1914

Eine schwere Zeit ist unerwartet über unser Volk und Vaterland hereingebrochen. Der Krieg, den die meisten nur vom Hörensagen kennen und den die Friedensliebe unseres Kaisers stets von unserem Vaterlande fernhielt, pocht diesmal unerbittlich an unsere Tore. Noch ehe er wirklich da war, spürten wir schon, wie er störend und lähmend in den wirtschaftlichen Verkehr eingreift, wie er den Wohlstand gefährdet und vor allem, wie er unsere eigene Existenz und unser Familienleben bedroht. Muß doch jede Familie, ohne Unterschied des Standes, mit der Möglichkeit rechnen, dem Vaterland ein Opfer zu bringen, ja sogar sein Liebstes hingeben zu müssen. Hier ist es der Gatte und Vater, der Ernährer der Familie, dort der Sohn und Bruder, in vielen Fällen der einzige, und da der Bräutigam, der hinaus ins Feld zieht und vielleicht nicht wieder heimkehrt.

In wie vielen Herzen derer, die daheim bleiben und die hinaus ins Feindesland ziehen, mag die quälende Frage aufsteigen: Ob wir uns wohl wiedersehen? Haben wir ehrliches Mitgefühl mit allen aus deren Armen sich ein Gatte, Vater oder Sohn reißt, aber machen wir den Unseren, die zur Verteidigung des Vaterlandes auf ihren Platz eilen, das Herz nicht schwer, sondern mahnen wir sie, zum Wohle des Vaterlandes alle Kräfte einzusetzen, und wenn es sein muß, selbst das Leben hinzugeben. Auch heute soll bei uns der schöne Spruch gelten: "Süß und ehrenvoll ist der Tod für's Vaterland."

Es hat keinen Zweck, darüber nachzugrübeln, welches der äußere Anlaß dieses Krieges ist. Rechnen wir lieber mit ganzem Ernste mit der Tatsache, daß er jetzt da ist. Er war unvermeidlich, er mußte kommen.

Viele beklagen es, vielleicht mit Recht, daß der Krieg nicht schon früher geführt wurde, als die Verhältnisse für uns günstiger lagen und uns der sichere Siegespreis winkte. Wir haben festes Vertrauen zum Siege, weil wir mit reinem Gewissen in den Kampf ziehen, weil wir uns sagen können, wir haben diesen Krieg nicht gewollt.

[Mit Gott für das Vaterland… und gegen die Sittenlosigkeit]

Deshalb dürfen wir mit reinem Gewissen zu dem Lenker der Schlachten aufschauen und mit Gott vertrauen in den Krieg hineingehen. Er, der früher unseren Vätern beigestanden hat, wird uns sicher auch jetzt nicht verlassen. In diesem Gottvertrauen wollen wir uns stärken. Wir stehen erst an der Schwelle einer sehr schweren, ernsten Zeit. Sie wird aber noch viel schwerer und sorgenvoller werden. Um sie durchzuhalten, dazu wird viel Mut, viel Opferwilligkeit und viel Brudersinn nötig sein. Und seien wir uns in diesen ernsten Stunden einmal ehrlich: sind sie uns nicht nötig und heilsam? Wenigstens der überwiegenden Mehrheit unserer Volksgenossen. Ist es nicht manchem Volks- und Vaterlandsfreunde zuweilen bange geworden, wenn er in unser Volksleben hineinschaute und dort die grenzenlose Oberflächlichkeit, die Zunahme von Leichtsinn und Gedankenlosigkeit, die schwindende Zucht und Sitte in den Häusern, die wachsende Unzufriedenheit und die maßlosen Lebensansprüche wahrnahm, die Sucht nach dem Vergnügen und dem Genuß nachzujagen und zum einzigen Lebenszweck zu erheben? Je reicher aber unser Volk in allen seinen Schichten geworden, desto mehr hat es geglaubt, den allmächtigen Gott entbehren zu können.

Wie sah es nun in dieser Hinsicht in unserer Gemeinde aus? War nicht auch in unserer Gemeinde das Volksleben vergiftet? Betrachten wir uns die Verhältnisse einmal näher.

Der Bauernstand, obwohl der wichtigste Stand, war nicht mehr geachtet. Der Bauer, der sich Tag für Tag auf seiner Scholle abmühte, wurde verlacht. Selbst Bauernsöhne wollten nicht mehr Bauern werden, sondern lernten Handwerke oder gingen in die Fabriken, um viel zu verdienen. Seine Erzeugnisse mußte er für billigen Preis absetzen, da das Ausland billiger liefern konnte. Viel besser war es mit den Arbeitern und dem Handwerkerstand bestellt. Die Arbeitslöhne gingen stetig in die Höhe. Der Arbeiter konnte infolgedessen besser leben als früher. An Sonntagen gingen die meisten Arbeiter den Vergnügungen nach. Fest auf Fest wurde auch in der hiesigen Gemeinde gefeiert. Konnte man sich im Dorf nicht Vergnügen genug machen, so ging man mit der ganzen Familie nach auswärts. Die Folge davon war, daß das religiöse Leben abnahm. Der Kirchenbesuch, namentlich unter der männlichen Bevölkerung, ließ viel zu wünschen übrig und die gute alte Sitte, wenigstens am Sonntagmorgen seinen religiösen Pflichten nachzukommen, schwand. Daß es unter solchen Verhältnissen auch bei manchem in sittlicher Hinsicht nicht gut stand, ist leicht zu denken.

[Ich kenne nur noch Deutsche]

Der Kaiser hat die Mobilmachung von Heer und Flotte befohlen. Als erster Mobilmachungstag gilt der 2. August 1914. Die Schicksalsstunde für das deutsche Volk hat geschlagen. Ein eisernes Ringen der Völker wird beginnen. Das deutsche Volk hat nun zu zeigen, daß es der Väter würdig ist, seine Ehre zu wahren und Heimat und Herd zu schützen weiß.

Am 14. August 1914 trat der Reichstag zusammen. In dieser außerordentlichen Session hielt der Kaiser folgende Ansprache:

    »Geehrte Herren!

    In schicksalsschwerer Stunde habe ich die gewählten Vertreter des deutschen Volkes um mich versammelt. Fast ein halbes Jahrhundert lang konnten wir auf dem Wege des Friedens verharren. Versuche, Deutschland kriegerische Neigungen anzudichten und seine Stellung in der Welt einzuengen, haben unseres Volkes Geduld oft auf harte Proben gestellt. In unbeirrbarer Redlichkeit hat Meine Regierung auch unter herausfordernden Umständen die Entwicklung aller sittlichen, geistigen und wirtschaftlichen Kräfte als höchstes Ziel verfolgt. Die Welt ist Zeuge geworden, wie unermüdlich wir in dem Drang und den Wirren der letzten Jahre in erster Reihe standen, um den Völkern Europas einen Krieg zwischen den Großmächten zu ersparen. Die schwersten Gefahren, die durch die Ereignisse auf dem Balkan heraufbeschworen wäre, schienen überwunden. Da tat sich durch die Ermordung meines Freundes, des Erzherzogs Franz Ferdinand, ein neuer Abgrund auf. Mein hoher Verbündeter, der Kaiser und König Franz Joseph, war gezwungen, zu den Waffen zu greifen, um die Sicherheit seines Reiches gegen gefährliche Umtriebe aus einem Nachbarstaat zu verteidigen. Bei der Verfolgung ihrer berechtigten Interessen ist der verbündeten Monarchie das Russische Reich in den Weg getreten. An die Seite Österreich-Ungarns ruft uns nicht nur unsere Bündnispflicht, uns fällt zugleich die gewaltige Aufgabe zu, mit der alten Kulturgemeinschaft der beiden Reiche unsere eigene Stellung gegen den Ansturm feindlicher Kräfte zu schirmen.

    Mit schwerem Herzen habe ich meine Armee gegen einen Nachbarn mobilisieren müssen, mit dem sie auf so vielen Schlachtfeldern gemeinsam gefochten hat und mit aufrichtigem Leid sah ich eine von Deutschland treu bewahrte Freundschaft gebrochen. Die kaiserlich-russische Regierung hat sich, dem Drängen eines unersättlichen Nationalismus nachgebend, für einen Staat eingesetzt, der durch die Begünstigung verbrecherischer Anschläge das Unheil dieses Krieges veranlaßte.

    Daß auch Frankreich sich auf die Seite unseres Gegners gestellt hat, konnte uns nicht überraschen. Zu oft sind unsere Bemühungen, mit der französischen Republik zu freundlicheren Beziehungen zu gelangen, auf alte Hoffnungen und alten Groll gestoßen.

    Geehrte Herren! Was menschliche Einsicht und Kraft vermag um ein Volk für die letzten Entscheidungen zu wappnen, das ist mit Ihrer patriotischen Hilfe geschehen. Die Feindseligkeit, die im Osten und Westen seit langer Zeit um sich gegriffen hat, ist nun zu hellen Flammen aufgelodert. Die gegenwärtige Lage ging nicht aus vorübergehenden Interessenkonflikten oder diplomatischen Konstellationen hervor, sie ist das Ergebnis eines seit langen Jahren tätigen Übelwollens gegen die Macht und das Gedeihen des Deutschen Reiches. Uns treibt nicht Eroberungslust, uns beseelt der unbeugsame Wille, den Platz zu bewahren, auf den Gott uns gestellt hat, für uns und alle kommenden Geschlechter. Aus den Schriftstücken, die Ihnen zugegangen sind, werden sie ersehen, wie Meine Regierung und vor allem Mein Kanzler bis zum letzten Augenblick bemüht war, das Äußerste abzuwenden.

    In aufgedrungener Notwehr, mit reinem Gewissen und reiner Hand ergreifen wir das Schwert. An die Völker und Stämme des Deutschen Reiches ergeht der Ruf, mit ihrer gesamten Kraft in brüderlichem Zusammenstehen, mit unseren Bundesgenossen das zu verteidigen, was wir in friedlicher Arbeit geschaffen haben. Nach dem Beispiel der Väter fest und getreu, ernst und ritterlich, demütig vor Gott und kampfesfroh vor dem Feind, so vertrauen wir der ewigen Allmacht, die unsere Abwehr zu gutem Ende lenken wolle.

    Auf Sie, meine geehrte Herren, blickt heute, um seine Fürsten und Führer gescharrt, das ganze deutsche Volk.«

Nachdem der Kaiser die Thronrede zu Ende gelesen hatte, fuhr er frei fort:

»Wie ich schon früher vom Schlosse aus dem Volke gesagt habe, kenne ich im jetzigen Augenblick keine Parteien, sondern nur Deutsche. Ich fordere die Parteiführer auf, hervorzutreten und Mir durch Handschlag zu geloben, mit Mir durchzuhalten durch dick und dünn, durch Not und Tod.«

Die Parteiführer traten nunmehr vor den Thron und der Kaiser drückte jedem einzeln die Hand.

Der Kaiser an seine Soldaten.

»Nach 43-jähriger Friedenszeit rufe ich die deutsche wehrfähige Mannschaft zu den Waffen. Unsere heiligsten Güter, das Vaterland, den eigenen Herd gilt es gegen einen ruchlosen Überfall zu schützen. "Feinde ringsum", das ist das Kennzeichen der Lage. Ein schwerer Kampf und große Gefahren stehen uns bevor.

Ich vertraue, daß der alte kriegerische Geist noch im deutschen Volke lebt, jener gewaltige, kriegerische Geist, der den Feind, wo er ihn findet, angreift, koste es was es wolle, und der von jeher die Furcht und Schrecken unserer Feinde gewesen ist.

Ich vertraue auf Euch, Ihr deutschen Soldaten! In jedem von Euch lebt der heiße, durch nichts zu bezwingende Wille zum Siege. Jeder von Euch weiß, wenn es sein muß, wie ein Held zu sterben. Gedenkt unserer großen, ruhmreichen Vergangenheit! Gedenkt, daß Ihr Deutsche seid!

Gott helfe uns!«

Der Kaiser an das deutsche Volk.

»Seit der Reichsgründung vor 43 Jahren ist es Mein und Meiner Vorfahren heißes Bemühen gewesen, der Welt den Frieden zu erhalten und in Frieden unsere kraftvolle Entwicklung zu fördern. Aber die Gegner neiden uns den Erfolg unserer Arbeit. Alle offenkundigen und heimlichen Feindschaften von Ost und West und von jenseits der See haben wir bisher ertragen in dem Bewußtsein unserer Verantwortung und Kraft. Nun aber will man uns demütigen. Man verlangt, daß wir mit verschränkten Armen zusehen, wie unsere Feinde sich zum tückischen Überfall rüsten. Man will nicht dulden, daß wir in entschlossener Treue zu unserem Bundesgenossen stehen, der um sein Ansehen als Großmacht kämpft und mit dessen Erniedrigung auch unsere Macht und Ehre verloren ist. So muß nun das Schwert entscheiden. Mitten im Frieden überfällt uns der Feind.

Darum auf zu den Waffen! Jedes Schwanken, jedes Zögern wäre Verrat am Vaterlande. Um Sein oder Nichtsein unseres Reiches handelt es sich, das unsere Väter sich neu gründeten, um Sein oder Nichtsein von deutscher Macht und deutschem Wesen. Wir werden uns wehren bis auf den letzten Hauch von Mann und Roß und wir werden diesen Kampf auch bestehen gegen eine Welt von Feinden. Noch nie wurde Deutschland überwunden, wenn es einig war. Vorwärts mit Gott, der mit uns sein wird, wie er mit unseren Vätern war.«

1. August 1914 - erster Mobilmachungstag. Eine große ernste Zeit ist angebrochen. In Bewegung ist Stadt und Land. In heller Begeisterung melden sich Tausende und Abertausende freiwillig zum Dienste im Heere. Mutig ziehen sie hinaus, weil es gilt, fürs Vaterland zu streiten. Man hoffte auf einen baldigen Sieg und frohe Heimkehr. Schon im August errangen unsere tapferen Heere Sieg auf Sieg. Von nah und fern verkünden die Glocken dieses freudige Ereignis.

Zur Deckung der Kriegskosten wurden Kriegsanleihen gemacht, die von reich und arm gerne gezeichnet wurden. Mancher Knecht und manches Dienstmädchen haben ihr sauerverdientes Geld für das Vaterland hingegeben.

[1915]

Der Krieg breitet sich immer mehr aus. Nachdem die Türkei auf Betreiben der Mittelmächte den Russen, Franzosen und Engländern den Krieg erklärt hat, tritt das treulose Italien, welches durch die Machtstellung Deutschlands und Österreichs stark geworden ist, als Lohn an denselben zum Verräter. Es greift bei Ausbruch des Krieges, wozu es doch durch Vertrag verpflichtet war, nicht nur nicht in den Krieg auf Seiten Deutschlands und Österreichs ein, sondern schließt hinterlistig mit dem Dreierbund gegen seine Verbündeten Verträge ab. Am 23. Mai 1915 tritt es endlich offen heraus und erklärt Österreich den Krieg. Kaiser Franz Josef sagt in einem Manifest an seine Völker, daß die Geschichte einen solchen Treuebruch nicht kenne.

Der Treuebruch Italiens wurde zu Gunsten der Mittelmächte indes dadurch ausgeglichen, daß nunmehr Bulgarien auf ihre Seite getreten ist und in den Kampf gegen Serbien, den Urheber des Weltkrieges, angetreten ist. Der Kampf hat sich nunmehr auf vier Fronten ausgedehnt: Frankreich = Westfront, Rußland = Ostfront, Serbien = Südostfront und an der Grenze Italiens = Südfront.

[1916]

Der schreckliche Krieg dehnt sich noch weiter aus. Auf Drängen der Verbandsmächte erklärte nunmehr auch Rumänien am 28. August 1916 an Österreich den Krieg. Die Kriegserklärung Italiens an Deutschland erfolgte ebenfalls am 28. August.

Es stehen jetzt gegen die Zentralmächte: Deutschland, Österreich, Bulgarien und die Türkei, die Verbandsmächte: Frankreich, England, Rußland, Italien, Serbien, Montenegro, Belgien, Portugal, Rumänien und Japan. Auch Brasilien und einige kleinere Staaten Amerikas sind auf die Seite unserer Gegner getreten.

1917

Ein neues Jahr hat angefangen und noch immer wütet der schreckliche Weltkrieg. Immer neue Leute werden zu den Waffen gerufen, immer mehr Truppen rücken ins Feld. Auch aus unserer Gemeinde sind mehr als fünfzig Männer in den Kampf gezogen. Als Verteidiger des Vaterlandes, als Schützer von Haus und Herd. Mancher Tapfere aus hiesiger Gemeinde hat sich im Kampfe das Eiserne Kreuz erworben. Ihre Namen mögen den kommenden Geschlechtern veröffentlicht werden. Georg Waldschmitt und Anton Kilb das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Johann Adam 1. und 2. Klasse. Karl Messerschmitt, Georg Ochs, Anton Reul, Wilhelm Waldschmitt, Lorenz Beck, N. Bräutigam, Philipp Adam, Johann Endrich und Jakob Kilb 2. Klasse.

Den Heldentod fürs Vaterland starben: Hans Hoff man und sein Bruder Martin Hoffmann, Balthasar Adam, Johann Adam, Edwin Kubiak, Nikolaus Henrich, Friedrich Gilbert, Karl Säbel, Adam Henrich, Georg Adam, Heinrich Messerschmitt, Anton Brech und sein Bruder Heinrich Brech, August Bommersheim, Ferdinand Hohmann, die beiden Brüder Pfeiffer, Ludwig Frickel, Paul Jahr, Wilhelm Reuscher, Josef Scherer, Heinrich Demme und Wilhelm Waldschmitt.

Neun Familien haben den Tod ihres Gatten und Vaters, die übrigen den Tod der Söhne zu beklagen. Manche sind auch in Gefangenschaft geraten und werden vermißt. Ob sie wohl alle wiederkehren werden ?

Nachdem schon im vergangenen Jahre alle kupfernen und messingnen Kessel beschlagnahmt worden waren, sind nun auch dem unseligen Weltkriege die Glocken zum Opfer gefallen. Auch die Gemeinde Niederhöchstadt mußte von den beiden Glocken die kleinere, welche 1791 gegossen wurde, als Opfer bringen. Mit Trauer sah die Gemeinde die Glocke, welche so manchem Erdenbürger Niederhöchstadts das Geläut zu Grabe gab, scheiden. Am 28. Juni 1917 wurde dieselbe aus dem Kirchturm herabgenommen. Sie trug auf der einen Seite die Inschrift: "Anno 1791 goß mich Michael Jakob Barthels in Frankfurt a. M. Johann Adam, Schultheiß; Philipp Henrich, Konrad Henrich, Peter Junghenn, Gerichtsschöffen; Adam Adam, Kirchenbaumeister zu Niederhöchstadt 1791" und auf der anderen, der gegenüberliegenden Seite, war die Kreuzigungsgruppe aufgegossen.

Friede! [Der Sieg-Frieden von Brest-Litowsk]

Friede! Welch bezauberndes Wort nach dreieinhalbjährigem mörderischen Völkerringen. Wird uns das Jahr 1918 ihn bringen? Ein Hoffnungsstrahl ist von Osten her zu uns herübergekommen. Rußland hat, durch unser scharfes Schwert geschwächt, kriegsmüde geworden und im Inneren seines Landes zerrüttet, mit den Zentralmächten einen Waffenstillstand abgeschlossen und Friedensverhandlungen angekündigt. In Brest-Litowsk kamen am 3. März 1918 Vertreter der Mittelmächte zusammen, um über denselben zu verhandeln. Mit den Bevollmächtigten der Ukraine, einem großen Teil Südrußlands, welches sich als selbständiger Staat erklärte, ist nunmehr ein solcher zustande gekommen. Mit Großrußland scheiterte jedoch derselbe durch die maßlosen Forderungen der Vertreter der Bolschewiki, einer revolutionären Partei in Rußland, die weniger darauf bedacht war, ihrem unterdrückten Volke den Frieden zu bringen, als vielmehr darauf, ihre revolutionären Ideen auch in unser Vaterland zu übertragen und so auf den Trümmern desselben ihren Kommunistenstaat aufzubauen. Infolgedessen erklärte Deutschland mit dem 18. Februar 1918 den Waffenstillstand für gekündigt, und unser Schwert wird nunmehr den Frieden mit Rußland erzwingen müssen. Nachdem unser Heer in Rußland siegreich vorgedrungen ist, sah sich Rußland genötigt, nunmehr Frieden zu schließen. Rumänien, welches jetzt auf russische Hilfe nicht mehr rechnen konnte, sah sich ebenfalls genötigt, einen Waffenstillstand abzuschließen und in Friedensverhandlungen einzutreten.

[Im Westen geht es weiter]

Während so im Osten der Kampf sein Ende gefunden hat, entbrannte derselbe mit Beginn des Frühjahrs im Westen aufs Neue. Frankreich konnte sich nicht entschließen, die ihm angebotene Friedenshand zu ergreifen, und so wird auch hier das Schwert die Entscheidung bringen müssen. Manches teure Blut wird noch vergossen werden müssen, manche Träne um einen teuren Toten fließen. Am 1. März 1918 erlitt auch der Sohn meiner Familie, Paul Hölzer, nach dreieinhalbjähriger treuer Pflichterfüllung den Heldentod fürs Vaterland, nachdem er sechs Jahre und sieben Monate seinem Kaiser und Vaterland treu gedient hatte.

Noch manchen herrlichen Sieg haben unsere unvergleichlich tapferen Krieger gegen die Franzosen und die Engländer davon getragen. Auch die Österreicher haben am Isonzo den Italienern eine große Niederlage bereitet. So stand zu hoffen, daß es auch bald im Westen Frieden gäbe.

Aber leider sollte das mörderische Ringen immer noch kein Ende nehmen. Neue Feinde sind gegen uns aufgestanden. Amerika hat, angeblich wegen unseres U-Boot-Krieges, zunächst die diplomatischen Beziehungen mit uns abgebrochen und uns dann den Krieg erklärt. In Wirklichkeit stand es während des ganzen Krieges auf Seiten unserer Feinde. Es hat denselben nicht nur Lebensmittel in ausreichender Menge geliefert, sondern auch Millionen von Waffen und Geschossen, durch welche mancher unserer tapferen Söhne sein junges, blühendes Leben lassen mußte. Einige kleinere Staaten Mittelamerikas sind dem Beispiel Nordamerikas gefolgt, auch China und Siam, so daß beinahe die ganze Welt gegen uns ist.

So wurden Frankreich und England, welche den Krieg schon verloren hielten, mit neuem Mut erfüllt, zumal es auch Amerika gelang, alsbald ein Heer von über anderthalb Millionen Soldaten unseren Feinden zu Hilfe zu schicken. So begann nun das grausame, gigantische Ringen mit neuer Heftigkeit. Der französische Marschall Foch setzte auf der ganzen Linie seine, dem deutschen Heer vielmals überlegenen Streitkräfte ein, um die deutsche Front zu durchbrechen. Es traten zwar einige Tage der Ruhe ein, aber es war die Ruhe vor dem Sturm. Die Feinde holten fast auf allen Kriegsschauplätzen zu den mächtigsten Angriffen aus. Am 15. September kam der Schlag gegen die Bulgaren, welcher zu Ungunsten derselben endete. Am 18. September setzte das wütende Anrennen der Engländer und Franzosen zwischen Somme und Herrgicourt mit Richtung auf Cambrai ein.

Am 20. September erlitt die 7. und 8. türkische Armee eine schwere Niederlage zu beiden Seiten des Jordans. Am 25. September begannen die Massenvorstöße der Engländer und Franzosen auf St. Quentin und Lombrai; am 27. September der Großangriff der Amerikaner und Franzosen an Maas und Argonnen, so daß die ganze Westfront von der Maas bis zum Meer im schwersten Ringen vor der Entscheidung stand. Die feindlichen Heere vermochten die deutsche Front nicht zu durchbrechen. Ihre Pläne scheiterten am deutschen Heldenmute. Jedoch gelang es ihnen, die deutsche Front um ein bedeutendes Stück zurückzudrängen.

Bei diesem entsetzlichen Ringen fanden leider auch wieder zwei Heldensöhne unserer Gemeinde den Kriegertod. Anton Kilb, Träger des Eisernen Kreuzes I. Klasse, nachdem er vier Jahre ununterbrochen vor dem Feinde gestanden, und Johann Volk im jugendlichen Alter von neunzehn Jahren, der erst vor wenigen Tagen auf seinen Wunsch an die Front kam, um sein Vaterland zu verteidigen. Diese geradezu unfaßbare Wendung hat uns sehr enttäuscht, aber nicht entmutigt. Es ist so ganz anders gekommen, als unsere Berechnungen uns ahnen ließen. Entmutigt nicht, eingedenk des Spruches:

"Dem Tod entrinnt, wer ihn verachtet,
doch den Verzagten holt er ein.
Es ist noch nichts verloren,
wenn wir uns nur selber nicht verloren geben."

Noch niemals im Laufe der sorgenvollen Jahre und Monate, die hinter uns liegen, ist es mir so schwer geworden, die Chronik des Weltkrieges weiter zu schreiben, wie diesmal. Ereignisse von ungeheurer Größe und Tragweite haben sich in letzter Zeit vollzogen und das wandelbare Glück der Waffen ist den mit beispiellosem Heroismus um ihre Existenz kämpfenden Mittelmächte untreu geworden. Die politische Lage der verbündeten Monarchien ist ernst und gefahrdrohend geworden. Wie ist das so schnell und unerwartend gekommen? Bulgarien, unser Bundesgenosse, war kriegsmüde geworden und der Ministerpräsident Manilow hatte sich an die Entente mit der Bitte um sofortigen Waffenstillstand gewendet. Noch ehe der Monat noch zu Ende war, hatte sich Bulgarien bedingungslos ergeben.

["Wohl schwerwiegende Gründe" für das Ersuchen um Waffenstillstand]

Am 4.Oktober 1918 dankte Zar Ferdinand zu Gunsten seines Sohnes Boris ab und verließ das Land, in das er vor 32 Jahren mit großen Hoffnungen gekommen war. Bulgarien als Bundesgenosse war für uns verloren. Durch diesen unheilvollen Vorgang in Bulgarien und durch die Niederlage der Türken war auch Österreich/Ungarn in eine so schwierige Lage gekommen, daß der Außenminister Graf Burian am 4. Oktober 1918 seiner ersten Friedensnote an den Präsidenten Wilson eine zweite zur Herbeiführung eines sofortigen Waffenstillstandes folgen ließ. Diesem Schritt schloß sich schon am folgenden Tage auch Deutschland an. Es müssen wohl schwerwiegende Gründe gewesen sein, die Regierung und die Heeresleitung dazu bestimmten. Wenn es Marschall Foch auch nicht gelungen war, an irgend einer Stelle den Durchbruch zu erzwingen, so sah sich die Heeresleitung doch gezwungen, andauernd zurückzugehen und das eroberte Gelände dem Feinde wieder zurückzugeben.

[Das Ende]

Infolgedessen haben in Berlin ernste Beratungen stattgefunden, als deren Ergebnis der Reichskanzler Max von Baden an den Präsidenten Wilson ein Friedens- und Waffenstillstandsabkommen richtete, das folgenden Wortlaut hatte:

»Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen, alle kriegsführenden Staaten davon in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung von Bevollmächtigten zwecks Aufnahme der Verhandlungen einzuladen. Sie nimmt das vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Kongreß-Botschaft vom 8. Januar 1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich in der Rede vom 27. September 1918 aufgestellte Programm der Grundlage für die Friedensverhandlungen an.

Um weiteres Blutvergießen zu verhüten, ersucht die deutsche Regierung, den sofortigen Abschluß eines allgemeinen Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und in der Luft herbeizuführen.«

Derselbe kam auch bald darauf unter den demütig[end]sten Bedingungen für Deutschland zustande. Es mußte innerhalb eines Zeitraumes von kaum vier Wochen alle besetzten Gebiete räumen, fast sämtliche Kriegsschiffe an die Alliierten ausliefern, 5.000 brauchbare Lokomotiven und tausende Güterwagen und landwirtschaftliche Geräte abliefern. Die Engländer, Franzosen, Belgier und Amerikaner besetzten nicht allein das ganze linke Rheinufer, sondern auch drei "Brückenköpfe" rechts des Rheins, Mainz, Koblenz und Köln.

Auch Niederhöchstadt fiel in das besetzte Gebiet. Am 20. Dezember 1918 erschien ein französischer Reiter und kündigte für den folgenden Tag die Besetzung des Dorfes an. Der Truppen waren so viele, daß nicht alle in Bürgerquartiere untergebracht werden konnten. Deshalb wurden auch die beiden Schulsäle einige Zeit mit denselben belegt. Die Franzosen blieben bis zum vorläufigen Friedensschluß im August 1919.

Durch den unglücklichen Ausgang des Krieges und den großen Mangel an Lebensmitteln wurde die Unzufriedenheit im Lande sehr groß. Es trat eine vollständige Staatsumwälzung ein. Der Kaiser wurde genötigt, abzudanken, und für sich und seine Nachkommen für immer auf den Thron zu verzichten. Er flüchtete nach Holland und erwarb das Schloß Doorn zum Aufenthalte. Auch alle anderen Fürsten entsagten teils freiwillig, teils gezwungen dem Throne. Die sozialdemokratische Partei bemächtigte sich der Regierungsgewalt und erklärte Deutschland für einen Freistaat. Das allgemeine gleiche Wahlrecht wurde für alle männlichen und weiblichen Personen vom 20. Lebensjahre eingeführt. Eine, zu einem späteren Zeiträume vorzunehmende Wahl sollte über das Schicksal Deutschlands entscheiden. Die höchste Gewalt ging in Stadt und Gemeinde auf gewählte Soldaten-, Arbeiter- und Bauernräte über. Mit dem Einzug der Franzosen endete ihre Gewalt, da dieselben sie nicht anerkannten, sondern sie ihres Amtes entsetzten.

[1919: Mord und Totschlag im Reich - aber keine Täter?]

Anfang des Jahres 1919 fand endlich die Wahl zur Nationalversammlung statt. Wenige Wochen später trat dieselbe zum ersten Male zusammen und wählte zum Reichspräsidenten den Sozialdemokraten Friedrich Ebert. Wer aber nun glaubte, jetzt würde Ruhe und Ordnung im Lande einkehren, der befand sich in großem Irrtum. Statt Ruhe im Lande überall, namentlich in den Großstädten Berlin, Hamburg, München usw. Unruhe und Bürgerkriege. Hunderte von friedlichen Leuten starben eines qualvollen Todes unter der Henkershand ihrer eigenen Landsleuten. Die Feder sträubt sich, die Grausamkeiten niederzuschreiben, welche verübt wurden. Diebstahl, Raub und Mord sind an der Tagesordnung. Auch Wucher und Schleichhandel, und die Preise steigen ins unendliche.

[Diktat von Versailles]

Am 28. Juni 1919 wurde endlich mit den Entente-Mächten der Friede geschlossen. Aber ein Friede, wie ihn die Weltgeschichte für ein Volk noch nicht erlebt hat. Deutschland muß Elsaß-Lothringen an Frankreich abtreten; Eupen und Malmedy an Belgien, und das Saargebiet muß fünfzehn Jahre Frankreich überlassen werden. Nach diesen Jahren soll eine Volksabstimmung entscheiden, wohin das Gebiet fallen soll. Der größte Teil von Posen und Westpreußen soll an Polen fallen. Nordschleswig an Dänemark. Über das Schicksal Oberschlesiens soll eine Volksabstimmung entscheiden. Das Rheinland soll fünfzehn Jahre von den Franzosen besetzt bleiben. Ferner müssen sämtliche Kolonien, für welche wir Millionen aufgewendet haben, den Feinden überlassen werden. Ungeheure Kriegskosten müssen bezahlt werden. Nach langen Verhandlungen wurde der Friede erst am 10. Juni 1920 ratifiziert.