. 4.784 Kraftfahrzeugen in und durch Eschborn.

Ehe die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zum Abschluß kommt, soll hier eine Alt-Eschbornerin noch zu Wort kommen. Sie ist überzeugt, daß "die Zeit früher schöner war. Die Feste wurden gemeinsam gefeiert! Im Winter war die ganze Bach zugefroren. Oben (in den Oberwiesen) ein Weiher und unten (in den Unterwiesen) ein Weiher. Da sind wir Schlittschuh gelaufen."

War es wirklich um so vieles schöner?

Steuern und ärztliche Betreuung

Aber die Steuern mußten auch damals bezahlt werden.

Die Rechnungslegung über die Gemeindefinanzen für das Jahr 1910 erbrachte an Einnahmen 56.100,12 Mark und an Ausgaben 46.366,00 Mark, das ergibt einen Überschuß von 9.743,12 Mark.

Der Haushaltsansatz war für 1913 mit 64.658,84 Mark an Einnahmen festgestellt, denen 64.016,05 Mark an Ausgaben gegenüberstanden. Allerdings wurden die Steuern in diesem Jahr erhöht.

Die ärztliche Betreuung erfolgte von Kronberg und Rödelheim. Der Arzt aus Rödelheim kam am Montag und am Mittwoch und der aus Kronberg am Montag, am Mittwoch und am Freitag. In dringenden Fällen mußte man in ihre Praxis fahren oder sie wurden gerufen.

Schon 1902 wurde ein "Verein zur Beschaffung ärztlicher Hilfe" ins Leben gerufen, aber erst 1925 wurden diese Bemühungen belohnt. Dr. Raida war der erste Arzt, der sich in Eschborn niederließ.